ihrem Hause herrscht, macht, daß es von allen gesucht wird. Die Unterhaltung der Gräfin ist leicht, und geistreich, durch die- se allein ahndet man in der Gesellschaft die Frau von außerordentlichen Gaben. So oft sich Gelegenheit zeigt, giebt sie Konzerte und Bälle, wo sich immer eine Menge jun- ger Leute einfinden, deren Vergnügen durch nichts, was die ernste Stimmung der Wir- thin verrathen könnte, gestört wird. Sie zieht sich freylich immer sehr bald in ihr ein- sames Zimmer zurück, aber ohne im gering- sten die Lust zu unterbrechen, so wie sie nie- mals irgend eine Art von Aufsehen ihrent- wegen erlaubt. -- Jch denke mir, wie oft diese Güte mag gemißbraucht worden seyn, in der Welt! -- Dem ist es auch wohl nur allein zuzuschreiben, daß der Zutritt zu ihr so erschwert worden ist, obgleich sie auf keine Weise argwöhnender ward durch den wie- derholten Betrug. Die Noth der Hülfe suchen- den wird jederzeit von ihr selbst geprüft. Dies Geschäft überträgt sie niemals irgend einem
ihrem Hauſe herrſcht, macht, daß es von allen geſucht wird. Die Unterhaltung der Graͤfin iſt leicht, und geiſtreich, durch die- ſe allein ahndet man in der Geſellſchaft die Frau von außerordentlichen Gaben. So oft ſich Gelegenheit zeigt, giebt ſie Konzerte und Baͤlle, wo ſich immer eine Menge jun- ger Leute einfinden, deren Vergnuͤgen durch nichts, was die ernſte Stimmung der Wir- thin verrathen koͤnnte, geſtoͤrt wird. Sie zieht ſich freylich immer ſehr bald in ihr ein- ſames Zimmer zuruͤck, aber ohne im gering- ſten die Luſt zu unterbrechen, ſo wie ſie nie- mals irgend eine Art von Aufſehen ihrent- wegen erlaubt. — Jch denke mir, wie oft dieſe Guͤte mag gemißbraucht worden ſeyn, in der Welt! — Dem iſt es auch wohl nur allein zuzuſchreiben, daß der Zutritt zu ihr ſo erſchwert worden iſt, obgleich ſie auf keine Weiſe argwoͤhnender ward durch den wie- derholten Betrug. Die Noth der Huͤlfe ſuchen- den wird jederzeit von ihr ſelbſt gepruͤft. Dies Geſchaͤft uͤbertraͤgt ſie niemals irgend einem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0368"n="360"/>
ihrem Hauſe herrſcht, macht, daß es von<lb/>
allen geſucht wird. Die Unterhaltung der<lb/>
Graͤfin iſt leicht, und geiſtreich, durch die-<lb/>ſe allein ahndet man in der Geſellſchaft die<lb/>
Frau von außerordentlichen Gaben. So oft<lb/>ſich Gelegenheit zeigt, giebt ſie Konzerte<lb/>
und Baͤlle, wo ſich immer eine Menge jun-<lb/>
ger Leute einfinden, deren Vergnuͤgen durch<lb/>
nichts, was die ernſte Stimmung der Wir-<lb/>
thin verrathen koͤnnte, geſtoͤrt wird. Sie<lb/>
zieht ſich freylich immer ſehr bald in ihr ein-<lb/>ſames Zimmer zuruͤck, aber ohne im gering-<lb/>ſten die Luſt zu unterbrechen, ſo wie ſie nie-<lb/>
mals irgend eine Art von Aufſehen ihrent-<lb/>
wegen erlaubt. — Jch denke mir, wie oft<lb/>
dieſe Guͤte mag gemißbraucht worden ſeyn,<lb/>
in der Welt! — Dem iſt es auch wohl nur<lb/>
allein zuzuſchreiben, daß der Zutritt zu ihr<lb/>ſo erſchwert worden iſt, obgleich ſie auf<lb/>
keine Weiſe argwoͤhnender ward durch den wie-<lb/>
derholten Betrug. Die Noth der Huͤlfe ſuchen-<lb/>
den wird jederzeit von ihr ſelbſt gepruͤft. Dies<lb/>
Geſchaͤft uͤbertraͤgt ſie niemals irgend einem<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[360/0368]
ihrem Hauſe herrſcht, macht, daß es von
allen geſucht wird. Die Unterhaltung der
Graͤfin iſt leicht, und geiſtreich, durch die-
ſe allein ahndet man in der Geſellſchaft die
Frau von außerordentlichen Gaben. So oft
ſich Gelegenheit zeigt, giebt ſie Konzerte
und Baͤlle, wo ſich immer eine Menge jun-
ger Leute einfinden, deren Vergnuͤgen durch
nichts, was die ernſte Stimmung der Wir-
thin verrathen koͤnnte, geſtoͤrt wird. Sie
zieht ſich freylich immer ſehr bald in ihr ein-
ſames Zimmer zuruͤck, aber ohne im gering-
ſten die Luſt zu unterbrechen, ſo wie ſie nie-
mals irgend eine Art von Aufſehen ihrent-
wegen erlaubt. — Jch denke mir, wie oft
dieſe Guͤte mag gemißbraucht worden ſeyn,
in der Welt! — Dem iſt es auch wohl nur
allein zuzuſchreiben, daß der Zutritt zu ihr
ſo erſchwert worden iſt, obgleich ſie auf
keine Weiſe argwoͤhnender ward durch den wie-
derholten Betrug. Die Noth der Huͤlfe ſuchen-
den wird jederzeit von ihr ſelbſt gepruͤft. Dies
Geſchaͤft uͤbertraͤgt ſie niemals irgend einem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/368>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.