Hälfte habe ich hier schon für Miethswagen ausgegeben; und Gott muß man noch, sich freuend, danken, daß man das kann. Er hat uns durch den dunklen Mutterleib geholfen, auch durch dies Dunkel werden wir kommen: todt oder leben- dig. Sterben muß man ja doch. Leiden gebären sich auf der Erde immer von neuem. Gott gebe uns gute Gedanken!!! Meist habe ich sie. Heute schrieb ich Ernestinen, ob sie keine Nachricht von dir habe: und ob Louis im Krieg war; da kam Ferdinand Abschied zu nehmen, weil er morgen Abend zu dir reiset. Nimm diese Zeilen als tausend freundliche an! Viel Zeit habe ich nicht: Decken, Medizinen, Speisevorräthe, alles besorge ich; Holz, Kohlen etc. Ich bin Mann und Frau in meinem Hause. Männer sind Prinze: wir die Haushofmei- ster, Kammerdiener, Tresoriers, und Mägde. Auch, a la bonne heure! je mehreres man sich annimmt, je weniger thun die Andern; so auch die Domestiken: habe man sie auch: man muß für sie sorgen, und statt ihrer selbst. Ich weiß, daß du in demselben Fall bist. Aber deine liebenswürdige Schwieger- tochter wird dich unterstützen. Ich wünsche dir Glück deßhalb aus ganzem Herzen: sie ist eine Grazie, eine Grazie mit den we- sentlichsten Eigenschaften. Ich bin verliebt in sie: und ich gönne dir dies Glück! Wenn Ferdinand schreibt, schreibe mir auf ein dünnes Zettelchen ein Wort. Theure Rose! Zu sechszig geht's mir noch wie immer: was ich mir eigentlich wünsche, auch in Tagessachen, und häuslichem Besitz, habe ich nicht: immer Andre befriedigt -- nicht aus Güte: ihre infame Gesichter nicht zu sehn! -- Aber ich hoffe auch nicht
Hälfte habe ich hier ſchon für Miethswagen ausgegeben; und Gott muß man noch, ſich freuend, danken, daß man das kann. Er hat uns durch den dunklen Mutterleib geholfen, auch durch dies Dunkel werden wir kommen: todt oder leben- dig. Sterben muß man ja doch. Leiden gebären ſich auf der Erde immer von neuem. Gott gebe uns gute Gedanken!!! Meiſt habe ich ſie. Heute ſchrieb ich Erneſtinen, ob ſie keine Nachricht von dir habe: und ob Louis im Krieg war; da kam Ferdinand Abſchied zu nehmen, weil er morgen Abend zu dir reiſet. Nimm dieſe Zeilen als tauſend freundliche an! Viel Zeit habe ich nicht: Decken, Medizinen, Speiſevorräthe, alles beſorge ich; Holz, Kohlen ꝛc. Ich bin Mann und Frau in meinem Hauſe. Männer ſind Prinze: wir die Haushofmei- ſter, Kammerdiener, Treſoriers, und Mägde. Auch, à la bonne heure! je mehreres man ſich annimmt, je weniger thun die Andern; ſo auch die Domeſtiken: habe man ſie auch: man muß für ſie ſorgen, und ſtatt ihrer ſelbſt. Ich weiß, daß du in demſelben Fall biſt. Aber deine liebenswürdige Schwieger- tochter wird dich unterſtützen. Ich wünſche dir Glück deßhalb aus ganzem Herzen: ſie iſt eine Grazie, eine Grazie mit den we- ſentlichſten Eigenſchaften. Ich bin verliebt in ſie: und ich gönne dir dies Glück! Wenn Ferdinand ſchreibt, ſchreibe mir auf ein dünnes Zettelchen ein Wort. Theure Roſe! Zu ſechszig geht’s mir noch wie immer: was ich mir eigentlich wünſche, auch in Tagesſachen, und häuslichem Beſitz, habe ich nicht: immer Andre befriedigt — nicht aus Güte: ihre infame Geſichter nicht zu ſehn! — Aber ich hoffe auch nicht
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0525"n="517"/>
Hälfte habe ich hier ſchon für Miethswagen ausgegeben; und<lb/>
Gott muß man noch, ſich freuend, danken, daß man das<lb/>
kann. Er hat uns durch den dunklen Mutterleib geholfen,<lb/>
