hier wieder einmal unpartheiisch und im klaren Umriß gege- ben: "Der Franzose weiß freilich nicht mehr, als was er ge- sagt hat und geschrieben; aber alles, was er weiß, sagt und schreibt er, und wiederholt es jeden Tag." Dies wird wohl noch lange wahr bleiben: obgleich es schon lange wahr ist. Sehr schön fordert uns Börne zur Verbeugung gegen deutsche und französische Lehrer auf; und ihre Schriften nachzulesen; von zu langjährigen Anfällen, und Hintanstellung, reinigt er, so zu sagen, ihre Bilder mit wenigen Worten vor unsern Au- gen, und wir sehen was sie waren, und thaten. Herrlich spricht er mit zwei Worten von Lessing: größte Kunst, nach Goethen es zu können; von Voltaire, Mendelssohn; von den Engländern; Montaigne, und den Originalen der Franzosen. Mit Dankbarkeit; wie sich's gebührt. Von Jean Paul: von noch Vielen. So wollen wir ihm wieder danken: und uns freuen, ihn zu erkennen. Bücher in kleinen Heften zu geben, ist vortrefflich! und mir besonders dankenswerth. --
An Gustav von Brinckmann, in Stockholm.
Berlin, Freitag den 24. April 1824.
Sonnenhelles, seit drei Tagen, warmes Wetter; nur noch leichtes Knospengrün: die Straßen immer breiter, immer heller. Jedoch heute erfrischender, und viel Morgenthau auf der Erde.
Ich lebe noch. Nun wissen Sie alles. Da Sie doch auch wissen, daß man sich, umgekehrt wie gesagt wird, nicht än- dert -- garstig werden u. dgl. abgerechnet --. Was aber
hier wieder einmal unpartheiiſch und im klaren Umriß gege- ben: „Der Franzoſe weiß freilich nicht mehr, als was er ge- ſagt hat und geſchrieben; aber alles, was er weiß, ſagt und ſchreibt er, und wiederholt es jeden Tag.“ Dies wird wohl noch lange wahr bleiben: obgleich es ſchon lange wahr iſt. Sehr ſchön fordert uns Börne zur Verbeugung gegen deutſche und franzöſiſche Lehrer auf; und ihre Schriften nachzuleſen; von zu langjährigen Anfällen, und Hintanſtellung, reinigt er, ſo zu ſagen, ihre Bilder mit wenigen Worten vor unſern Au- gen, und wir ſehen was ſie waren, und thaten. Herrlich ſpricht er mit zwei Worten von Leſſing: größte Kunſt, nach Goethen es zu können; von Voltaire, Mendelsſohn; von den Engländern; Montaigne, und den Originalen der Franzoſen. Mit Dankbarkeit; wie ſich’s gebührt. Von Jean Paul: von noch Vielen. So wollen wir ihm wieder danken: und uns freuen, ihn zu erkennen. Bücher in kleinen Heften zu geben, iſt vortrefflich! und mir beſonders dankenswerth. —
An Guſtav von Brinckmann, in Stockholm.
Berlin, Freitag den 24. April 1824.
Sonnenhelles, ſeit drei Tagen, warmes Wetter; nur noch leichtes Knospengrün: die Straßen immer breiter, immer heller. Jedoch heute erfriſchender, und viel Morgenthau auf der Erde.
Ich lebe noch. Nun wiſſen Sie alles. Da Sie doch auch wiſſen, daß man ſich, umgekehrt wie geſagt wird, nicht än- dert — garſtig werden u. dgl. abgerechnet —. Was aber
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hier wieder einmal unpartheiiſch und im klaren Umriß gege-
ben: „Der Franzoſe weiß freilich nicht mehr, als was er ge-
ſagt hat und geſchrieben; aber alles, was er weiß, ſagt und
ſchreibt er, und wiederholt es jeden Tag.“ Dies wird wohl
noch lange wahr bleiben: obgleich es ſchon lange wahr iſt.
Sehr ſchön fordert uns Börne zur Verbeugung gegen deutſche
und franzöſiſche Lehrer auf; und ihre Schriften nachzuleſen;
von zu langjährigen Anfällen, und Hintanſtellung, reinigt er,
ſo zu ſagen, ihre Bilder mit wenigen Worten vor unſern Au-
gen, und wir ſehen was ſie waren, und thaten. Herrlich
ſpricht er mit zwei Worten von Leſſing: größte Kunſt, nach
Goethen es zu können; von Voltaire, Mendelsſohn; von den
Engländern; Montaigne, und den Originalen der Franzoſen.
Mit Dankbarkeit; wie ſich’s gebührt. Von Jean Paul: von
noch Vielen. So wollen wir ihm wieder danken: und uns
freuen, ihn zu erkennen. Bücher in kleinen Heften zu geben,
iſt vortrefflich! und mir beſonders dankenswerth. —
An Guſtav von Brinckmann, in Stockholm.
Berlin, Freitag den 24. April 1824.
Sonnenhelles, ſeit drei Tagen, warmes Wetter;
nur noch leichtes Knospengrün: die Straßen
immer breiter, immer heller. Jedoch heute
erfriſchender, und viel Morgenthau auf der
Erde.
Ich lebe noch. Nun wiſſen Sie alles. Da Sie doch auch
wiſſen, daß man ſich, umgekehrt wie geſagt wird, nicht än-
dert — garſtig werden u. dgl. abgerechnet —. Was aber
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/162>, abgerufen am 26.11.2024.
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