der Hand hielt, oder es saß still ihr gegen- über und lächelte sie mit großen Augen an. Nur wenn sie es fassen wollte, dann ward sie erinnert, daß es eine bloße Täuschung sey, dann wich das Luftbild von ihren Händen zurück, und ließ sich eben so wenig ergrei- fen, als die sarbige Gestalt des Regenbo- gens.
Nach einiger Zeit ereignete sich etwas, wel- ches das Wunderbare dieser Erscheinung zugleich erklärte und vergrößerte. Die Marquise fühlte nehmlich deutliche Zeichen, daß sie guter Hoff- nung sey. Die Freude des Ehepaars war ohne Granzen, als sie dessen endlich gewiß waren. Jm Taumel der Freude, ihr Gebet erhört, und sich des trostlosen Gelübdes entbunden zu sehen, eilte sie nach demselben Altare, vor welchem sie es damals abgelegt hatte, und gelobte nun an der Stelle ihr Kind, statt ihrer, dem Kloster zu weihen! Der Marquis war mit diesem Gelübde beynahe so unzufrieden, als mit dem vorigen, doch mußte er es geschehen lassen.
der Hand hielt, oder es ſaß ſtill ihr gegen- uͤber und laͤchelte ſie mit großen Augen an. Nur wenn ſie es faſſen wollte, dann ward ſie erinnert, daß es eine bloße Taͤuſchung ſey, dann wich das Luftbild von ihren Haͤnden zuruͤck, und ließ ſich eben ſo wenig ergrei- fen, als die ſarbige Geſtalt des Regenbo- gens.
Nach einiger Zeit ereignete ſich etwas, wel- ches das Wunderbare dieſer Erſcheinung zugleich erklaͤrte und vergroͤßerte. Die Marquiſe fuͤhlte nehmlich deutliche Zeichen, daß ſie guter Hoff- nung ſey. Die Freude des Ehepaars war ohne Granzen, als ſie deſſen endlich gewiß waren. Jm Taumel der Freude, ihr Gebet erhoͤrt, und ſich des troſtloſen Geluͤbdes entbunden zu ſehen, eilte ſie nach demſelben Altare, vor welchem ſie es damals abgelegt hatte, und gelobte nun an der Stelle ihr Kind, ſtatt ihrer, dem Kloſter zu weihen! Der Marquis war mit dieſem Geluͤbde beynahe ſo unzufrieden, als mit dem vorigen, doch mußte er es geſchehen laſſen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0256"n="248"/>
der Hand hielt, oder es ſaß ſtill ihr gegen-<lb/>
uͤber und laͤchelte ſie mit großen Augen an.<lb/>
Nur wenn ſie es faſſen wollte, dann ward<lb/>ſie erinnert, daß es eine bloße Taͤuſchung ſey,<lb/>
dann wich das Luftbild von ihren Haͤnden<lb/>
zuruͤck, und ließ ſich eben ſo wenig ergrei-<lb/>
fen, als die ſarbige Geſtalt des Regenbo-<lb/>
gens.</p><lb/><p>Nach einiger Zeit ereignete ſich etwas, wel-<lb/>
ches das Wunderbare dieſer Erſcheinung zugleich<lb/>
erklaͤrte und vergroͤßerte. Die Marquiſe fuͤhlte<lb/>
nehmlich deutliche Zeichen, daß ſie guter Hoff-<lb/>
nung ſey. Die Freude des Ehepaars war ohne<lb/>
Granzen, als ſie deſſen endlich gewiß waren.<lb/>
Jm Taumel der Freude, ihr Gebet erhoͤrt, und<lb/>ſich des troſtloſen Geluͤbdes entbunden zu ſehen,<lb/>
eilte ſie nach demſelben Altare, vor welchem ſie<lb/>
es damals abgelegt hatte, und gelobte nun an<lb/>
der Stelle ihr Kind, ſtatt ihrer, dem Kloſter<lb/>
zu weihen! Der Marquis war mit dieſem<lb/>
Geluͤbde beynahe ſo unzufrieden, als mit dem<lb/>
vorigen, doch mußte er es geſchehen laſſen.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[248/0256]
der Hand hielt, oder es ſaß ſtill ihr gegen-
uͤber und laͤchelte ſie mit großen Augen an.
Nur wenn ſie es faſſen wollte, dann ward
ſie erinnert, daß es eine bloße Taͤuſchung ſey,
dann wich das Luftbild von ihren Haͤnden
zuruͤck, und ließ ſich eben ſo wenig ergrei-
fen, als die ſarbige Geſtalt des Regenbo-
gens.
Nach einiger Zeit ereignete ſich etwas, wel-
ches das Wunderbare dieſer Erſcheinung zugleich
erklaͤrte und vergroͤßerte. Die Marquiſe fuͤhlte
nehmlich deutliche Zeichen, daß ſie guter Hoff-
nung ſey. Die Freude des Ehepaars war ohne
Granzen, als ſie deſſen endlich gewiß waren.
Jm Taumel der Freude, ihr Gebet erhoͤrt, und
ſich des troſtloſen Geluͤbdes entbunden zu ſehen,
eilte ſie nach demſelben Altare, vor welchem ſie
es damals abgelegt hatte, und gelobte nun an
der Stelle ihr Kind, ſtatt ihrer, dem Kloſter
zu weihen! Der Marquis war mit dieſem
Geluͤbde beynahe ſo unzufrieden, als mit dem
vorigen, doch mußte er es geſchehen laſſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/256>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.