Generosität, theils aus schlechter Ambition haben. Lassen Sie sich im Badischen nicht von der Wohlfeilheit verleiten zu traktiren, und die Sitte Berlins dorthin zu verpflanzen; ich weiß, es ist schön so aufzutreten; aber man muß es sich verbeißen; um nicht in Sorgen zu verfallen, -- die wir nicht ertragen können, Roberts, -- um ein Restchen zu großen Üblen zu haben. Ich darf mit dieser Lehre auftreten: ich habe sie geübt: ich lebe hinter meinen Bekannten gleichen Vermögens: und recht gern! bin aber jetzt so glückselig beistehen zu kön- nen, wie die meines Vermögens, mit Weinkellern, Dine's, Vasen, Bronze, und Blonden, Livreen etc. nicht können, und nicht thun; und bin für uns selbst auch in keiner pekuniä- ren Sorge. Plötzlich kann freilich jeder Vermögensverlust ein- treten: dann aber ist's ein großer Schlag; der Hülfe oder Tod mit sich führt: oder langsames Erholen in gutem Beneh- men und richtiger Gesinnung. Vielleicht mache ich mich sehr verhaßt durch diese Worte; ich habe sie lange überlegt und erwogen: und sie doch hierher gesetzt: jetzt oder nie, muß Wahr- heit hervor; die immer vor sollte, wären wir Alle, und ich an der spitzesten Spitze, nicht strafbare Verzagte, Poltrons. Erst wollte ich das über Ökonomie in einem nur Ihnen zu- kommenden Brief allein schreiben: aber dadurch hätte es ein ernsteres Ansehn erhalten: Sie hätten nicht gewußt, zeigen Sie ihn, zeigen Sie ihn nicht: hätten sich agitirt, hätten viel- leicht Krämpfe bekommen, und Robert hätte mein Meinen erst dadurch erfahren. So werdet ihr meine Herzensmeinung wohl glimpf, und wohlgesehn aufnehmen, wie Gott mir durch hohe Übel die Erkenntniß, wie für mich, so für euch giebt.
Generoſität, theils aus ſchlechter Ambition haben. Laſſen Sie ſich im Badiſchen nicht von der Wohlfeilheit verleiten zu traktiren, und die Sitte Berlins dorthin zu verpflanzen; ich weiß, es iſt ſchön ſo aufzutreten; aber man muß es ſich verbeißen; um nicht in Sorgen zu verfallen, — die wir nicht ertragen können, Roberts, — um ein Reſtchen zu großen Üblen zu haben. Ich darf mit dieſer Lehre auftreten: ich habe ſie geübt: ich lebe hinter meinen Bekannten gleichen Vermögens: und recht gern! bin aber jetzt ſo glückſelig beiſtehen zu kön- nen, wie die meines Vermögens, mit Weinkellern, Diné’s, Vaſen, Bronze, und Blonden, Livreen ꝛc. nicht können, und nicht thun; und bin für uns ſelbſt auch in keiner pekuniä- ren Sorge. Plötzlich kann freilich jeder Vermögensverluſt ein- treten: dann aber iſt’s ein großer Schlag; der Hülfe oder Tod mit ſich führt: oder langſames Erholen in gutem Beneh- men und richtiger Geſinnung. Vielleicht mache ich mich ſehr verhaßt durch dieſe Worte; ich habe ſie lange überlegt und erwogen: und ſie doch hierher geſetzt: jetzt oder nie, muß Wahr- heit hervor; die immer vor ſollte, wären wir Alle, und ich an der ſpitzeſten Spitze, nicht ſtrafbare Verzagte, Poltrons. Erſt wollte ich das über Ökonomie in einem nur Ihnen zu- kommenden Brief allein ſchreiben: aber dadurch hätte es ein ernſteres Anſehn erhalten: Sie hätten nicht gewußt, zeigen Sie ihn, zeigen Sie ihn nicht: hätten ſich agitirt, hätten viel- leicht Krämpfe bekommen, und Robert hätte mein Meinen erſt dadurch erfahren. So werdet ihr meine Herzensmeinung wohl glimpf, und wohlgeſehn aufnehmen, wie Gott mir durch hohe Übel die Erkenntniß, wie für mich, ſo für euch giebt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0527"n="519"/>
Generoſität, theils aus ſchlechter Ambition haben. Laſſen Sie<lb/>ſich im Badiſchen nicht von der <hirendition="#g">Wohlfeilheit verleiten</hi><lb/>
zu traktiren, und die Sitte Berlins dorthin zu verpflanzen;<lb/><hirendition="#g">ich weiß</hi>, es iſt ſchön ſo aufzutreten; aber man muß es ſich<lb/>
