nen Garten habe: nicht leben kann, wo ich es mag. Will- kommen! auf der alten Erde, die mich wieder aufgefangen hat. Mehr gelitten hat man wohl nicht: dies ist ein Ge- heimniß zwischen mir und Gott. Kein Arzt, keine Umgebung kann dies rathen, sehn oder glauben: ich nun selbst, fasse es nicht mehr: nur wiedermachen will ich es nicht mehr. Wohl dem, der eine höchste Überzeugung im bittern Leben gewonnen, errungen, erdacht, geschenkt bekommen hat! auf diese führten mich Martern zurück -- für Gefahr habe ich keinen Sinn: in der, aufzuhören, sind wir immer, und stets. -- "Gott hat Recht: und es ist am besten so; ich bin ja seine Kreatur: und, da ich, ich, ich, einen Begriff von einer Anforderung an Vernunft und Recht habe; so existirt's; und noch vollkom- mener, als ich mir's denken kann." Dann frug ich mich, was ich von den Martern lernen soll?! besser sein: mehr Mitleid haben; nicht zerstreut sein über Leidende, und Arme u. s. w. Nun ring' ich sacht wieder gegen das Leben an: oder das Le- ben vielmehr gegen mich: seine Kontradiktionen!! "Gott! es ist ja nur eine Kleinigkeit!" sagt Dore. Ja, seufzt Goethens Adler, in der Fabel Adler und Taube. Ja! seufze ich. Aber vierhundert Kleinigkeiten bilden meinen Tag: einen ne- benan habe ich nicht zu leben; wie Keiner. Sechs Monat vor der Erkenntniß meiner Krankheit hatte ich Fieber und Be- klemmung. Zwölf Jahre harte Beschwerden; und alles dabei geleistet, anstatt mich zu heilen. Mündlich könnte ich's erzählen. Nun das Gute. Alle Bequemlichkeit und Hülfe, und Ausgabe, ohne die geringste pekuniaire Sorge oder gene!!!! Alles was Kunst, und Liebe, in dieser Zeit, in unserer,
nen Garten habe: nicht leben kann, wo ich es mag. Will- kommen! auf der alten Erde, die mich wieder aufgefangen hat. Mehr gelitten hat man wohl nicht: dies iſt ein Ge- heimniß zwiſchen mir und Gott. Kein Arzt, keine Umgebung kann dies rathen, ſehn oder glauben: ich nun ſelbſt, faſſe es nicht mehr: nur wiedermachen will ich es nicht mehr. Wohl dem, der eine höchſte Überzeugung im bittern Leben gewonnen, errungen, erdacht, geſchenkt bekommen hat! auf dieſe führten mich Martern zurück — für Gefahr habe ich keinen Sinn: in der, aufzuhören, ſind wir immer, und ſtets. — „Gott hat Recht: und es iſt am beſten ſo; ich bin ja ſeine Kreatur: und, da ich, ich, ich, einen Begriff von einer Anforderung an Vernunft und Recht habe; ſo exiſtirt’s; und noch vollkom- mener, als ich mir’s denken kann.“ Dann frug ich mich, was ich von den Martern lernen ſoll?! beſſer ſein: mehr Mitleid haben; nicht zerſtreut ſein über Leidende, und Arme u. ſ. w. Nun ring’ ich ſacht wieder gegen das Leben an: oder das Le- ben vielmehr gegen mich: ſeine Kontradiktionen!! „Gott! es iſt ja nur eine Kleinigkeit!“ ſagt Dore. Ja, ſeufzt Goethens Adler, in der Fabel Adler und Taube. Ja! ſeufze ich. Aber vierhundert Kleinigkeiten bilden meinen Tag: einen ne- benan habe ich nicht zu leben; wie Keiner. Sechs Monat vor der Erkenntniß meiner Krankheit hatte ich Fieber und Be- klemmung. Zwölf Jahre harte Beſchwerden; und alles dabei geleiſtet, anſtatt mich zu heilen. Mündlich könnte ich’s erzählen. Nun das Gute. Alle Bequemlichkeit und Hülfe, und Ausgabe, ohne die geringſte pekuniaire Sorge oder gêne!!!! Alles was Kunſt, und Liebe, in dieſer Zeit, in unſerer,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0396"n="388"/>
nen Garten habe: nicht leben kann, wo ich es mag. Will-<lb/>
kommen! auf der alten Erde, die mich wieder aufgefangen<lb/>
hat. Mehr <hirendition="#g">gelitten</hi> hat man wohl nicht: dies iſt ein Ge-<lb/>
heimniß zwiſchen mir und Gott. Kein Arzt, keine Umgebung<lb/>
