sen. Jch suchte auf jede Weise meine Unab- hängigkeit in meinem Jnnern zu erhalten, je mehr ich meine Handlungen und mein äußeres Leben nach ihrem Willen ordnen mußte. Jn jeder Meinung ging ich geflissentlich von der ihrigen ab, es war mir genug, daß jene etwas fest glaubten, um starke Zweifel in mir dage- gen zu hegen, und grade das entgegengesetzte anzunehmen. Da ich nun meine Freydenkerey forgfältig verbergen mußte, so hielt ich mich heimlich für den Zwang schadlos; jeder Akt von Unabhängigkeit, auch der allerunbedeu- tendste, erfüllte meine Seele mit einem gehei- men Triumph, und daß ich nicht gleich auf der Stelle für meine Unwahrheit von Gott be- straft wurde, befestigte mich in meiner Ueber- zeugung. So lebte ich, in anscheinendem Frieden, innerlich in beständigem Krieg mit meinen Vorgesetzten, dachte auch, sie verach- teten mich eben so, wie ich sie, und suchten mich nur zu überlisten.
Wie ward ich nun überrascht und erschüt- tert, als ich bey einer Krankheit, die ich aus
ſen. Jch ſuchte auf jede Weiſe meine Unab- haͤngigkeit in meinem Jnnern zu erhalten, je mehr ich meine Handlungen und mein aͤußeres Leben nach ihrem Willen ordnen mußte. Jn jeder Meinung ging ich gefliſſentlich von der ihrigen ab, es war mir genug, daß jene etwas feſt glaubten, um ſtarke Zweifel in mir dage- gen zu hegen, und grade das entgegengeſetzte anzunehmen. Da ich nun meine Freydenkerey forgfaͤltig verbergen mußte, ſo hielt ich mich heimlich fuͤr den Zwang ſchadlos; jeder Akt von Unabhaͤngigkeit, auch der allerunbedeu- tendſte, erfuͤllte meine Seele mit einem gehei- men Triumph, und daß ich nicht gleich auf der Stelle fuͤr meine Unwahrheit von Gott be- ſtraft wurde, befeſtigte mich in meiner Ueber- zeugung. So lebte ich, in anſcheinendem Frieden, innerlich in beſtaͤndigem Krieg mit meinen Vorgeſetzten, dachte auch, ſie verach- teten mich eben ſo, wie ich ſie, und ſuchten mich nur zu uͤberliſten.
Wie ward ich nun uͤberraſcht und erſchuͤt- tert, als ich bey einer Krankheit, die ich aus
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ſen. Jch ſuchte auf jede Weiſe meine Unab-
haͤngigkeit in meinem Jnnern zu erhalten, je
mehr ich meine Handlungen und mein aͤußeres
Leben nach ihrem Willen ordnen mußte. Jn
jeder Meinung ging ich gefliſſentlich von der
ihrigen ab, es war mir genug, daß jene etwas
feſt glaubten, um ſtarke Zweifel in mir dage-
gen zu hegen, und grade das entgegengeſetzte
anzunehmen. Da ich nun meine Freydenkerey
forgfaͤltig verbergen mußte, ſo hielt ich mich
heimlich fuͤr den Zwang ſchadlos; jeder Akt
von Unabhaͤngigkeit, auch der allerunbedeu-
tendſte, erfuͤllte meine Seele mit einem gehei-
men Triumph, und daß ich nicht gleich auf
der Stelle fuͤr meine Unwahrheit von Gott be-
ſtraft wurde, befeſtigte mich in meiner Ueber-
zeugung. So lebte ich, in anſcheinendem
Frieden, innerlich in beſtaͤndigem Krieg mit
meinen Vorgeſetzten, dachte auch, ſie verach-
teten mich eben ſo, wie ich ſie, und ſuchten
mich nur zu uͤberliſten.
Wie ward ich nun uͤberraſcht und erſchuͤt-
tert, als ich bey einer Krankheit, die ich aus
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/115>, abgerufen am 25.11.2024.
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