auch durch dies Dunkel werden wir kommen: todt oder leben-<lb/>
dig. Sterben muß man ja doch. Leiden gebären ſich auf der<lb/>
Erde immer von neuem. Gott gebe uns gute Gedanken!!!<lb/>
Meiſt habe ich ſie. Heute ſchrieb ich Erneſtinen, ob ſie keine<lb/>
Nachricht von dir habe: und ob Louis im Krieg war; da kam<lb/>
Ferdinand Abſchied zu nehmen, weil er morgen Abend zu dir<lb/>
reiſet. Nimm dieſe Zeilen als tauſend freundliche an! Viel<lb/>
Zeit habe ich nicht: Decken, Medizinen, Speiſevorräthe, alles<lb/>
beſorge ich; Holz, Kohlen ꝛc. Ich bin Mann <hirendition="#g">und</hi> Frau in<lb/>
meinem Hauſe. Männer ſind Prinze: wir die Haushofmei-<lb/>ſter, Kammerdiener, Treſoriers, und Mägde. <hirendition="#g">Auch</hi>, <hirendition="#aq">à la bonne<lb/>
heure!</hi> je mehreres man ſich annimmt, je weniger thun die<lb/>
Andern; ſo auch die Domeſtiken: habe man ſie auch: man<lb/>
muß für ſie ſorgen, und ſtatt ihrer ſelbſt. Ich weiß, daß du<lb/>
in demſelben Fall biſt. Aber deine liebenswürdige Schwieger-<lb/>
tochter wird dich unterſtützen. Ich wünſche dir Glück deßhalb aus<lb/>
ganzem Herzen: ſie iſt eine Grazie, eine Grazie mit den we-<lb/>ſentlichſten Eigenſchaften. Ich bin verliebt in ſie: und ich<lb/>
gönne dir dies Glück! Wenn Ferdinand ſchreibt, ſchreibe mir<lb/>
auf ein <hirendition="#g">dünnes</hi> Zettelchen ein Wort. Theure Roſe! Zu<lb/>ſechszig geht’s mir noch wie immer: was ich mir eigentlich<lb/>
wünſche, auch in Tagesſachen, und häuslichem Beſitz, habe<lb/>
ich <hirendition="#g">nicht</hi>: immer Andre befriedigt — nicht <hirendition="#g">aus Güte</hi>: ihre<lb/>
infame Geſichter nicht zu ſehn! — Aber ich hoffe auch nicht<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[517/0525]
Hälfte habe ich hier ſchon für Miethswagen ausgegeben; und
Gott muß man noch, ſich freuend, danken, daß man das
kann. Er hat uns durch den dunklen Mutterleib geholfen,
auch durch dies Dunkel werden wir kommen: todt oder leben-
dig. Sterben muß man ja doch. Leiden gebären ſich auf der
Erde immer von neuem. Gott gebe uns gute Gedanken!!!
Meiſt habe ich ſie. Heute ſchrieb ich Erneſtinen, ob ſie keine
Nachricht von dir habe: und ob Louis im Krieg war; da kam
Ferdinand Abſchied zu nehmen, weil er morgen Abend zu dir
reiſet. Nimm dieſe Zeilen als tauſend freundliche an! Viel
Zeit habe ich nicht: Decken, Medizinen, Speiſevorräthe, alles
beſorge ich; Holz, Kohlen ꝛc. Ich bin Mann und Frau in
meinem Hauſe. Männer ſind Prinze: wir die Haushofmei-
ſter, Kammerdiener, Treſoriers, und Mägde. Auch, à la bonne
heure! je mehreres man ſich annimmt, je weniger thun die
Andern; ſo auch die Domeſtiken: habe man ſie auch: man
muß für ſie ſorgen, und ſtatt ihrer ſelbſt. Ich weiß, daß du
in demſelben Fall biſt. Aber deine liebenswürdige Schwieger-
tochter wird dich unterſtützen. Ich wünſche dir Glück deßhalb aus
ganzem Herzen: ſie iſt eine Grazie, eine Grazie mit den we-
ſentlichſten Eigenſchaften. Ich bin verliebt in ſie: und ich
gönne dir dies Glück! Wenn Ferdinand ſchreibt, ſchreibe mir
auf ein dünnes Zettelchen ein Wort. Theure Roſe! Zu
ſechszig geht’s mir noch wie immer: was ich mir eigentlich
wünſche, auch in Tagesſachen, und häuslichem Beſitz, habe
ich nicht: immer Andre befriedigt — nicht aus Güte: ihre
infame Geſichter nicht zu ſehn! — Aber ich hoffe auch nicht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/525>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.