te sich alsdann eine andere Gattin wählen, mit der er glücklicher wäre, sie selbst aber wollte ihr Leben unter eifrigen Gebeten für sein Wohl in einem Kloster beschließen. -- Sie kamen bey diesen Worten vor dem Hause an, und wurden aus dem Wagen gehoben, noch ehe meine Tante ein Wort über dieses traurige Ge- lübde hatte vorbringen können. Der Marquis kam ihnen entgegen, voll Besorgniß wegen ih- res ungewöhnlich langen Ausbleibens. Die beyden Frauen sprachen kein Wort, er sah sie verwundert an, und nahm an der blassen Gesichtssarbe seiner Gemahlin und der be- kümmerten Miene meiner Tante gleich wahr, daß ihnen etwas ausserordentliches müsse zu- gestoßen seyn. Er führte sie ins nächste Zim- mer, und ließ nicht eher ab, bis er die Ur- sache ihrer Bestürzung erfahren. Sie er- laubte es endlich meiner Tante, dem Mar- quis ihr Gelübde zu entdecken. Dieser such- te sich ungeachtet seines heftigen Schreckens zu fassen, und bat sie, sich zu beruhigen; sie ließ aber nicht eher mit Thränen und
te ſich alsdann eine andere Gattin waͤhlen, mit der er gluͤcklicher waͤre, ſie ſelbſt aber wollte ihr Leben unter eifrigen Gebeten fuͤr ſein Wohl in einem Kloſter beſchließen. — Sie kamen bey dieſen Worten vor dem Hauſe an, und wurden aus dem Wagen gehoben, noch ehe meine Tante ein Wort uͤber dieſes traurige Ge- luͤbde hatte vorbringen koͤnnen. Der Marquis kam ihnen entgegen, voll Beſorgniß wegen ih- res ungewoͤhnlich langen Ausbleibens. Die beyden Frauen ſprachen kein Wort, er ſah ſie verwundert an, und nahm an der blaſſen Geſichtsſarbe ſeiner Gemahlin und der be- kuͤmmerten Miene meiner Tante gleich wahr, daß ihnen etwas auſſerordentliches muͤſſe zu- geſtoßen ſeyn. Er fuͤhrte ſie ins naͤchſte Zim- mer, und ließ nicht eher ab, bis er die Ur- ſache ihrer Beſtuͤrzung erfahren. Sie er- laubte es endlich meiner Tante, dem Mar- quis ihr Geluͤbde zu entdecken. Dieſer ſuch- te ſich ungeachtet ſeines heftigen Schreckens zu faſſen, und bat ſie, ſich zu beruhigen; ſie ließ aber nicht eher mit Thraͤnen und
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te ſich alsdann eine andere Gattin waͤhlen,
mit der er gluͤcklicher waͤre, ſie ſelbſt aber wollte
ihr Leben unter eifrigen Gebeten fuͤr ſein Wohl
in einem Kloſter beſchließen. — Sie kamen
bey dieſen Worten vor dem Hauſe an, und
wurden aus dem Wagen gehoben, noch ehe
meine Tante ein Wort uͤber dieſes traurige Ge-
luͤbde hatte vorbringen koͤnnen. Der Marquis
kam ihnen entgegen, voll Beſorgniß wegen ih-
res ungewoͤhnlich langen Ausbleibens. Die
beyden Frauen ſprachen kein Wort, er ſah
ſie verwundert an, und nahm an der blaſſen
Geſichtsſarbe ſeiner Gemahlin und der be-
kuͤmmerten Miene meiner Tante gleich wahr,
daß ihnen etwas auſſerordentliches muͤſſe zu-
geſtoßen ſeyn. Er fuͤhrte ſie ins naͤchſte Zim-
mer, und ließ nicht eher ab, bis er die Ur-
ſache ihrer Beſtuͤrzung erfahren. Sie er-
laubte es endlich meiner Tante, dem Mar-
quis ihr Geluͤbde zu entdecken. Dieſer ſuch-
te ſich ungeachtet ſeines heftigen Schreckens
zu faſſen, und bat ſie, ſich zu beruhigen;
ſie ließ aber nicht eher mit Thraͤnen und
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/248>, abgerufen am 21.11.2024.
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