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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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Tante verließ sie in dieser Zeit fast gar
nicht.

Jn der Weihnachtsnacht waren die Freun-
dinnen in der Kirche, die Marquise betete
länger und eifriger als jemals und konnte sich,
der häufigen Erinnerungen und Bitten ihrer
Freundin ungeachtet, gar nicht losreissen.
Sie gab vor, da diese sich über den ver-
mehrten Eifer verwunderte, sie hätte viele
Dankgebete zum Himmel zu schicken für die
glückliche Errettung ihres Gemahls, der Tags
vorher von einer Reise zurückgekommen, auf
der er mancherley Gefahren ausgesetzt gewe-
sen war.

Die Tante wagte es nun nicht mehr sie
wieder zu siöhren, da sie sie an den Stufen
des Altars und zu den Füßen eines Wun-
derbildes tief hinabgebeugt, weinen und
laut schluchzen hörte, denn sie wußte aus
Erfahrung, daß sie durch eine Unterbre-
chung auf viel Tage unruhig gemacht wurde.
Sie erwartete also, theils mit Geduld,
theils mit ihrer eignen Andacht beschäftigt,

Tante verließ ſie in dieſer Zeit faſt gar
nicht.

Jn der Weihnachtsnacht waren die Freun-
dinnen in der Kirche, die Marquiſe betete
laͤnger und eifriger als jemals und konnte ſich,
der haͤufigen Erinnerungen und Bitten ihrer
Freundin ungeachtet, gar nicht losreiſſen.
Sie gab vor, da dieſe ſich uͤber den ver-
mehrten Eifer verwunderte, ſie haͤtte viele
Dankgebete zum Himmel zu ſchicken fuͤr die
gluͤckliche Errettung ihres Gemahls, der Tags
vorher von einer Reiſe zuruͤckgekommen, auf
der er mancherley Gefahren ausgeſetzt gewe-
ſen war.

Die Tante wagte es nun nicht mehr ſie
wieder zu ſioͤhren, da ſie ſie an den Stufen
des Altars und zu den Fuͤßen eines Wun-
derbildes tief hinabgebeugt, weinen und
laut ſchluchzen hoͤrte, denn ſie wußte aus
Erfahrung, daß ſie durch eine Unterbre-
chung auf viel Tage unruhig gemacht wurde.
Sie erwartete alſo, theils mit Geduld,
theils mit ihrer eignen Andacht beſchaͤftigt,

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[237/0245] Tante verließ ſie in dieſer Zeit faſt gar nicht. Jn der Weihnachtsnacht waren die Freun- dinnen in der Kirche, die Marquiſe betete laͤnger und eifriger als jemals und konnte ſich, der haͤufigen Erinnerungen und Bitten ihrer Freundin ungeachtet, gar nicht losreiſſen. Sie gab vor, da dieſe ſich uͤber den ver- mehrten Eifer verwunderte, ſie haͤtte viele Dankgebete zum Himmel zu ſchicken fuͤr die gluͤckliche Errettung ihres Gemahls, der Tags vorher von einer Reiſe zuruͤckgekommen, auf der er mancherley Gefahren ausgeſetzt gewe- ſen war. Die Tante wagte es nun nicht mehr ſie wieder zu ſioͤhren, da ſie ſie an den Stufen des Altars und zu den Fuͤßen eines Wun- derbildes tief hinabgebeugt, weinen und laut ſchluchzen hoͤrte, denn ſie wußte aus Erfahrung, daß ſie durch eine Unterbre- chung auf viel Tage unruhig gemacht wurde. Sie erwartete alſo, theils mit Geduld, theils mit ihrer eignen Andacht beſchaͤftigt,

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/245>, abgerufen am 11.05.2024.