Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

Jch antwortete so, daß sie nicht sogleich
aus dem Jrrthum gerissen ward. Als ich
hoffen durfte, daß die Unterhaltung sie ge-
nugsam interessirte, gab ich ihr zu verste-
hen, daß ich ihr unbekannt sey. Sie war
aufgebracht, ging zurück, sprach aber doch
immer weiter durch die offen gebliebene Thü-
re; es währte nicht gar lange, so hatte
ich sie wieder durch Bitten und Schmeiche-
leyen auf den Balkon gezogen. Sie wollte
meinen Namen wissen, ich sagte ihn ihr,
sie schien einiges Zutrauen zu gewinnen als
sie ihn hörte. Sie hatte schon viel zu mei-
nem Vortheil gehört, sagte sie, und schon
lange gewünscht mich persönlich zu kennen.
Was konnte sie mir erfreulicheres sagen?
Auch war unsre Bekanntschaft mit diesen we-
nigen Worten so gut als befestigt. Meine
Rolle war etwas schwierig, ich mußte durch-
aus sie schon gesehen, gekannt, geliebt ha-
ben, sonst wäre mein Eindringen ganz un-
verzeihlich gewesen, auch sprach sie ganz so,
als| ob mir alle ihre Verhältnisse bekannt

Jch antwortete ſo, daß ſie nicht ſogleich
aus dem Jrrthum geriſſen ward. Als ich
hoffen durfte, daß die Unterhaltung ſie ge-
nugſam intereſſirte, gab ich ihr zu verſte-
hen, daß ich ihr unbekannt ſey. Sie war
aufgebracht, ging zuruͤck, ſprach aber doch
immer weiter durch die offen gebliebene Thuͤ-
re; es waͤhrte nicht gar lange, ſo hatte
ich ſie wieder durch Bitten und Schmeiche-
leyen auf den Balkon gezogen. Sie wollte
meinen Namen wiſſen, ich ſagte ihn ihr,
ſie ſchien einiges Zutrauen zu gewinnen als
ſie ihn hoͤrte. Sie hatte ſchon viel zu mei-
nem Vortheil gehoͤrt, ſagte ſie, und ſchon
lange gewuͤnſcht mich perſoͤnlich zu kennen.
Was konnte ſie mir erfreulicheres ſagen?
Auch war unſre Bekanntſchaft mit dieſen we-
nigen Worten ſo gut als befeſtigt. Meine
Rolle war etwas ſchwierig, ich mußte durch-
aus ſie ſchon geſehen, gekannt, geliebt ha-
ben, ſonſt waͤre mein Eindringen ganz un-
verzeihlich geweſen, auch ſprach ſie ganz ſo,
als| ob mir alle ihre Verhaͤltniſſe bekannt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0210" n="202"/>
Jch antwortete &#x017F;o, daß &#x017F;ie nicht &#x017F;ogleich<lb/>
aus dem Jrrthum geri&#x017F;&#x017F;en ward. Als ich<lb/>
hoffen durfte, daß die Unterhaltung &#x017F;ie ge-<lb/>
nug&#x017F;am intere&#x017F;&#x017F;irte, gab ich ihr zu ver&#x017F;te-<lb/>
hen, daß ich ihr unbekannt &#x017F;ey. Sie war<lb/>
aufgebracht, ging zuru&#x0364;ck, &#x017F;prach aber doch<lb/>
immer weiter durch die offen gebliebene Thu&#x0364;-<lb/>
re; es wa&#x0364;hrte nicht gar lange, &#x017F;o hatte<lb/>
ich &#x017F;ie wieder durch Bitten und Schmeiche-<lb/>
leyen auf den Balkon gezogen. Sie wollte<lb/>
meinen Namen wi&#x017F;&#x017F;en, ich &#x017F;agte ihn ihr,<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;chien einiges Zutrauen zu gewinnen als<lb/>
&#x017F;ie ihn ho&#x0364;rte. Sie hatte &#x017F;chon viel zu mei-<lb/>
nem Vortheil geho&#x0364;rt, &#x017F;agte &#x017F;ie, und &#x017F;chon<lb/>
lange gewu&#x0364;n&#x017F;cht mich per&#x017F;o&#x0364;nlich zu kennen.<lb/>
Was konnte &#x017F;ie mir erfreulicheres &#x017F;agen?<lb/>
Auch war un&#x017F;re Bekannt&#x017F;chaft mit die&#x017F;en we-<lb/>
nigen Worten &#x017F;o gut als befe&#x017F;tigt. Meine<lb/>
Rolle war etwas &#x017F;chwierig, ich mußte durch-<lb/>
aus &#x017F;ie &#x017F;chon ge&#x017F;ehen, gekannt, geliebt ha-<lb/>
ben, &#x017F;on&#x017F;t wa&#x0364;re mein Eindringen ganz un-<lb/>
verzeihlich gewe&#x017F;en, auch &#x017F;prach &#x017F;ie ganz &#x017F;o,<lb/>
als| ob mir alle ihre Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e bekannt<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0210] Jch antwortete ſo, daß ſie nicht ſogleich aus dem Jrrthum geriſſen ward. Als ich hoffen durfte, daß die Unterhaltung ſie ge- nugſam intereſſirte, gab ich ihr zu verſte- hen, daß ich ihr unbekannt ſey. Sie war aufgebracht, ging zuruͤck, ſprach aber doch immer weiter durch die offen gebliebene Thuͤ- re; es waͤhrte nicht gar lange, ſo hatte ich ſie wieder durch Bitten und Schmeiche- leyen auf den Balkon gezogen. Sie wollte meinen Namen wiſſen, ich ſagte ihn ihr, ſie ſchien einiges Zutrauen zu gewinnen als ſie ihn hoͤrte. Sie hatte ſchon viel zu mei- nem Vortheil gehoͤrt, ſagte ſie, und ſchon lange gewuͤnſcht mich perſoͤnlich zu kennen. Was konnte ſie mir erfreulicheres ſagen? Auch war unſre Bekanntſchaft mit dieſen we- nigen Worten ſo gut als befeſtigt. Meine Rolle war etwas ſchwierig, ich mußte durch- aus ſie ſchon geſehen, gekannt, geliebt ha- ben, ſonſt waͤre mein Eindringen ganz un- verzeihlich geweſen, auch ſprach ſie ganz ſo, als| ob mir alle ihre Verhaͤltniſſe bekannt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/210
Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/210>, abgerufen am 12.05.2024.