Diese besehen! und dann stumm! Welche unbefangene Lessings- natur wird wohl zuerst sprechen? Und wo? --
Dies ist noch den 19. August 1824. geschrieben.
An Karl Grüneisen, in Dresden.
(Durch Ludwig Tieck.)
Berlin, den 19. August 1824. Abends.
So eben erfahre ich, lieber Herr Doktor, daß Ihnen Varn- hagen zugeredet hat, in Weimar zu Goethen zu gehen. Thun Sie's ja! Bedenken Sie, was das heißt, daß Sie das Glück haben, mit Goethen zugleich zu leben. Bedenken Sie's ganz. Sie kommen ja nicht mit leeren Händen. Sie können ihm ja so schön deutsch vorsingen, wie es kein anderer Mensch ver- mag; lassen Sie den Mann dies nicht versäumen aus einer Bescheidenheit, die nur eine falsche sein kann. Folgen Sie Einmal einer Freundin, die Sie nicht kennen, der Sie aber gewiß in dieser Angelegenheit trauten, wenn Sie sie kennten. Ich verstehe sehr viel Musik und Theater. Sie singen und sprechen die Worte vortrefflich; wie kein Anderer. Was wol- len Sie dazu thun, noch sagen? Es ist eine Gabe.
Möge Ihnen alles in der Welt eben so glücken; Ihre Reisen, Pläne und was Sie wünschen.
Ihre ergebene Friederike Varnhagen von Ense.
August 1824.
Bei Louvet's Memoiren fiel es mir auf, wie mitten im Zusammensturz der bisherigen Welt, wo fast jeder als Ein-
Dieſe beſehen! und dann ſtumm! Welche unbefangene Leſſings- natur wird wohl zuerſt ſprechen? Und wo? —
Dies iſt noch den 19. Auguſt 1824. geſchrieben.
An Karl Grüneiſen, in Dresden.
(Durch Ludwig Tieck.)
Berlin, den 19. Auguſt 1824. Abends.
So eben erfahre ich, lieber Herr Doktor, daß Ihnen Varn- hagen zugeredet hat, in Weimar zu Goethen zu gehen. Thun Sie’s ja! Bedenken Sie, was das heißt, daß Sie das Glück haben, mit Goethen zugleich zu leben. Bedenken Sie’s ganz. Sie kommen ja nicht mit leeren Händen. Sie können ihm ja ſo ſchön deutſch vorſingen, wie es kein anderer Menſch ver- mag; laſſen Sie den Mann dies nicht verſäumen aus einer Beſcheidenheit, die nur eine falſche ſein kann. Folgen Sie Einmal einer Freundin, die Sie nicht kennen, der Sie aber gewiß in dieſer Angelegenheit trauten, wenn Sie ſie kennten. Ich verſtehe ſehr viel Muſik und Theater. Sie ſingen und ſprechen die Worte vortrefflich; wie kein Anderer. Was wol- len Sie dazu thun, noch ſagen? Es iſt eine Gabe.
Möge Ihnen alles in der Welt eben ſo glücken; Ihre Reiſen, Pläne und was Sie wünſchen.
Ihre ergebene Friederike Varnhagen von Enſe.
Auguſt 1824.
Bei Louvet’s Memoiren fiel es mir auf, wie mitten im Zuſammenſturz der bisherigen Welt, wo faſt jeder als Ein-
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Dieſe beſehen! und dann ſtumm! Welche unbefangene Leſſings-
natur wird wohl zuerſt ſprechen? Und wo? —
Dies iſt noch den 19. Auguſt 1824. geſchrieben.
An Karl Grüneiſen, in Dresden.
(Durch Ludwig Tieck.)
Berlin, den 19. Auguſt 1824. Abends.
So eben erfahre ich, lieber Herr Doktor, daß Ihnen Varn-
hagen zugeredet hat, in Weimar zu Goethen zu gehen. Thun
Sie’s ja! Bedenken Sie, was das heißt, daß Sie das Glück
haben, mit Goethen zugleich zu leben. Bedenken Sie’s ganz.
Sie kommen ja nicht mit leeren Händen. Sie können ihm ja
ſo ſchön deutſch vorſingen, wie es kein anderer Menſch ver-
mag; laſſen Sie den Mann dies nicht verſäumen aus einer
Beſcheidenheit, die nur eine falſche ſein kann. Folgen Sie
Einmal einer Freundin, die Sie nicht kennen, der Sie aber
gewiß in dieſer Angelegenheit trauten, wenn Sie ſie kennten.
Ich verſtehe ſehr viel Muſik und Theater. Sie ſingen und
ſprechen die Worte vortrefflich; wie kein Anderer. Was wol-
len Sie dazu thun, noch ſagen? Es iſt eine Gabe.
Möge Ihnen alles in der Welt eben ſo glücken; Ihre
Reiſen, Pläne und was Sie wünſchen.
Ihre ergebene
Friederike Varnhagen von Enſe.
Auguſt 1824.
Bei Louvet’s Memoiren fiel es mir auf, wie mitten im
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/172>, abgerufen am 25.11.2024.
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