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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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merkwürdigen Stadt Deutschlands; ich bin hier in ei-
ner Art falschen Stellung, und jemehr ich mit einem Freunde
zu leben wünschte, desto weniger möchte ich es hier an meiner
Seite. Ich bin hier geboren, ich habe Freunde, eine abstrakte
Konsideration u. s. w. u. s. w. aber nicht das, was ich grade
bedarf, und was ich nur Ihnen benennen könnte; weil Sie
es alsbald wissen würden, ohne daß ich ein Wort sagte!)
aber auch in Berlin würde ich Sie äußerst gern sehen, nach-
dem ich Ihnen gesagt hätte, was mir hier für mich mißfällt:
und ich lebe viel zu Hause; und viel allein: im Grunde,
soviel ich will. Aber in Baden, da möcht' ich Sie gerne se-
hen, vor den drei Jahren! Sorgen Sie wenigstens, daß ich
immer weiß, wo Sie sind. Zwingen Sie sich, mir es zu
schreiben. Sie sind mein einziger Freund: von allen, die ich
lieben könnte: der einzige, der mich wiederliebt: der mich er-
kennt; und der weiß, wer vor ihm steht. Die Apostaten!
machen mich nicht mehr unglücklich; -- "on ne peut pas par-
venir a me rendre malheureux?!"
ich umarme Sie aufs neue! --
aber ein Wunder kann mich noch das Glück empfinden lassen.
Wissen Sie was unter uns Beiden so schön ist? daß wir gar
kein Verhältniß zu einander haben: keine Forderung einer an
den andern; daß ich alt bin; und Sie jung; Sie doch ein
Mann; und ich eine Frau; Sie ein Franzose; ich eine Deutsche.
Unsre Trennung, in Einer Art -- die gewesene -- alles ist
gut. Alles ein Bürge, daß wir es selbst sind, die sich einan-
der konveniren: nicht unser Alter, unser Geschlecht, unser
Land. -- Ich hatte viel hin und her gedacht, für Ihr Buch
einen Übersetzer zu schaffen; und Varnhagen auch; als er vor-

merkwürdigen Stadt Deutſchlands; ich bin hier in ei-
ner Art falſchen Stellung, und jemehr ich mit einem Freunde
zu leben wünſchte, deſto weniger möchte ich es hier an meiner
Seite. Ich bin hier geboren, ich habe Freunde, eine abſtrakte
Konſideration u. ſ. w. u. ſ. w. aber nicht das, was ich grade
bedarf, und was ich nur Ihnen benennen könnte; weil Sie
es alsbald wiſſen würden, ohne daß ich ein Wort ſagte!)
aber auch in Berlin würde ich Sie äußerſt gern ſehen, nach-
dem ich Ihnen geſagt hätte, was mir hier für mich mißfällt:
und ich lebe viel zu Hauſe; und viel allein: im Grunde,
ſoviel ich will. Aber in Baden, da möcht’ ich Sie gerne ſe-
hen, vor den drei Jahren! Sorgen Sie wenigſtens, daß ich
immer weiß, wo Sie ſind. Zwingen Sie ſich, mir es zu
ſchreiben. Sie ſind mein einziger Freund: von allen, die ich
lieben könnte: der einzige, der mich wiederliebt: der mich er-
kennt; und der weiß, wer vor ihm ſteht. Die Apoſtaten!
machen mich nicht mehr unglücklich; — „on ne peut pas par-
venir à me rendre malheureux?!“
ich umarme Sie aufs neue! —
aber ein Wunder kann mich noch das Glück empfinden laſſen.
Wiſſen Sie was unter uns Beiden ſo ſchön iſt? daß wir gar
kein Verhältniß zu einander haben: keine Forderung einer an
den andern; daß ich alt bin; und Sie jung; Sie doch ein
Mann; und ich eine Frau; Sie ein Franzoſe; ich eine Deutſche.
Unſre Trennung, in Einer Art — die geweſene — alles iſt
gut. Alles ein Bürge, daß wir es ſelbſt ſind, die ſich einan-
der konveniren: nicht unſer Alter, unſer Geſchlecht, unſer
Land. — Ich hatte viel hin und her gedacht, für Ihr Buch
einen Überſetzer zu ſchaffen; und Varnhagen auch; als er vor-

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[412/0420] merkwürdigen Stadt Deutſchlands; ich bin hier in ei- ner Art falſchen Stellung, und jemehr ich mit einem Freunde zu leben wünſchte, deſto weniger möchte ich es hier an meiner Seite. Ich bin hier geboren, ich habe Freunde, eine abſtrakte Konſideration u. ſ. w. u. ſ. w. aber nicht das, was ich grade bedarf, und was ich nur Ihnen benennen könnte; weil Sie es alsbald wiſſen würden, ohne daß ich ein Wort ſagte!) aber auch in Berlin würde ich Sie äußerſt gern ſehen, nach- dem ich Ihnen geſagt hätte, was mir hier für mich mißfällt: und ich lebe viel zu Hauſe; und viel allein: im Grunde, ſoviel ich will. Aber in Baden, da möcht’ ich Sie gerne ſe- hen, vor den drei Jahren! Sorgen Sie wenigſtens, daß ich immer weiß, wo Sie ſind. Zwingen Sie ſich, mir es zu ſchreiben. Sie ſind mein einziger Freund: von allen, die ich lieben könnte: der einzige, der mich wiederliebt: der mich er- kennt; und der weiß, wer vor ihm ſteht. Die Apoſtaten! machen mich nicht mehr unglücklich; — „on ne peut pas par- venir à me rendre malheureux?!“ ich umarme Sie aufs neue! — aber ein Wunder kann mich noch das Glück empfinden laſſen. Wiſſen Sie was unter uns Beiden ſo ſchön iſt? daß wir gar kein Verhältniß zu einander haben: keine Forderung einer an den andern; daß ich alt bin; und Sie jung; Sie doch ein Mann; und ich eine Frau; Sie ein Franzoſe; ich eine Deutſche. Unſre Trennung, in Einer Art — die geweſene — alles iſt gut. Alles ein Bürge, daß wir es ſelbſt ſind, die ſich einan- der konveniren: nicht unſer Alter, unſer Geſchlecht, unſer Land. — Ich hatte viel hin und her gedacht, für Ihr Buch einen Überſetzer zu ſchaffen; und Varnhagen auch; als er vor-

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/420>, abgerufen am 22.12.2024.