saß, und doch den redlichsten, bequemsten, alt aufgespeicherten, schon fabrizirten Antheil nahm. Nichts war bei dem wieder in die erste Materie zurückzuführen: und da verstummte ich bald. Immer unrecht: immer falsch. Was habe ich nur schon zu Tage gesprochen, zurecht geredet. Eigentlich mensch- lichste Pflicht. Geister haben kein Eigenthum: und ihr Mensch gehört ihnen nicht mehr an, als alle andre Menschen, sie müssen immer arbeiten. Nun will ich Kaffee trinken. "Der Onkel soll leben, hoch!" Gestern wurde sie sehr verdrießlich, daß du noch nicht kommst. Eile dich nur nicht, Augüstle! -- Nach dem Kaffee. Ich freue mich, daß Lindner und Cotta so schön wohnen. Das hübsche Fräulein Nichte kenne ich. Grüße die Damen gütigst: grüße den lieben Oken. Mit Freu- den denke ich noch an das von mir glücklich erfundene Glas Bier für ihn. Den sähe ich gerne in äußerst guter Lage. Er ist, im besten Sinn, leidensfähig. Große Eloge bei mir. Mittelpunktsanlage. Je me flatte moi-meme, comme vous voyez. Was kann ich dafür?!
Denk dir! Gans war bei Goethen im Zimmer, als der König von Baiern mit vier Pferden vorfuhr extra; hinein trat, und sagen mußte: "Ich bin der K. v. B." dann auf und ab gehend zu Goethen sagte: "Haben Sie noch ein Plätz- chen an Ihrer Brust zu einem Orden?" Ich gab Gans den Brief an Frau von Goethe. In der größten Migraine gab ich ihm den Glücksbrief! Mittags beim Essen; er wollte halb 6 reisen. Er schrieb mir nicht einmal! ich weiß dies von An- dern. --
ſaß, und doch den redlichſten, bequemſten, alt aufgeſpeicherten, ſchon fabrizirten Antheil nahm. Nichts war bei dem wieder in die erſte Materie zurückzuführen: und da verſtummte ich bald. Immer unrecht: immer falſch. Was habe ich nur ſchon zu Tage geſprochen, zurecht geredet. Eigentlich menſch- lichſte Pflicht. Geiſter haben kein Eigenthum: und ihr Menſch gehört ihnen nicht mehr an, als alle andre Menſchen, ſie müſſen immer arbeiten. Nun will ich Kaffee trinken. „Der Onkel ſoll leben, hoch!“ Geſtern wurde ſie ſehr verdrießlich, daß du noch nicht kommſt. Eile dich nur nicht, Augüſtle! — Nach dem Kaffee. Ich freue mich, daß Lindner und Cotta ſo ſchön wohnen. Das hübſche Fräulein Nichte kenne ich. Grüße die Damen gütigſt: grüße den lieben Oken. Mit Freu- den denke ich noch an das von mir glücklich erfundene Glas Bier für ihn. Den ſähe ich gerne in äußerſt guter Lage. Er iſt, im beſten Sinn, leidensfähig. Große Eloge bei mir. Mittelpunktsanlage. Je me flatte moi-même, comme vous voyez. Was kann ich dafür?!
