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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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Umrissen der schlanke Hals, der oft mit anmu-
thiger Schalkhaftigkeit sich seitwärts neigte, und
dann sich wieder frey und stolz erhob. Eine
blühende Farbe, ein schön geformter Arm, eine
länglichte Hand, durch deren Weiße die Adern
bläulich hindurch spielten, zarte Finger, die
sich in ein fein getuschtes Roth endigten; der
helle und doch biegsame Ton ihrer Stimme;
der kleine Eigensinn in den nah zusammen ste-
henden Augenbrauen und in dem etwas aufge-
worfnen Munde; die Anmuth im Spiel der
leicht entstehenden und verschwindenden Grüb-
chen in Wange und Kinn; große dunkelblaue
Augen, die bald voll Seele und frohem Leben
blitzten, bald thränenschwer, wie thaubenetzte
Veilchen sich unter die langen seidnen Wimpern
senkten, bald mit kindlicher Unbefangenheit ver-
trauend in ein andres Auge schauten, bald mit
großer, beynah zurückschreckender Hoheit um
sich her schauen konnten; besonders das feine,
zarte und doch entschiedne und muthwillige,
gleichsam durchsichtige, woraus ihr ganzes We-
sen geformt zu seyn schien: alles das waren

Umriſſen der ſchlanke Hals, der oft mit anmu-
thiger Schalkhaftigkeit ſich ſeitwaͤrts neigte, und
dann ſich wieder frey und ſtolz erhob. Eine
bluͤhende Farbe, ein ſchoͤn geformter Arm, eine
laͤnglichte Hand, durch deren Weiße die Adern
blaͤulich hindurch ſpielten, zarte Finger, die
ſich in ein fein getuſchtes Roth endigten; der
helle und doch biegſame Ton ihrer Stimme;
der kleine Eigenſinn in den nah zuſammen ſte-
henden Augenbrauen und in dem etwas aufge-
worfnen Munde; die Anmuth im Spiel der
leicht entſtehenden und verſchwindenden Gruͤb-
chen in Wange und Kinn; große dunkelblaue
Augen, die bald voll Seele und frohem Leben
blitzten, bald thraͤnenſchwer, wie thaubenetzte
Veilchen ſich unter die langen ſeidnen Wimpern
ſenkten, bald mit kindlicher Unbefangenheit ver-
trauend in ein andres Auge ſchauten, bald mit
großer, beynah zuruͤckſchreckender Hoheit um
ſich her ſchauen konnten; beſonders das feine,
zarte und doch entſchiedne und muthwillige,
gleichſam durchſichtige, woraus ihr ganzes We-
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[23/0031] Umriſſen der ſchlanke Hals, der oft mit anmu- thiger Schalkhaftigkeit ſich ſeitwaͤrts neigte, und dann ſich wieder frey und ſtolz erhob. Eine bluͤhende Farbe, ein ſchoͤn geformter Arm, eine laͤnglichte Hand, durch deren Weiße die Adern blaͤulich hindurch ſpielten, zarte Finger, die ſich in ein fein getuſchtes Roth endigten; der helle und doch biegſame Ton ihrer Stimme; der kleine Eigenſinn in den nah zuſammen ſte- henden Augenbrauen und in dem etwas aufge- worfnen Munde; die Anmuth im Spiel der leicht entſtehenden und verſchwindenden Gruͤb- chen in Wange und Kinn; große dunkelblaue Augen, die bald voll Seele und frohem Leben blitzten, bald thraͤnenſchwer, wie thaubenetzte Veilchen ſich unter die langen ſeidnen Wimpern ſenkten, bald mit kindlicher Unbefangenheit ver- trauend in ein andres Auge ſchauten, bald mit großer, beynah zuruͤckſchreckender Hoheit um ſich her ſchauen konnten; beſonders das feine, zarte und doch entſchiedne und muthwillige, gleichſam durchſichtige, woraus ihr ganzes We- ſen geformt zu ſeyn ſchien: alles das waren

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/31>, abgerufen am 28.04.2024.