verbeißen; um nicht in Sorgen zu verfallen, — die wir nicht<lb/>
ertragen können, Roberts, — um ein Reſtchen zu großen Üblen<lb/>
zu haben. Ich <hirendition="#g">darf</hi> mit dieſer Lehre auftreten: ich habe ſie<lb/>
geübt: ich lebe hinter meinen Bekannten gleichen Vermögens:<lb/>
und <hirendition="#g">recht gern</hi>! bin aber jetzt ſo glückſelig beiſtehen zu kön-<lb/>
nen, wie <hirendition="#g">die</hi> meines Vermögens, mit Weinkellern, Din<hirendition="#aq">é</hi>’s,<lb/>
Vaſen, Bronze, und Blonden, Livreen ꝛc. <hirendition="#g">nicht</hi> können, und<lb/>
nicht thun; und bin für <hirendition="#g">uns ſelbſt</hi> auch in keiner pekuniä-<lb/>
ren Sorge. Plötzlich kann freilich jeder Vermögensverluſt ein-<lb/>
treten: dann aber iſt’s ein großer Schlag; der Hülfe oder<lb/>
Tod mit ſich führt: oder langſames Erholen in gutem Beneh-<lb/>
men und richtiger Geſinnung. Vielleicht mache ich mich ſehr<lb/>
verhaßt durch dieſe Worte; ich habe ſie lange überlegt und<lb/>
erwogen: und ſie doch hierher geſetzt: jetzt oder nie, muß Wahr-<lb/>
heit hervor; die immer vor ſollte, wären wir Alle, und ich<lb/>
an der ſpitzeſten Spitze, nicht ſtrafbare Verzagte, Poltrons.<lb/>
Erſt wollte ich das über Ökonomie in einem nur Ihnen zu-<lb/>
kommenden Brief allein ſchreiben: aber dadurch hätte es ein<lb/>
ernſteres Anſehn erhalten: Sie hätten nicht gewußt, zeigen<lb/>
Sie ihn, zeigen Sie ihn nicht: hätten ſich agitirt, hätten viel-<lb/>
leicht Krämpfe bekommen, und Robert hätte mein Meinen erſt<lb/>
dadurch erfahren. So werdet ihr meine <hirendition="#g">Herzensmeinung</hi><lb/>
wohl glimpf, und wohlgeſehn aufnehmen, wie Gott mir durch<lb/><hirendition="#g">hohe Übel</hi> die Erkenntniß, wie für mich, ſo für euch giebt.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[519/0527]
Generoſität, theils aus ſchlechter Ambition haben. Laſſen Sie
ſich im Badiſchen nicht von der Wohlfeilheit verleiten
zu traktiren, und die Sitte Berlins dorthin zu verpflanzen;
ich weiß, es iſt ſchön ſo aufzutreten; aber man muß es ſich
verbeißen; um nicht in Sorgen zu verfallen, — die wir nicht
ertragen können, Roberts, — um ein Reſtchen zu großen Üblen
zu haben. Ich darf mit dieſer Lehre auftreten: ich habe ſie
geübt: ich lebe hinter meinen Bekannten gleichen Vermögens:
und recht gern! bin aber jetzt ſo glückſelig beiſtehen zu kön-
nen, wie die meines Vermögens, mit Weinkellern, Diné’s,
Vaſen, Bronze, und Blonden, Livreen ꝛc. nicht können, und
nicht thun; und bin für uns ſelbſt auch in keiner pekuniä-
ren Sorge. Plötzlich kann freilich jeder Vermögensverluſt ein-
treten: dann aber iſt’s ein großer Schlag; der Hülfe oder
Tod mit ſich führt: oder langſames Erholen in gutem Beneh-
men und richtiger Geſinnung. Vielleicht mache ich mich ſehr
verhaßt durch dieſe Worte; ich habe ſie lange überlegt und
erwogen: und ſie doch hierher geſetzt: jetzt oder nie, muß Wahr-
heit hervor; die immer vor ſollte, wären wir Alle, und ich
an der ſpitzeſten Spitze, nicht ſtrafbare Verzagte, Poltrons.
Erſt wollte ich das über Ökonomie in einem nur Ihnen zu-
kommenden Brief allein ſchreiben: aber dadurch hätte es ein
ernſteres Anſehn erhalten: Sie hätten nicht gewußt, zeigen
Sie ihn, zeigen Sie ihn nicht: hätten ſich agitirt, hätten viel-
leicht Krämpfe bekommen, und Robert hätte mein Meinen erſt
dadurch erfahren. So werdet ihr meine Herzensmeinung
wohl glimpf, und wohlgeſehn aufnehmen, wie Gott mir durch
hohe Übel die Erkenntniß, wie für mich, ſo für euch giebt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/527>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.