bleibe sich gleich u. s. w. Solches, Bekanntes, Durchge- sprochenes! Da schrie ich: Wir wären nicht besser dran, als unter Kardinal Richelieu? Stehlen auf dem Pontneuf als gen- tillesse; Duelle an den Ecken zu fünfzehn, sechszehn Paaren; Vergiftung bei Bällen; Morde aller Art; Auflehnung gegen König und Obrigkeit als Adelsbenehmen; Bartholomäusnacht vorher, Dragonaden nachher; Unrecht, Gewalt in Blüthe; Judenaustilgung, wenn ihr Vermögen Appetit machte; kör- perliche Schmachbehandlung für ganze Klassen; jeter par la fenetre, nicht allein als Drohung, sondern als That. -- Jetzt, geliebtes, geehrtes Jetzt; Europa im Aufruhr, wenn in ir- gend einem Winkel Unrecht oder gar Mord vorkommt; Alle müssen besser werden, besser leben: Monarchen, die die größte Gewalt haben, tugendhaft! Nein, par exemple,so dumm bin ich nicht, daß ich das nicht täglich sähe, und einsähe, und einläse. Die Wege, die Erfindungen, die Sanitätsanstalten, Pflaster, Beleuchtung, Kanäle etc. etc. Das Hauptwort un- gesprochen! "Unser Freund gab auch hierauf nicht eine Ant- wort. Du kennst seine Milde, Wahrhaftigkeit, Uneigennützig- keit. Er liebt, will, thut nur Gutes. Hat aber eine Fähig- keit, frappirt zu sein, die ihn hindert; denn sie fördert ihn nicht; weil er's zu lange bleibt, anstatt von solchem Anschlag nur zu frischer Untersuchung getrieben zu werden. Und da will ich nun künftig ihn auch frappiren; aber weiter fort Sich wie geschwätzig! Du verführst mich durch Lob dazu; und durch dein Gespräch in den Briefen. Warum sollten wir dies Postgeld nicht anstatt Komödiengeld ausgeben? Das ist es auch nicht allein. --
bleibe ſich gleich u. ſ. w. Solches, Bekanntes, Durchge- ſprochenes! Da ſchrie ich: Wir wären nicht beſſer dran, als unter Kardinal Richelieu? Stehlen auf dem Pontneuf als gen- tillesse; Duelle an den Ecken zu fünfzehn, ſechszehn Paaren; Vergiftung bei Bällen; Morde aller Art; Auflehnung gegen König und Obrigkeit als Adelsbenehmen; Bartholomäusnacht vorher, Dragonaden nachher; Unrecht, Gewalt in Blüthe; Judenaustilgung, wenn ihr Vermögen Appetit machte; kör- perliche Schmachbehandlung für ganze Klaſſen; jeter par la fenêtre, nicht allein als Drohung, ſondern als That. — Jetzt, geliebtes, geehrtes Jetzt; Europa im Aufruhr, wenn in ir- gend einem Winkel Unrecht oder gar Mord vorkommt; Alle müſſen beſſer werden, beſſer leben: Monarchen, die die größte Gewalt haben, tugendhaft! Nein, par exemple,ſo dumm bin ich nicht, daß ich das nicht täglich ſähe, und einſähe, und einläſe. Die Wege, die Erfindungen, die Sanitätsanſtalten, Pflaſter, Beleuchtung, Kanäle ꝛc. ꝛc. Das Hauptwort un- geſprochen! „Unſer Freund gab auch hierauf nicht eine Ant- wort. Du kennſt ſeine Milde, Wahrhaftigkeit, Uneigennützig- keit. Er liebt, will, thut nur Gutes. Hat aber eine Fähig- keit, frappirt zu ſein, die ihn hindert; denn ſie fördert ihn nicht; weil er’s zu lange bleibt, anſtatt von ſolchem Anſchlag nur zu friſcher Unterſuchung getrieben zu werden. Und da will ich nun künftig ihn auch frappiren; aber weiter fort Sich wie geſchwätzig! Du verführſt mich durch Lob dazu; und durch dein Geſpräch in den Briefen. Warum ſollten wir dies Poſtgeld nicht anſtatt Komödiengeld ausgeben? Das iſt es auch nicht allein. —
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bleibe ſich gleich u. ſ. w. Solches, Bekanntes, Durchge-
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unter Kardinal Richelieu? Stehlen auf dem Pontneuf als gen-
tillesse; Duelle an den Ecken zu fünfzehn, ſechszehn Paaren;
Vergiftung bei Bällen; Morde aller Art; Auflehnung gegen
König und Obrigkeit als Adelsbenehmen; Bartholomäusnacht
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bin ich nicht, daß ich das nicht täglich ſähe, und einſähe, und
einläſe. Die Wege, die Erfindungen, die Sanitätsanſtalten,
Pflaſter, Beleuchtung, Kanäle ꝛc. ꝛc. Das Hauptwort un-
geſprochen! „Unſer Freund gab auch hierauf nicht eine Ant-
wort. Du kennſt ſeine Milde, Wahrhaftigkeit, Uneigennützig-
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keit, frappirt zu ſein, die ihn hindert; denn ſie fördert ihn
nicht; weil er’s zu lange bleibt, anſtatt von ſolchem Anſchlag
nur zu friſcher Unterſuchung getrieben zu werden. Und da
will ich nun künftig ihn auch frappiren; aber weiter fort
Sich wie geſchwätzig! Du verführſt mich durch Lob dazu; und
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/373>, abgerufen am 22.12.2024.
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