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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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erst älter wäre, gewiß ändern, und ich woll-
te sie frey machen, sobald ich frey wäre.
Darauf wußte sie aber niemals etwas zu sa-
gen, sie sah mich mit großen Augen an,
und es schien als glaubte sie mir nicht, was
mich denn nicht wenig verdroß.

Meine Tage füllten trostlose Studien,
die alle darauf abzweckten, mich zu meinem
künftigen Stande geschickt zu machen; das
kanonische Recht, geistliche Gebräuche, Kir-
chengeschichte, kurz alles was in dieses Fach
gehört: mein armes Gedächtniß ward mit
diesen todten Dingen bis zur Zerstöhrung ge-
martert. Das beste, was ich davon trug,
war die Kenntniß einiger alten, und der
deutschen Sprache; der Pater war ein Deut-
scher von Geburt, und liebte seine Sprache.
Der Prior, der als ein gelehrter Mann be-
kannt war, hatte es über sich genommen,
meine Studien zu dirigiren. Er kam je-
de Woche einmal und untersuchte meine Fort-
schritte, es war daher leicht zu begreifen,
daß der Pater sein Bestes an mir versuchte.

erſt aͤlter waͤre, gewiß aͤndern, und ich woll-
te ſie frey machen, ſobald ich frey waͤre.
Darauf wußte ſie aber niemals etwas zu ſa-
gen, ſie ſah mich mit großen Augen an,
und es ſchien als glaubte ſie mir nicht, was
mich denn nicht wenig verdroß.

Meine Tage fuͤllten troſtloſe Studien,
die alle darauf abzweckten, mich zu meinem
kuͤnftigen Stande geſchickt zu machen; das
kanoniſche Recht, geiſtliche Gebraͤuche, Kir-
chengeſchichte, kurz alles was in dieſes Fach
gehoͤrt: mein armes Gedaͤchtniß ward mit
dieſen todten Dingen bis zur Zerſtoͤhrung ge-
martert. Das beſte, was ich davon trug,
war die Kenntniß einiger alten, und der
deutſchen Sprache; der Pater war ein Deut-
ſcher von Geburt, und liebte ſeine Sprache.
Der Prior, der als ein gelehrter Mann be-
kannt war, hatte es uͤber ſich genommen,
meine Studien zu dirigiren. Er kam je-
de Woche einmal und unterſuchte meine Fort-
ſchritte, es war daher leicht zu begreifen,
daß der Pater ſein Beſtes an mir verſuchte.

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[103/0111] erſt aͤlter waͤre, gewiß aͤndern, und ich woll- te ſie frey machen, ſobald ich frey waͤre. Darauf wußte ſie aber niemals etwas zu ſa- gen, ſie ſah mich mit großen Augen an, und es ſchien als glaubte ſie mir nicht, was mich denn nicht wenig verdroß. Meine Tage fuͤllten troſtloſe Studien, die alle darauf abzweckten, mich zu meinem kuͤnftigen Stande geſchickt zu machen; das kanoniſche Recht, geiſtliche Gebraͤuche, Kir- chengeſchichte, kurz alles was in dieſes Fach gehoͤrt: mein armes Gedaͤchtniß ward mit dieſen todten Dingen bis zur Zerſtoͤhrung ge- martert. Das beſte, was ich davon trug, war die Kenntniß einiger alten, und der deutſchen Sprache; der Pater war ein Deut- ſcher von Geburt, und liebte ſeine Sprache. Der Prior, der als ein gelehrter Mann be- kannt war, hatte es uͤber ſich genommen, meine Studien zu dirigiren. Er kam je- de Woche einmal und unterſuchte meine Fort- ſchritte, es war daher leicht zu begreifen, daß der Pater ſein Beſtes an mir verſuchte.

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/111>, abgerufen am 25.11.2024.