kann dies rathen, ſehn oder glauben: ich nun ſelbſt, faſſe es<lb/>
nicht mehr: nur wiedermachen will ich es nicht mehr. Wohl<lb/>
dem, der eine höchſte Überzeugung im bittern Leben gewonnen,<lb/>
errungen, erdacht, geſchenkt bekommen hat! auf dieſe führten<lb/>
mich <hirendition="#g">Martern</hi> zurück — für Gefahr habe ich keinen Sinn:<lb/>
in <hirendition="#g">der</hi>, aufzuhören, ſind wir immer, und ſtets. —„Gott<lb/>
hat Recht: und es iſt am beſten ſo; ich bin ja ſeine <hirendition="#g">Kreatur</hi>:<lb/>
und, da ich, ich, <hirendition="#g">ich</hi>, einen Begriff von einer Anforderung<lb/><hirendition="#g">an</hi> Vernunft und Recht habe; ſo exiſtirt’s; und noch vollkom-<lb/>
mener, als ich mir’s denken kann.“ Dann frug ich mich, was<lb/>
ich von den Martern lernen ſoll?! beſſer ſein: mehr Mitleid<lb/>
haben; nicht zerſtreut ſein über Leidende, und Arme u. ſ. w.<lb/>
Nun ring’ ich ſacht wieder gegen das Leben an: oder das Le-<lb/>
ben vielmehr gegen mich: ſeine Kontradiktionen!! „Gott! es<lb/>
iſt ja nur eine Kleinigkeit!“ſagt Dore. Ja, ſeufzt Goethens<lb/>
Adler, in der Fabel Adler und Taube. <hirendition="#g">Ja</hi>! ſeufze ich. Aber<lb/>
vierhundert Kleinigkeiten <hirendition="#g">bilden meinen Tag</hi>: einen <hirendition="#g">ne-<lb/>
benan habe</hi> ich nicht zu leben; wie Keiner. Sechs Monat<lb/>
vor der Erkenntniß meiner Krankheit hatte ich Fieber und Be-<lb/>
klemmung. Zwölf Jahre harte Beſchwerden; und <hirendition="#g">alles</hi> dabei<lb/><hirendition="#g">geleiſtet, anſtatt</hi> mich zu heilen. Mündlich könnte ich’s<lb/>
erzählen. Nun das Gute. Alle Bequemlichkeit und Hülfe,<lb/>
und Ausgabe, ohne die geringſte pekuniaire Sorge oder <hirendition="#aq">gêne</hi>!!!!<lb/>
Alles was Kunſt, und <hirendition="#g">Liebe</hi>, in <hirendition="#g">dieſer Zeit</hi>, in unſerer,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[388/0396]
nen Garten habe: nicht leben kann, wo ich es mag. Will-
kommen! auf der alten Erde, die mich wieder aufgefangen
hat. Mehr gelitten hat man wohl nicht: dies iſt ein Ge-
heimniß zwiſchen mir und Gott. Kein Arzt, keine Umgebung
kann dies rathen, ſehn oder glauben: ich nun ſelbſt, faſſe es
nicht mehr: nur wiedermachen will ich es nicht mehr. Wohl
dem, der eine höchſte Überzeugung im bittern Leben gewonnen,
errungen, erdacht, geſchenkt bekommen hat! auf dieſe führten
mich Martern zurück — für Gefahr habe ich keinen Sinn:
in der, aufzuhören, ſind wir immer, und ſtets. — „Gott
hat Recht: und es iſt am beſten ſo; ich bin ja ſeine Kreatur:
und, da ich, ich, ich, einen Begriff von einer Anforderung
an Vernunft und Recht habe; ſo exiſtirt’s; und noch vollkom-
mener, als ich mir’s denken kann.“ Dann frug ich mich, was
ich von den Martern lernen ſoll?! beſſer ſein: mehr Mitleid
haben; nicht zerſtreut ſein über Leidende, und Arme u. ſ. w.
Nun ring’ ich ſacht wieder gegen das Leben an: oder das Le-
ben vielmehr gegen mich: ſeine Kontradiktionen!! „Gott! es
iſt ja nur eine Kleinigkeit!“ ſagt Dore. Ja, ſeufzt Goethens
Adler, in der Fabel Adler und Taube. Ja! ſeufze ich. Aber
vierhundert Kleinigkeiten bilden meinen Tag: einen ne-
benan habe ich nicht zu leben; wie Keiner. Sechs Monat
vor der Erkenntniß meiner Krankheit hatte ich Fieber und Be-
klemmung. Zwölf Jahre harte Beſchwerden; und alles dabei
geleiſtet, anſtatt mich zu heilen. Mündlich könnte ich’s
erzählen. Nun das Gute. Alle Bequemlichkeit und Hülfe,
und Ausgabe, ohne die geringſte pekuniaire Sorge oder gêne!!!!
Alles was Kunſt, und Liebe, in dieſer Zeit, in unſerer,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/396>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.