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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

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macht es bei mir nicht einmal: sie müssen noch aparte aus-
spannen *). So lieb' ich Gentz als größten Publizisten; -- ich
würd' ihn Privaten nennen -- noch immer. Er trägt das
Kind noch in sich, das liebe: und er mag sagen was er will:
er liebt Wahrheit: und er -- ist nie eine Lüge. So ist's mit
vielen Andern, die sich öffentlich über ihn stellen, bei weitem
nicht. Ich wohne von Humboldts nur sechs Häuser weit, und
meine Augen sehen sie nicht. Die Herz öfter: und alle Alten,
die nicht todt und weg sind. Pauline ist in Paris, und die
alte, nur älter: ich vermisse sie täglich, und oft im Tag. Sie
liebt das Freie -- die Natur nennen sie's -- wie ich. Ich
habe Mad. Benedix bei Abraham Mendelssohn gesehn; ich
beneide sie; so gefällt sie mir: so jung; so selbstständig, so
frei im Ausdruck, und so sanft und graziös dabei. Ich --
ewig lache; oder ein Ausbruch wie Erdsturz; Gewitter ist mir
zu gut. Ich gönne sie Ihnen in Stockholm; aber ihr: air
natal:
und anderes! -- Welches sie nicht in Gedanken gefaßt
hat, also nicht wünscht. Ich sehe auch oft Frau von Helvig,
sie ist eine Nachbarin von uns (wir wohnen Friedrichs- und
Französische Straßen-Ecke, sehr nah wo die Bethmann wohnte;
Humboldts, wo O'Faril's wohnten; Frau von Helvig vorne
in der Behrenstraße), nur die andere Ecke. Und wir stehen
gut. Eine wesentliche Frau; ohne ihre bekannten Eigen-
schaften zu rechnen! Ist Ihnen diese Parenthese nicht zu la-
byrinthisch: ich verlasse mich auf Ihren Faden!) Er, Varn-
hagen, grüßt Sie schön, und schickt Ihnen hier ein Buch, wel-
ches vorigen August erschien, und wozu er erst jetzt Gelegen-
heit findet, es Ihnen zukommen zu lassen, mit der Bitte, Sie

macht es bei mir nicht einmal: ſie müſſen noch aparte aus-
ſpannen *). So lieb’ ich Gentz als größten Publiziſten; — ich
würd’ ihn Privaten nennen — noch immer. Er trägt das
Kind noch in ſich, das liebe: und er mag ſagen was er will:
er liebt Wahrheit: und er — iſt nie eine Lüge. So iſt’s mit
vielen Andern, die ſich öffentlich über ihn ſtellen, bei weitem
nicht. Ich wohne von Humboldts nur ſechs Häuſer weit, und
meine Augen ſehen ſie nicht. Die Herz öfter: und alle Alten,
die nicht todt und weg ſind. Pauline iſt in Paris, und die
alte, nur älter: ich vermiſſe ſie täglich, und oft im Tag. Sie
liebt das Freie — die Natur nennen ſie’s — wie ich. Ich
habe Mad. Benedix bei Abraham Mendelsſohn geſehn; ich
beneide ſie; ſo gefällt ſie mir: ſo jung; ſo ſelbſtſtändig, ſo
frei im Ausdruck, und ſo ſanft und graziös dabei. Ich —
ewig lâche; oder ein Ausbruch wie Erdſturz; Gewitter iſt mir
zu gut. Ich gönne ſie Ihnen in Stockholm; aber ihr: air
natal:
und anderes! — Welches ſie nicht in Gedanken gefaßt
hat, alſo nicht wünſcht. Ich ſehe auch oft Frau von Helvig,
ſie iſt eine Nachbarin von uns (wir wohnen Friedrichs- und
Franzöſiſche Straßen-Ecke, ſehr nah wo die Bethmann wohnte;
Humboldts, wo O’Faril’s wohnten; Frau von Helvig vorne
in der Behrenſtraße), nur die andere Ecke. Und wir ſtehen
gut. Eine weſentliche Frau; ohne ihre bekannten Eigen-
ſchaften zu rechnen! Iſt Ihnen dieſe Parentheſe nicht zu la-
byrinthiſch: ich verlaſſe mich auf Ihren Faden!) Er, Varn-
hagen, grüßt Sie ſchön, und ſchickt Ihnen hier ein Buch, wel-
ches vorigen Auguſt erſchien, und wozu er erſt jetzt Gelegen-
heit findet, es Ihnen zukommen zu laſſen, mit der Bitte, Sie

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[156/0164] macht es bei mir nicht einmal: ſie müſſen noch aparte aus- ſpannen *). So lieb’ ich Gentz als größten Publiziſten; — ich würd’ ihn Privaten nennen — noch immer. Er trägt das Kind noch in ſich, das liebe: und er mag ſagen was er will: er liebt Wahrheit: und er — iſt nie eine Lüge. So iſt’s mit vielen Andern, die ſich öffentlich über ihn ſtellen, bei weitem nicht. Ich wohne von Humboldts nur ſechs Häuſer weit, und meine Augen ſehen ſie nicht. Die Herz öfter: und alle Alten, die nicht todt und weg ſind. Pauline iſt in Paris, und die alte, nur älter: ich vermiſſe ſie täglich, und oft im Tag. Sie liebt das Freie — die Natur nennen ſie’s — wie ich. Ich habe Mad. Benedix bei Abraham Mendelsſohn geſehn; ich beneide ſie; ſo gefällt ſie mir: ſo jung; ſo ſelbſtſtändig, ſo frei im Ausdruck, und ſo ſanft und graziös dabei. Ich — ewig lâche; oder ein Ausbruch wie Erdſturz; Gewitter iſt mir zu gut. Ich gönne ſie Ihnen in Stockholm; aber ihr: air natal: und anderes! — Welches ſie nicht in Gedanken gefaßt hat, alſo nicht wünſcht. Ich ſehe auch oft Frau von Helvig, ſie iſt eine Nachbarin von uns (wir wohnen Friedrichs- und Franzöſiſche Straßen-Ecke, ſehr nah wo die Bethmann wohnte; Humboldts, wo O’Faril’s wohnten; Frau von Helvig vorne in der Behrenſtraße), nur die andere Ecke. Und wir ſtehen gut. Eine weſentliche Frau; ohne ihre bekannten Eigen- ſchaften zu rechnen! Iſt Ihnen dieſe Parentheſe nicht zu la- byrinthiſch: ich verlaſſe mich auf Ihren Faden!) Er, Varn- hagen, grüßt Sie ſchön, und ſchickt Ihnen hier ein Buch, wel- ches vorigen Auguſt erſchien, und wozu er erſt jetzt Gelegen- heit findet, es Ihnen zukommen zu laſſen, mit der Bitte, Sie

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/164>, abgerufen am 26.11.2024.