ßert. Es wäre sehr heilsam gewesen: wenn man auch sagen kann, es war ein Weg, den die Nation gehen mußte; sie wäre auch einen andern gegangen; und von dem hätte man eben so gesagt; und mir scheint, er wäre ein richtigerer gewe- sen, und warum sollte der nicht auch ein ergiebiger sein? --
Ich las in einem aufgeschlagenen Werke: Gründe, aus welchen der Untergang der Römer hergeleitet werden sollte. Da fiel mir auf, was mir immer bei Ergründungen auffällt, die nicht bis auf den Urgrund alles menschlichen Strebens gehn: und mein Autor kam mir vor, als Einer, der Bewe- gung erklären wollte, und nun sagte: "Der Herr schickt die Bedienten; dadurch gehen sie."
Winter, 1826.
Montag, den 1. Januar 1827.
Sprache ist die Mitte und Höhe alles Wunderbaren. He- gel sagt: "Willst du leben, mußt du dienen; willst du frei sein, mußt du sterben." Solche Worte lieb' ich, die ein In- begriff sind: die ganze Gedankenfamilien enthalten; woraus sich, was noch gesagt werden möchte, von selbst versteht; wo- zu man alles gedacht und gelebt haben muß, was noch nach- her gesagt werden kann. Und dabei ist mir eingefallen, daß der, dem die wahre Kraft des Denkens oder Besinnens gege- ben wäre, auf ein Wort zurückkommen müßte, welches alles Wissen enthält, und alles erklären könnte. Dies ist gewiß "das Wort" aus der Bibel, wovon so viel gesprochen wird! -- Überhaupt -- kann auch jeder an sich selbst sehn -- wird
ßert. Es wäre ſehr heilſam geweſen: wenn man auch ſagen kann, es war ein Weg, den die Nation gehen mußte; ſie wäre auch einen andern gegangen; und von dem hätte man eben ſo geſagt; und mir ſcheint, er wäre ein richtigerer gewe- ſen, und warum ſollte der nicht auch ein ergiebiger ſein? —
Ich las in einem aufgeſchlagenen Werke: Gründe, aus welchen der Untergang der Römer hergeleitet werden ſollte. Da fiel mir auf, was mir immer bei Ergründungen auffällt, die nicht bis auf den Urgrund alles menſchlichen Strebens gehn: und mein Autor kam mir vor, als Einer, der Bewe- gung erklären wollte, und nun ſagte: „Der Herr ſchickt die Bedienten; dadurch gehen ſie.“
Winter, 1826.
Montag, den 1. Januar 1827.
Sprache iſt die Mitte und Höhe alles Wunderbaren. He- gel ſagt: „Willſt du leben, mußt du dienen; willſt du frei ſein, mußt du ſterben.“ Solche Worte lieb’ ich, die ein In- begriff ſind: die ganze Gedankenfamilien enthalten; woraus ſich, was noch geſagt werden möchte, von ſelbſt verſteht; wo- zu man alles gedacht und gelebt haben muß, was noch nach- her geſagt werden kann. Und dabei iſt mir eingefallen, daß der, dem die wahre Kraft des Denkens oder Beſinnens gege- ben wäre, auf ein Wort zurückkommen müßte, welches alles Wiſſen enthält, und alles erklären könnte. Dies iſt gewiß „das Wort“ aus der Bibel, wovon ſo viel geſprochen wird! — Überhaupt — kann auch jeder an ſich ſelbſt ſehn — wird
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ßert. Es wäre ſehr heilſam geweſen: wenn man auch ſagen
kann, es war ein Weg, den die Nation gehen mußte; ſie
wäre auch einen andern gegangen; und von dem hätte man
eben ſo geſagt; und mir ſcheint, er wäre ein richtigerer gewe-
ſen, und warum ſollte der nicht auch ein ergiebiger ſein? —
Ich las in einem aufgeſchlagenen Werke: Gründe, aus
welchen der Untergang der Römer hergeleitet werden ſollte.
Da fiel mir auf, was mir immer bei Ergründungen auffällt,
die nicht bis auf den Urgrund alles menſchlichen Strebens
gehn: und mein Autor kam mir vor, als Einer, der Bewe-
gung erklären wollte, und nun ſagte: „Der Herr ſchickt die
Bedienten; dadurch gehen ſie.“
Winter, 1826.
Montag, den 1. Januar 1827.
Sprache iſt die Mitte und Höhe alles Wunderbaren. He-
gel ſagt: „Willſt du leben, mußt du dienen; willſt du frei
ſein, mußt du ſterben.“ Solche Worte lieb’ ich, die ein In-
begriff ſind: die ganze Gedankenfamilien enthalten; woraus
ſich, was noch geſagt werden möchte, von ſelbſt verſteht; wo-
zu man alles gedacht und gelebt haben muß, was noch nach-
her geſagt werden kann. Und dabei iſt mir eingefallen, daß
der, dem die wahre Kraft des Denkens oder Beſinnens gege-
ben wäre, auf ein Wort zurückkommen müßte, welches alles
Wiſſen enthält, und alles erklären könnte. Dies iſt gewiß
„das Wort“ aus der Bibel, wovon ſo viel geſprochen wird!
— Überhaupt — kann auch jeder an ſich ſelbſt ſehn — wird
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/266>, abgerufen am 25.11.2024.
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