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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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sik als die größte Wohlthäterin meines Lebens,
erwiederte er; wie oft hat die Himmlische die
bösen Geister zur Ruhe eingesungen, die mich
drohend umgaben! Und so bin ich, wenn Sie
es so nennen wollen, musikalisch, soviel die
Natur mich lehrte, bis zur Kunst habe ich es
noch nicht gebracht.

Mit diesen Worten nahm er eine Guitarre,
stimmte sie, machte einige Gänge, und sang
Verse, die er aus dem Stegereif dazu erfand.
Er befang den Strom, der dicht unter den Fen-
stern des Gartensaals vorbeyfloß, das Thal,
den Wald, das hohe entfernte Gebirge, von
dem die Gipfel noch von den Strahlen der un-
tergehenden Sonne beleuchtet waren, da sie
selbst schon lange aufgehört hatte, sichtbar zu
seyn. Dann sang er von seiner Sehnfucht,
die ihn in die Ferne zog, von dem Unmuth,
der ihn rastlos umhertrieb, und endigte sein
Lied mit dem Lobe der Schönheit, unter deren
Schutz ihm die Morgenröthe des Glücks schim-
mere, und bey deren Anblick jedes Leiden in

ſik als die groͤßte Wohlthaͤterin meines Lebens,
erwiederte er; wie oft hat die Himmliſche die
boͤſen Geiſter zur Ruhe eingeſungen, die mich
drohend umgaben! Und ſo bin ich, wenn Sie
es ſo nennen wollen, muſikaliſch, ſoviel die
Natur mich lehrte, bis zur Kunſt habe ich es
noch nicht gebracht.

Mit dieſen Worten nahm er eine Guitarre,
ſtimmte ſie, machte einige Gaͤnge, und ſang
Verſe, die er aus dem Stegereif dazu erfand.
Er befang den Strom, der dicht unter den Fen-
ſtern des Gartenſaals vorbeyfloß, das Thal,
den Wald, das hohe entfernte Gebirge, von
dem die Gipfel noch von den Strahlen der un-
tergehenden Sonne beleuchtet waren, da ſie
ſelbſt ſchon lange aufgehoͤrt hatte, ſichtbar zu
ſeyn. Dann ſang er von ſeiner Sehnfucht,
die ihn in die Ferne zog, von dem Unmuth,
der ihn raſtlos umhertrieb, und endigte ſein
Lied mit dem Lobe der Schoͤnheit, unter deren
Schutz ihm die Morgenroͤthe des Gluͤcks ſchim-
mere, und bey deren Anblick jedes Leiden in

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[29/0037] ſik als die groͤßte Wohlthaͤterin meines Lebens, erwiederte er; wie oft hat die Himmliſche die boͤſen Geiſter zur Ruhe eingeſungen, die mich drohend umgaben! Und ſo bin ich, wenn Sie es ſo nennen wollen, muſikaliſch, ſoviel die Natur mich lehrte, bis zur Kunſt habe ich es noch nicht gebracht. Mit dieſen Worten nahm er eine Guitarre, ſtimmte ſie, machte einige Gaͤnge, und ſang Verſe, die er aus dem Stegereif dazu erfand. Er befang den Strom, der dicht unter den Fen- ſtern des Gartenſaals vorbeyfloß, das Thal, den Wald, das hohe entfernte Gebirge, von dem die Gipfel noch von den Strahlen der un- tergehenden Sonne beleuchtet waren, da ſie ſelbſt ſchon lange aufgehoͤrt hatte, ſichtbar zu ſeyn. Dann ſang er von ſeiner Sehnfucht, die ihn in die Ferne zog, von dem Unmuth, der ihn raſtlos umhertrieb, und endigte ſein Lied mit dem Lobe der Schoͤnheit, unter deren Schutz ihm die Morgenroͤthe des Gluͤcks ſchim- mere, und bey deren Anblick jedes Leiden in

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/37>, abgerufen am 28.04.2024.