und so muß ich Sie als einen jungen Freund lieben; da ich Sie so sehe.
Dies ist schon die Antwort, auf das Wort, welches Sie aussprachen, daß Sie nie auf äußern Antrieb schrieben, daß Sie alles innerlich erlebt haben. Ich bin ganz beleidigt -- verletzt, meine ich -- daß irgend eine falsche Berührung Ihnen eine solche Äußerung über Ihr Wesen auspressen mußte, das nicht nur die freundlichen Seher von ewig her von Ihnen kennen müßten; sondern was gar nicht mehr in Frage gestellt sein müßte. Varnhagen -- und auch ich -- kann es gar nicht verschmerzen, daß er Ihre Rede am Grabe Blüchers nicht hatte, und nicht in seinem Buche hat. Welche Glorie, mit so bewährten Männern wahre Geschichtserzählung verbürgen und verschönen zu lassen! Welch Vergnügen, wahrheitslieben- den Nachkommen Zweifel zu ersparen, indem man ihnen ver- wahrt, was wissenswerth ist, und zur Klarheit beiträgt; und ihnen in Einem noch mehrere geschichtliche Geschenke zu ma- chen! (Ich habe Blüchers Leben noch nicht gelesen. Nur eini- ges davon während dem Druck.) Welche ganz herrliche Stelle steht von Ihnen da, in Ihrem Briefe, über Biogra- phieen, über Helden und Männer, und deren Geschichtsbehand- lung! Sie ist grundwahr: aber nicht wie mit Dinte, nicht nur mit Worten ausgedrückt; sondern wie Türken mit Blu- men schreiben, ist sie auch in lebendigen Naturgegenständen ausgedrückt. Sehr flüchtig, sehr schön, sehr gründlich! Ver- zeihen Sie, daß ich Sie so loben will. Loben ist mein drin- gendstes, innerstes Bedürfniß: mein Lob ist immer ein Beleg des Verstehns, und das halte ich für sehr nöthig. Nöthig
und ſo muß ich Sie als einen jungen Freund lieben; da ich Sie ſo ſehe.
Dies iſt ſchon die Antwort, auf das Wort, welches Sie ausſprachen, daß Sie nie auf äußern Antrieb ſchrieben, daß Sie alles innerlich erlebt haben. Ich bin ganz beleidigt — verletzt, meine ich — daß irgend eine falſche Berührung Ihnen eine ſolche Äußerung über Ihr Weſen auspreſſen mußte, das nicht nur die freundlichen Seher von ewig her von Ihnen kennen müßten; ſondern was gar nicht mehr in Frage geſtellt ſein müßte. Varnhagen — und auch ich — kann es gar nicht verſchmerzen, daß er Ihre Rede am Grabe Blüchers nicht hatte, und nicht in ſeinem Buche hat. Welche Glorie, mit ſo bewährten Männern wahre Geſchichtserzählung verbürgen und verſchönen zu laſſen! Welch Vergnügen, wahrheitslieben- den Nachkommen Zweifel zu erſparen, indem man ihnen ver- wahrt, was wiſſenswerth iſt, und zur Klarheit beiträgt; und ihnen in Einem noch mehrere geſchichtliche Geſchenke zu ma- chen! (Ich habe Blüchers Leben noch nicht geleſen. Nur eini- ges davon während dem Druck.) Welche ganz herrliche Stelle ſteht von Ihnen da, in Ihrem Briefe, über Biogra- phieen, über Helden und Männer, und deren Geſchichtsbehand- lung! Sie iſt grundwahr: aber nicht wie mit Dinte, nicht nur mit Worten ausgedrückt; ſondern wie Türken mit Blu- men ſchreiben, iſt ſie auch in lebendigen Naturgegenſtänden ausgedrückt. Sehr flüchtig, ſehr ſchön, ſehr gründlich! Ver- zeihen Sie, daß ich Sie ſo loben will. Loben iſt mein drin- gendſtes, innerſtes Bedürfniß: mein Lob iſt immer ein Beleg des Verſtehns, und das halte ich für ſehr nöthig. Nöthig
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und ſo muß ich Sie als einen jungen Freund lieben; da ich
Sie ſo ſehe.
Dies iſt ſchon die Antwort, auf das Wort, welches Sie
ausſprachen, daß Sie nie auf äußern Antrieb ſchrieben, daß
Sie alles innerlich erlebt haben. Ich bin ganz beleidigt —
verletzt, meine ich — daß irgend eine falſche Berührung Ihnen
eine ſolche Äußerung über Ihr Weſen auspreſſen mußte, das
nicht nur die freundlichen Seher von ewig her von Ihnen
kennen müßten; ſondern was gar nicht mehr in Frage geſtellt
ſein müßte. Varnhagen — und auch ich — kann es gar nicht
verſchmerzen, daß er Ihre Rede am Grabe Blüchers nicht
hatte, und nicht in ſeinem Buche hat. Welche Glorie, mit
ſo bewährten Männern wahre Geſchichtserzählung verbürgen
und verſchönen zu laſſen! Welch Vergnügen, wahrheitslieben-
den Nachkommen Zweifel zu erſparen, indem man ihnen ver-
wahrt, was wiſſenswerth iſt, und zur Klarheit beiträgt; und
ihnen in Einem noch mehrere geſchichtliche Geſchenke zu ma-
chen! (Ich habe Blüchers Leben noch nicht geleſen. Nur eini-
ges davon während dem Druck.) Welche ganz herrliche
Stelle ſteht von Ihnen da, in Ihrem Briefe, über Biogra-
phieen, über Helden und Männer, und deren Geſchichtsbehand-
lung! Sie iſt grundwahr: aber nicht wie mit Dinte, nicht
nur mit Worten ausgedrückt; ſondern wie Türken mit Blu-
men ſchreiben, iſt ſie auch in lebendigen Naturgegenſtänden
ausgedrückt. Sehr flüchtig, ſehr ſchön, ſehr gründlich! Ver-
zeihen Sie, daß ich Sie ſo loben will. Loben iſt mein drin-
gendſtes, innerſtes Bedürfniß: mein Lob iſt immer ein Beleg
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/278>, abgerufen am 22.11.2024.
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