diese Epithetons unter ihnen gebührend aus! Schön und gut schreiben, ist ganz etwas anders. Das hängt vom Inhalt; vom Bewiesenen oder Ausgesprochenen ab. Von der Seele; was sie will, und hat; vom Geist, und Verstand; was der findet, und jener kann. Vom Urtheil, und seiner Macht, dies alles zu einem Ganzen zu machen. Das ist Ihr Schrei- ben; welches ich wohl kenne; und oft nenne. Gentz, sagte ich vor langer Zeit, und wiederhole es genug, bedarf keines Bildes -- welches wir Alle -- Jean Paul, und ich an der Spitze -- aus Mangel an Sprache gebrauchen; er arbeitet mit klarstem Verstand -- Einsicht in seinen Vorwurf -- mit größter Sprachmacht: denn, der Stoff, in dem er schreibt, ist nur Grammatik, und Wörterbuch. Nun verdammen Sie mich; aber belehrend; und ich danke passionnement. Adieu! Jetzt fahr' ich aus. Es war später als 10. jetzt ist es 12. --
Heute ist Donnerstag. Wie Sie daraus sehen werden, hab' ich Ihnen gestern nicht geschrieben; ich dachte Vor-, ich dachte Nachmittag, Fanny sollte kommen. Nichts! -- Mor- gen werde ich sie tanzen sehn. Dieser Brief aber wird wohl vorher fertig sein. Graf Mocenigo sagte mir gestern, bis 4 hätte er nur Zeit. Jetzt will ich Ihren Brief nachsehn, und Ihnen noch ein wenig antworten; und dann wahrscheinlich morgen oder übermorgen einen neuen Brief anfangen. Sie haben sie jetzt gerne; und Graf Mocenigo macht sich ein wahres Fest daraus, einen Brief für Sie zu erhalten; wie er denn die Freundlichkeit und Artigkeit selbst ist; und wahrlich, de l'ancien regime, welche Lebensart man so sehr, und immer mehr zu vermissen hat. Es ist ein boutonnement eingekehrt,
dieſe Epithetons unter ihnen gebührend aus! Schön und gut ſchreiben, iſt ganz etwas anders. Das hängt vom Inhalt; vom Bewieſenen oder Ausgeſprochenen ab. Von der Seele; was ſie will, und hat; vom Geiſt, und Verſtand; was der findet, und jener kann. Vom Urtheil, und ſeiner Macht, dies alles zu einem Ganzen zu machen. Das iſt Ihr Schrei- ben; welches ich wohl kenne; und oft nenne. Gentz, ſagte ich vor langer Zeit, und wiederhole es genug, bedarf keines Bildes — welches wir Alle — Jean Paul, und ich an der Spitze — aus Mangel an Sprache gebrauchen; er arbeitet mit klarſtem Verſtand — Einſicht in ſeinen Vorwurf — mit größter Sprachmacht: denn, der Stoff, in dem er ſchreibt, iſt nur Grammatik, und Wörterbuch. Nun verdammen Sie mich; aber belehrend; und ich danke passionnément. Adieu! Jetzt fahr’ ich aus. Es war ſpäter als 10. jetzt iſt es 12. —
Heute iſt Donnerstag. Wie Sie daraus ſehen werden, hab’ ich Ihnen geſtern nicht geſchrieben; ich dachte Vor-, ich dachte Nachmittag, Fanny ſollte kommen. Nichts! — Mor- gen werde ich ſie tanzen ſehn. Dieſer Brief aber wird wohl vorher fertig ſein. Graf Mocenigo ſagte mir geſtern, bis 4 hätte er nur Zeit. Jetzt will ich Ihren Brief nachſehn, und Ihnen noch ein wenig antworten; und dann wahrſcheinlich morgen oder übermorgen einen neuen Brief anfangen. Sie haben ſie jetzt gerne; und Graf Mocenigo macht ſich ein wahres Feſt daraus, einen Brief für Sie zu erhalten; wie er denn die Freundlichkeit und Artigkeit ſelbſt iſt; und wahrlich, de l’ancien régime, welche Lebensart man ſo ſehr, und immer mehr zu vermiſſen hat. Es iſt ein boutonnement eingekehrt,
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dieſe Epithetons unter ihnen gebührend aus! Schön und gut
ſchreiben, iſt ganz etwas anders. Das hängt vom Inhalt;
vom Bewieſenen oder Ausgeſprochenen ab. Von der Seele;
was ſie will, und hat; vom Geiſt, und Verſtand; was der
findet, und jener kann. Vom Urtheil, und ſeiner Macht,
dies alles zu einem Ganzen zu machen. Das iſt Ihr Schrei-
ben; welches ich wohl kenne; und oft nenne. Gentz, ſagte
ich vor langer Zeit, und wiederhole es genug, bedarf keines
Bildes — welches wir Alle — Jean Paul, und ich an der
Spitze — aus Mangel an Sprache gebrauchen; er arbeitet
mit klarſtem Verſtand — Einſicht in ſeinen Vorwurf — mit
größter Sprachmacht: denn, der Stoff, in dem er ſchreibt,
iſt nur Grammatik, und Wörterbuch. Nun verdammen Sie
mich; aber belehrend; und ich danke passionnément. Adieu!
Jetzt fahr’ ich aus. Es war ſpäter als 10. jetzt iſt es 12. —
Heute iſt Donnerstag. Wie Sie daraus ſehen werden,
hab’ ich Ihnen geſtern nicht geſchrieben; ich dachte Vor-, ich
dachte Nachmittag, Fanny ſollte kommen. Nichts! — Mor-
gen werde ich ſie tanzen ſehn. Dieſer Brief aber wird wohl
vorher fertig ſein. Graf Mocenigo ſagte mir geſtern, bis 4
hätte er nur Zeit. Jetzt will ich Ihren Brief nachſehn, und
Ihnen noch ein wenig antworten; und dann wahrſcheinlich
morgen oder übermorgen einen neuen Brief anfangen. Sie
haben ſie jetzt gerne; und Graf Mocenigo macht ſich ein
wahres Feſt daraus, einen Brief für Sie zu erhalten; wie er
denn die Freundlichkeit und Artigkeit ſelbſt iſt; und wahrlich,
de l’ancien régime, welche Lebensart man ſo ſehr, und immer
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/466>, abgerufen am 26.11.2024.
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