mit nichts Wirklichem beschäftigt, der sich mit Bettlervolk ab- giebt, nichts zuwege bringt; nicht einmal weiß, was er den- ken soll; der für einen Helden in einem Roman nicht einmal gut genug ist; von welcher Sorte man schon tausendmal bes- sere, bei den Fieldings aller Länder, gehabt hat, die doch noch ein Resultat geben! Während unser Weiser die edelste, reinste, ehrlichste Seele in ununterbrochenem Bemühen und Kampfe geschildert hat mit der Welt, wie sie leibt und lebt; ohne je einen Moment in ihre unreine Verwirrung zu gerathen; immer im Bemühen, sich zu tadeln und zu bessern; immer in der Unschuld, die Andern besser zu sehen, als sie sind, und meist sie sich vorzuziehen; immer aufgelegt zu lernen und nachzu- geben, außer dem evident Unedlen: rührenderes, verehrungs- würdigeres Benehmen, vortrefflichere Gesinnung, kann man nicht erfinden; und je mehr man ihn sich deutlich macht, je mehr ehrt und liebt man ihn, und Goethe'n. Don Quixote mußte mit eben solcher Seele eine -- also eine einseitige -- Eigenschaft, die des Ritters, wählen, und mußte sie in Aus- übung bringen wollen. Meister mußte den ganzen Menschen ausbilden wollen; und mir ist's, als ob Goethe dem Cervantes nur die Feder abgenommen hätte, weil die Menschen sich in der Zeit folgen. Was die beiden Meister sonst noch in den Werken gelehrt und gezeigt haben, ist ihre Zeit: und das so rein und wahr, daß sich die künftigen gleich daran anschlie- ßen, für den Geschichtsblick, für wahre Augen überhaupt. --
mit nichts Wirklichem beſchäftigt, der ſich mit Bettlervolk ab- giebt, nichts zuwege bringt; nicht einmal weiß, was er den- ken ſoll; der für einen Helden in einem Roman nicht einmal gut genug iſt; von welcher Sorte man ſchon tauſendmal beſ- ſere, bei den Fieldings aller Länder, gehabt hat, die doch noch ein Reſultat geben! Während unſer Weiſer die edelſte, reinſte, ehrlichſte Seele in ununterbrochenem Bemühen und Kampfe geſchildert hat mit der Welt, wie ſie leibt und lebt; ohne je einen Moment in ihre unreine Verwirrung zu gerathen; immer im Bemühen, ſich zu tadeln und zu beſſern; immer in der Unſchuld, die Andern beſſer zu ſehen, als ſie ſind, und meiſt ſie ſich vorzuziehen; immer aufgelegt zu lernen und nachzu- geben, außer dem evident Unedlen: rührenderes, verehrungs- würdigeres Benehmen, vortrefflichere Geſinnung, kann man nicht erfinden; und je mehr man ihn ſich deutlich macht, je mehr ehrt und liebt man ihn, und Goethe’n. Don Quixote mußte mit eben ſolcher Seele eine — alſo eine einſeitige — Eigenſchaft, die des Ritters, wählen, und mußte ſie in Aus- übung bringen wollen. Meiſter mußte den ganzen Menſchen ausbilden wollen; und mir iſt’s, als ob Goethe dem Cervantes nur die Feder abgenommen hätte, weil die Menſchen ſich in der Zeit folgen. Was die beiden Meiſter ſonſt noch in den Werken gelehrt und gezeigt haben, iſt ihre Zeit: und das ſo rein und wahr, daß ſich die künftigen gleich daran anſchlie- ßen, für den Geſchichtsblick, für wahre Augen überhaupt. —
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mit nichts Wirklichem beſchäftigt, der ſich mit Bettlervolk ab-
giebt, nichts zuwege bringt; nicht einmal weiß, was er den-
ken ſoll; der für einen Helden in einem Roman nicht einmal
gut genug iſt; von welcher Sorte man ſchon tauſendmal beſ-
ſere, bei den Fieldings aller Länder, gehabt hat, die doch noch
ein Reſultat geben! Während unſer Weiſer die edelſte, reinſte,
ehrlichſte Seele in ununterbrochenem Bemühen und Kampfe
geſchildert hat mit der Welt, wie ſie leibt und lebt; ohne je
einen Moment in ihre unreine Verwirrung zu gerathen; immer
im Bemühen, ſich zu tadeln und zu beſſern; immer in der
Unſchuld, die Andern beſſer zu ſehen, als ſie ſind, und meiſt
ſie ſich vorzuziehen; immer aufgelegt zu lernen und nachzu-
geben, außer dem evident Unedlen: rührenderes, verehrungs-
würdigeres Benehmen, vortrefflichere Geſinnung, kann man
nicht erfinden; und je mehr man ihn ſich deutlich macht, je
mehr ehrt und liebt man ihn, und Goethe’n. Don Quixote
mußte mit eben ſolcher Seele eine — alſo eine einſeitige —
Eigenſchaft, die des Ritters, wählen, und mußte ſie in Aus-
übung bringen wollen. Meiſter mußte den ganzen Menſchen
ausbilden wollen; und mir iſt’s, als ob Goethe dem Cervantes
nur die Feder abgenommen hätte, weil die Menſchen ſich in
der Zeit folgen. Was die beiden Meiſter ſonſt noch in den
Werken gelehrt und gezeigt haben, iſt ihre Zeit: und das ſo
rein und wahr, daß ſich die künftigen gleich daran anſchlie-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/68>, abgerufen am 22.11.2024.
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