"Die Fröhlichkeit löst allmählig alle Bande." (S. 454.) Weil sie ein Verhältniß, ein augenblickliches, angenehmes, aus allen Lebensverhältnissen gewählt, und für ein allein gül- tiges angenommen hat, und sich zur Zeit von ihm beherrschen läßt. Richtig. "Daher schickt sie sich nicht für die Jahre und Stände, wo die Erhaltung und Befestigung jener Bande eine heilige höhere Pflicht wird. Eheleute dürfen nicht mehr jenen jugendlichen Festen beiwohnen. Ein milder Ernst ist die ihnen nöthige Stimmung, und eine klare Besonnenheit, eine Hütung ewiger Verhältnisse ihr Beruf." -- Pflicht ist das, wozu unsre Einsicht uns zwingt. Kein nächster Vortheil. Wer wird den Eheleuten weiß machen, daß eine Hütung ewiger Verhältnisse ihr Beruf ist! "Hütung"! Schrecklich! Was heißt hier ewig? Doch nicht die Extension der Zeit? Also das Einmal Wahre, Wahrgewesene, durch keine Zukunft zu Vertilgende. Dies ist grade, was nicht gehütet zu werden braucht. Worte muß man immer von neuem sichten. --
"Grade wegen der Einfachheit ihrer Verhältnisse ist die Moral so schwierig in der Praxis." (S. 454.) Praxis ist ih- rem Wesen nach komplizirt: Anwendung; also Hinderung: nichts als Hinderung, des einfachen Daseins. Die alte Auf- gabe: die eine in hunderttausend Gestalten. --
"Aller unbestimmte Reiz" etc. (S. 454.) Es giebt keinen unbestimmten Reiz. --
"Ein Karakter ist ein vollkommen gebildeter Wille." (S. 455.) Nur der vollkommen menschlichste ist so. --
S. 455. Vom Gewöhnlichen: sehr gut! Aller Fehler be- steht darin, sich nicht auf sich selbst besinnen zu können.
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„Die Fröhlichkeit löſt allmählig alle Bande.“ (S. 454.) Weil ſie ein Verhältniß, ein augenblickliches, angenehmes, aus allen Lebensverhältniſſen gewählt, und für ein allein gül- tiges angenommen hat, und ſich zur Zeit von ihm beherrſchen läßt. Richtig. „Daher ſchickt ſie ſich nicht für die Jahre und Stände, wo die Erhaltung und Befeſtigung jener Bande eine heilige höhere Pflicht wird. Eheleute dürfen nicht mehr jenen jugendlichen Feſten beiwohnen. Ein milder Ernſt iſt die ihnen nöthige Stimmung, und eine klare Beſonnenheit, eine Hütung ewiger Verhältniſſe ihr Beruf.“ — Pflicht iſt das, wozu unſre Einſicht uns zwingt. Kein nächſter Vortheil. Wer wird den Eheleuten weiß machen, daß eine Hütung ewiger Verhältniſſe ihr Beruf iſt! „Hütung“! Schrecklich! Was heißt hier ewig? Doch nicht die Extenſion der Zeit? Alſo das Einmal Wahre, Wahrgeweſene, durch keine Zukunft zu Vertilgende. Dies iſt grade, was nicht gehütet zu werden braucht. Worte muß man immer von neuem ſichten. —
„Grade wegen der Einfachheit ihrer Verhältniſſe iſt die Moral ſo ſchwierig in der Praxis.“ (S. 454.) Praxis iſt ih- rem Weſen nach komplizirt: Anwendung; alſo Hinderung: nichts als Hinderung, des einfachen Daſeins. Die alte Auf- gabe: die eine in hunderttauſend Geſtalten. —
„Aller unbeſtimmte Reiz“ ꝛc. (S. 454.) Es giebt keinen unbeſtimmten Reiz. —
„Ein Karakter iſt ein vollkommen gebildeter Wille.“ (S. 455.) Nur der vollkommen menſchlichſte iſt ſo. —
S. 455. Vom Gewöhnlichen: ſehr gut! Aller Fehler be- ſteht darin, ſich nicht auf ſich ſelbſt beſinnen zu können.
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„Die Fröhlichkeit löſt allmählig alle Bande.“ (S. 454.)
Weil ſie ein Verhältniß, ein augenblickliches, angenehmes,
aus allen Lebensverhältniſſen gewählt, und für ein allein gül-
tiges angenommen hat, und ſich zur Zeit von ihm beherrſchen
läßt. Richtig. „Daher ſchickt ſie ſich nicht für die Jahre und
Stände, wo die Erhaltung und Befeſtigung jener Bande eine
heilige höhere Pflicht wird. Eheleute dürfen nicht mehr jenen
jugendlichen Feſten beiwohnen. Ein milder Ernſt iſt die ihnen
nöthige Stimmung, und eine klare Beſonnenheit, eine Hütung
ewiger Verhältniſſe ihr Beruf.“ — Pflicht iſt das, wozu unſre
Einſicht uns zwingt. Kein nächſter Vortheil. Wer wird den
Eheleuten weiß machen, daß eine Hütung ewiger Verhältniſſe
ihr Beruf iſt! „Hütung“! Schrecklich! Was heißt hier ewig?
Doch nicht die Extenſion der Zeit? Alſo das Einmal Wahre,
Wahrgeweſene, durch keine Zukunft zu Vertilgende. Dies iſt
grade, was nicht gehütet zu werden braucht. Worte muß
man immer von neuem ſichten. —
„Grade wegen der Einfachheit ihrer Verhältniſſe iſt die
Moral ſo ſchwierig in der Praxis.“ (S. 454.) Praxis iſt ih-
rem Weſen nach komplizirt: Anwendung; alſo Hinderung:
nichts als Hinderung, des einfachen Daſeins. Die alte Auf-
gabe: die eine in hunderttauſend Geſtalten. —
„Aller unbeſtimmte Reiz“ ꝛc. (S. 454.) Es giebt keinen
unbeſtimmten Reiz. —
„Ein Karakter iſt ein vollkommen gebildeter Wille.“ (S.
455.) Nur der vollkommen menſchlichſte iſt ſo. —
S. 455. Vom Gewöhnlichen: ſehr gut! Aller Fehler be-
ſteht darin, ſich nicht auf ſich ſelbſt beſinnen zu können.
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/155>, abgerufen am 27.11.2024.
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