Denk dir! Gans war bei Goethen im Zimmer, als der König von Baiern mit vier Pferden vorfuhr extra; hinein trat, und ſagen mußte: „Ich bin der K. v. B.“ dann auf und ab gehend zu Goethen ſagte: „Haben Sie noch ein Plätz- chen an Ihrer Bruſt zu einem Orden?“ Ich gab Gans den Brief an Frau von Goethe. In der größten Migraine gab ich ihm den Glücksbrief! Mittags beim Eſſen; er wollte halb 6 reiſen. Er ſchrieb mir nicht einmal! ich weiß dies von An- dern. —
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0309"n="301"/>ſaß, und doch den redlichſten, bequemſten, alt aufgeſpeicherten,<lb/>ſchon fabrizirten Antheil nahm. Nichts war bei dem wieder<lb/>
in die erſte Materie zurückzuführen: und da verſtummte ich<lb/>
bald. <hirendition="#g">Immer</hi> unrecht: <hirendition="#g">immer</hi> falſch. Was habe <hirendition="#g">ich</hi> nur<lb/>ſchon zu Tage geſprochen, zurecht geredet. Eigentlich menſch-<lb/>
lichſte <hirendition="#g">Pflicht</hi>. Geiſter haben kein Eigenthum: und ihr<lb/>
Menſch gehört ihnen nicht mehr an, als alle andre Menſchen,<lb/>ſie müſſen immer arbeiten. Nun will ich Kaffee trinken. „Der<lb/>
Onkel ſoll leben, <hirendition="#g">hoch</hi>!“ Geſtern wurde ſie ſehr verdrießlich,<lb/>
daß du noch nicht kommſt. Eile dich nur nicht, Augüſtle! —<lb/>
Nach dem Kaffee. Ich freue mich, daß Lindner und Cotta<lb/>ſo ſchön wohnen. Das hübſche Fräulein Nichte kenne ich.<lb/>
Grüße die Damen gütigſt: grüße den lieben Oken. Mit Freu-<lb/>
den denke ich noch an das von mir glücklich erfundene Glas<lb/>
Bier für ihn. <hirendition="#g">Den</hi>ſähe ich gerne in äußerſt guter Lage.<lb/>
Er iſt, im beſten Sinn, leidensfähig. Große Eloge bei mir.<lb/>
Mittelpunktsanlage. <hirendition="#aq">Je me flatte moi-même, comme vous<lb/>
voyez.</hi> Was kann <hirendition="#g">ich</hi> dafür?!</p><lb/><p>Denk dir! Gans war bei Goethen im Zimmer, als der<lb/>
König von Baiern mit vier Pferden vorfuhr extra; hinein<lb/>
trat, und ſagen mußte: „Ich bin der K. v. B.“ dann auf<lb/>
und ab gehend zu Goethen ſagte: „Haben Sie noch ein Plätz-<lb/>
chen an Ihrer Bruſt zu einem Orden?“<hirendition="#g">Ich</hi> gab Gans den<lb/>
Brief an Frau von Goethe. In der größten Migraine gab<lb/>
ich ihm den Glücksbrief! Mittags beim Eſſen; er wollte halb 6<lb/>
reiſen. Er ſchrieb mir nicht einmal! ich weiß dies von An-<lb/>
dern. —</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[301/0309]
ſaß, und doch den redlichſten, bequemſten, alt aufgeſpeicherten,
ſchon fabrizirten Antheil nahm. Nichts war bei dem wieder
in die erſte Materie zurückzuführen: und da verſtummte ich
bald. Immer unrecht: immer falſch. Was habe ich nur
ſchon zu Tage geſprochen, zurecht geredet. Eigentlich menſch-
lichſte Pflicht. Geiſter haben kein Eigenthum: und ihr
Menſch gehört ihnen nicht mehr an, als alle andre Menſchen,
ſie müſſen immer arbeiten. Nun will ich Kaffee trinken. „Der
Onkel ſoll leben, hoch!“ Geſtern wurde ſie ſehr verdrießlich,
daß du noch nicht kommſt. Eile dich nur nicht, Augüſtle! —
Nach dem Kaffee. Ich freue mich, daß Lindner und Cotta
ſo ſchön wohnen. Das hübſche Fräulein Nichte kenne ich.
Grüße die Damen gütigſt: grüße den lieben Oken. Mit Freu-
den denke ich noch an das von mir glücklich erfundene Glas
Bier für ihn. Den ſähe ich gerne in äußerſt guter Lage.
Er iſt, im beſten Sinn, leidensfähig. Große Eloge bei mir.
Mittelpunktsanlage. Je me flatte moi-même, comme vous
voyez. Was kann ich dafür?!
Denk dir! Gans war bei Goethen im Zimmer, als der
König von Baiern mit vier Pferden vorfuhr extra; hinein
trat, und ſagen mußte: „Ich bin der K. v. B.“ dann auf
und ab gehend zu Goethen ſagte: „Haben Sie noch ein Plätz-
chen an Ihrer Bruſt zu einem Orden?“ Ich gab Gans den
Brief an Frau von Goethe. In der größten Migraine gab
ich ihm den Glücksbrief! Mittags beim Eſſen; er wollte halb 6
reiſen. Er ſchrieb mir nicht einmal! ich weiß dies von An-
dern. —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/309>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.