Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

fodert meine ganze Dankbarkeit; ich wünsch-
te nur diesesmal schon Gebrauch davon ma-
chen zu können." -- Wie so? -- Jch
will meine Reise durch Deutschland abkürzen,
und auf dem kürzesten Wege zum nächsten
Hafen, wo ich mich nach Amerika einschiffen
will, um den englischen Kolonien dort mei-
ne Dienste anzubieten. -- Nach Amerika?
rief Eduard. -- Jhr Vaterland hält Sie
nicht? fragte der Graf. -- Wo ist mein
Vaterland? rief jener in wehmüthig bitterm
Ton; gleich darauf halb scherzhaft: So
weit mich mein Gedächtniß zurückträgt, war
ich eine Waise und ein Fremdling auf Er-
den, und so denke ich das Land mein Va-
terland zu benennen, wo ich zuerst mich wer-
de Vater nennen hören. -- Er schwieg, und
sein Blick senkte sich trübe und ernst.

Bescheiden drang der andre nicht weiter
in ihn, und unter Gesprächen verschiednen
Jnhalts, die bedeutend genug waren, gegen-
seitig ihre Begierde zu näherer Bekanntschaft
zu reizen, langten sie im Park an, der durch

Florentin. I. 2

fodert meine ganze Dankbarkeit; ich wuͤnſch-
te nur dieſesmal ſchon Gebrauch davon ma-
chen zu koͤnnen.‟ — Wie ſo? — Jch
will meine Reiſe durch Deutſchland abkuͤrzen,
und auf dem kuͤrzeſten Wege zum naͤchſten
Hafen, wo ich mich nach Amerika einſchiffen
will, um den engliſchen Kolonien dort mei-
ne Dienſte anzubieten. — Nach Amerika?
rief Eduard. — Jhr Vaterland haͤlt Sie
nicht? fragte der Graf. — Wo iſt mein
Vaterland? rief jener in wehmuͤthig bitterm
Ton; gleich darauf halb ſcherzhaft: So
weit mich mein Gedaͤchtniß zuruͤcktraͤgt, war
ich eine Waiſe und ein Fremdling auf Er-
den, und ſo denke ich das Land mein Va-
terland zu benennen, wo ich zuerſt mich wer-
de Vater nennen hoͤren. — Er ſchwieg, und
ſein Blick ſenkte ſich truͤbe und ernſt.

Beſcheiden drang der andre nicht weiter
in ihn, und unter Geſpraͤchen verſchiednen
Jnhalts, die bedeutend genug waren, gegen-
ſeitig ihre Begierde zu naͤherer Bekanntſchaft
zu reizen, langten ſie im Park an, der durch

Florentin. I. 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0025" n="17"/>
fodert meine ganze Dankbarkeit; ich wu&#x0364;n&#x017F;ch-<lb/>
te nur die&#x017F;esmal &#x017F;chon Gebrauch davon ma-<lb/>
chen zu ko&#x0364;nnen.&#x201F; &#x2014; Wie &#x017F;o? &#x2014; Jch<lb/>
will meine Rei&#x017F;e durch Deut&#x017F;chland abku&#x0364;rzen,<lb/>
und auf dem ku&#x0364;rze&#x017F;ten Wege zum na&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
Hafen, wo ich mich nach Amerika ein&#x017F;chiffen<lb/>
will, um den engli&#x017F;chen Kolonien dort mei-<lb/>
ne Dien&#x017F;te anzubieten. &#x2014; Nach Amerika?<lb/>
rief Eduard. &#x2014; Jhr Vaterland ha&#x0364;lt Sie<lb/>
nicht? fragte der Graf. &#x2014; Wo i&#x017F;t mein<lb/>
Vaterland? rief jener in wehmu&#x0364;thig bitterm<lb/>
Ton; gleich darauf halb &#x017F;cherzhaft: So<lb/>
weit mich mein Geda&#x0364;chtniß zuru&#x0364;cktra&#x0364;gt, war<lb/>
ich eine Wai&#x017F;e und ein Fremdling auf Er-<lb/>
den, und &#x017F;o denke ich das Land mein Va-<lb/>
terland zu benennen, wo ich zuer&#x017F;t mich wer-<lb/>
de Vater nennen ho&#x0364;ren. &#x2014; Er &#x017F;chwieg, und<lb/>
&#x017F;ein Blick &#x017F;enkte &#x017F;ich tru&#x0364;be und ern&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Be&#x017F;cheiden drang der andre nicht weiter<lb/>
in ihn, und unter Ge&#x017F;pra&#x0364;chen ver&#x017F;chiednen<lb/>
Jnhalts, die bedeutend genug waren, gegen-<lb/>
&#x017F;eitig ihre Begierde zu na&#x0364;herer Bekannt&#x017F;chaft<lb/>
zu reizen, langten &#x017F;ie im Park an, der durch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Florentin. <hi rendition="#aq">I.</hi> 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0025] fodert meine ganze Dankbarkeit; ich wuͤnſch- te nur dieſesmal ſchon Gebrauch davon ma- chen zu koͤnnen.‟ — Wie ſo? — Jch will meine Reiſe durch Deutſchland abkuͤrzen, und auf dem kuͤrzeſten Wege zum naͤchſten Hafen, wo ich mich nach Amerika einſchiffen will, um den engliſchen Kolonien dort mei- ne Dienſte anzubieten. — Nach Amerika? rief Eduard. — Jhr Vaterland haͤlt Sie nicht? fragte der Graf. — Wo iſt mein Vaterland? rief jener in wehmuͤthig bitterm Ton; gleich darauf halb ſcherzhaft: So weit mich mein Gedaͤchtniß zuruͤcktraͤgt, war ich eine Waiſe und ein Fremdling auf Er- den, und ſo denke ich das Land mein Va- terland zu benennen, wo ich zuerſt mich wer- de Vater nennen hoͤren. — Er ſchwieg, und ſein Blick ſenkte ſich truͤbe und ernſt. Beſcheiden drang der andre nicht weiter in ihn, und unter Geſpraͤchen verſchiednen Jnhalts, die bedeutend genug waren, gegen- ſeitig ihre Begierde zu naͤherer Bekanntſchaft zu reizen, langten ſie im Park an, der durch Florentin. I. 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/25
Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/25>, abgerufen am 03.12.2024.