Freundlichkeit im Glanz der Ihrigen gegen Sie in schönen Springbrunnenbögen steigen, und herabfallen lassen können; den innern Born unberührt; den Wahrheitsquell, wo alles her kommt, und alles hin muß; in dem sich alles spiegelt, grad wie es ist; nicht wie es scheinen, und sein möchte. Aber Sie selbst diesmal neigen sich zur Tiefe; und beinah grob er- schiene es mir, sie zu umgehn, sie zu bedecken; unfreundlich, nicht menschenliebig; ganz außer meiner Art. Sie sagen sich "beschäftigt; das Herz fast noch voller, als die Hände." Und, "weder heiter noch froh?" Sie sind ja nun bei Ihrer Mut- ter, die Sie mit so viel Thränen vermißten; so laut bei dem kleinsten Unfall anriefen? beziehen, in größter Freiheit, und Studirruhe, das selbstgewählte, und eingerichtete, und wirklich schöne Haus! Warum "fürchten Sie eine trübe Zukunft?" Das können wir Alle: ohne bestimmte Aussicht dazu. Hierauf antworte ich eigentlich. Es muß etwas anderes sein, was Sie drückt, und beunruhigt. Sie wünschten sich das Haus, das zu führende Leben darin, nicht. Willigten nur ein, daß man dies von Ihnen glaubte: aus Güte, altem Schweigen, al- tem Vorgeben. Schlimm. Aber sagen Sie wenigstens, dies sich selbst; und es wird Ihnen schon besser werden. Sie be- schreiben mir selbst die Lage Ihres Hauses, als so schön -- auch kenne ich sie so -- genießen Sie die! Studiren, den- ken, leben, lesen Sie da! Es giebt nicht viel Besseres. Und, vermissen, unser Schicksal betrachten, und einsehn, ist ein Ge- nuß; Gemüthsnahrung möcht' ich's nennen. Es giebt nicht viel mehr! oder -- eine große Exaltation -- deckt uns Ab- gründe auf, und Widerspruch, Widerstand; wie alles, wozu
Freundlichkeit im Glanz der Ihrigen gegen Sie in ſchönen Springbrunnenbögen ſteigen, und herabfallen laſſen können; den innern Born unberührt; den Wahrheitsquell, wo alles her kommt, und alles hin muß; in dem ſich alles ſpiegelt, grad wie es iſt; nicht wie es ſcheinen, und ſein möchte. Aber Sie ſelbſt diesmal neigen ſich zur Tiefe; und beinah grob er- ſchiene es mir, ſie zu umgehn, ſie zu bedecken; unfreundlich, nicht menſchenliebig; ganz außer meiner Art. Sie ſagen ſich „beſchäftigt; das Herz faſt noch voller, als die Hände.“ Und, „weder heiter noch froh?“ Sie ſind ja nun bei Ihrer Mut- ter, die Sie mit ſo viel Thränen vermißten; ſo laut bei dem kleinſten Unfall anriefen? beziehen, in größter Freiheit, und Studirruhe, das ſelbſtgewählte, und eingerichtete, und wirklich ſchöne Haus! Warum „fürchten Sie eine trübe Zukunft?“ Das können wir Alle: ohne beſtimmte Ausſicht dazu. Hierauf antworte ich eigentlich. Es muß etwas anderes ſein, was Sie drückt, und beunruhigt. Sie wünſchten ſich das Haus, das zu führende Leben darin, nicht. Willigten nur ein, daß man dies von Ihnen glaubte: aus Güte, altem Schweigen, al- tem Vorgeben. Schlimm. Aber ſagen Sie wenigſtens, dies ſich ſelbſt; und es wird Ihnen ſchon beſſer werden. Sie be- ſchreiben mir ſelbſt die Lage Ihres Hauſes, als ſo ſchön — auch kenne ich ſie ſo — genießen Sie die! Studiren, den- ken, leben, leſen Sie da! Es giebt nicht viel Beſſeres. Und, vermiſſen, unſer Schickſal betrachten, und einſehn, iſt ein Ge- nuß; Gemüthsnahrung möcht’ ich’s nennen. Es giebt nicht viel mehr! oder — eine große Exaltation — deckt uns Ab- gründe auf, und Widerſpruch, Widerſtand; wie alles, wozu
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Freundlichkeit im Glanz der Ihrigen gegen Sie in ſchönen
Springbrunnenbögen ſteigen, und herabfallen laſſen können;
den innern Born unberührt; den Wahrheitsquell, wo alles
her kommt, und alles hin muß; in dem ſich alles ſpiegelt,
grad wie es iſt; nicht wie es ſcheinen, und ſein möchte. Aber
Sie ſelbſt diesmal neigen ſich zur Tiefe; und beinah grob er-
ſchiene es mir, ſie zu umgehn, ſie zu bedecken; unfreundlich,
nicht menſchenliebig; ganz außer meiner Art. Sie ſagen ſich
„beſchäftigt; das Herz faſt noch voller, als die Hände.“ Und,
„weder heiter noch froh?“ Sie ſind ja nun bei Ihrer Mut-
ter, die Sie mit ſo viel Thränen vermißten; ſo laut bei dem
kleinſten Unfall anriefen? beziehen, in größter Freiheit, und
Studirruhe, das ſelbſtgewählte, und eingerichtete, und wirklich
ſchöne Haus! Warum „fürchten Sie eine trübe Zukunft?“
Das können wir Alle: ohne beſtimmte Ausſicht dazu. Hierauf
antworte ich eigentlich. Es muß etwas anderes ſein, was Sie
drückt, und beunruhigt. Sie wünſchten ſich das Haus, das
zu führende Leben darin, nicht. Willigten nur ein, daß man
dies von Ihnen glaubte: aus Güte, altem Schweigen, al-
tem Vorgeben. Schlimm. Aber ſagen Sie wenigſtens, dies
ſich ſelbſt; und es wird Ihnen ſchon beſſer werden. Sie be-
ſchreiben mir ſelbſt die Lage Ihres Hauſes, als ſo ſchön —
auch kenne ich ſie ſo — genießen Sie die! Studiren, den-
ken, leben, leſen Sie da! Es giebt nicht viel Beſſeres. Und,
vermiſſen, unſer Schickſal betrachten, und einſehn, iſt ein Ge-
nuß; Gemüthsnahrung möcht’ ich’s nennen. Es giebt nicht
viel mehr! oder — eine große Exaltation — deckt uns Ab-
gründe auf, und Widerſpruch, Widerſtand; wie alles, wozu
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/410>, abgerufen am 22.12.2024.
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