kommt das wieder zum Vorschein, was er über Wilhelm Mei- ster sagt. Das ganze Resultat ist ihm zu trivial: er möchte in einer neuen Natur arbeiten. Es würde aber immer wieder dahin kommen, wenn wir nicht die Dinge, sondern nur Ei- genschaften von ihnen erkennten. Novalis will, daß darin die neue Natur bestände: ich glaube aber, in der neuen Tiefe würden sich wieder tiefere Verhältnisse zu ergründen aufthun. Höheres Glück, und vollständigeres Unglück -- wenn diese Ausdrücke gelten sollen -- und doch vollständigere Zustimmung. Jedoch! alles hiesige Vermuthungen! Die großartigste freu- digste Hoffnung besteht darin, daß wir's nicht ahnden können. Man kann auch so verzweiflen. Ich nicht. Mein Unterpfand ist zu unwiderleglich. Der kleinste Strahl von Verständniß erbaut das Universum. Neigung und Abneigung gar; Kern des absolutesten Seins; der Unentbehrlichkeit des Verstehns schon entrückt. --
"Durch das Eigenthum wird der Besitz veredelt, wie durch die Ehe der körperliche Genuß." (S. 451.) Veredelt. Ist Eigenthum etwas Edles? Nothbehelf. Novalis führt ja selbst die vielfältigsten Verhältnisse vor, wo das Eigenthum Gemein- gut werden sollte. Im Geistesverkehr ist es schon so. --
S. 452. beschreibt er, wie Eheleute sein müssen. Unver- sehns aber lehrt er da, wie Menschen zum Umgang überhaupt sein müssen: aber das ist sehr witzig: denn die Ehe ist ein konzentrirter Umgang; in Nähe, Beständigkeit der Zeit: eine Essenz des Umgangs. --
S. 453. Über Liebe und Eifersucht. Eifersucht ist Besitz- sucht, Besitzirrthum. Kurzweg. --
kommt das wieder zum Vorſchein, was er über Wilhelm Mei- ſter ſagt. Das ganze Reſultat iſt ihm zu trivial: er möchte in einer neuen Natur arbeiten. Es würde aber immer wieder dahin kommen, wenn wir nicht die Dinge, ſondern nur Ei- genſchaften von ihnen erkennten. Novalis will, daß darin die neue Natur beſtände: ich glaube aber, in der neuen Tiefe würden ſich wieder tiefere Verhältniſſe zu ergründen aufthun. Höheres Glück, und vollſtändigeres Unglück — wenn dieſe Ausdrücke gelten ſollen — und doch vollſtändigere Zuſtimmung. Jedoch! alles hieſige Vermuthungen! Die großartigſte freu- digſte Hoffnung beſteht darin, daß wir’s nicht ahnden können. Man kann auch ſo verzweiflen. Ich nicht. Mein Unterpfand iſt zu unwiderleglich. Der kleinſte Strahl von Verſtändniß erbaut das Univerſum. Neigung und Abneigung gar; Kern des abſoluteſten Seins; der Unentbehrlichkeit des Verſtehns ſchon entrückt. —
„Durch das Eigenthum wird der Beſitz veredelt, wie durch die Ehe der körperliche Genuß.“ (S. 451.) Veredelt. Iſt Eigenthum etwas Edles? Nothbehelf. Novalis führt ja ſelbſt die vielfältigſten Verhältniſſe vor, wo das Eigenthum Gemein- gut werden ſollte. Im Geiſtesverkehr iſt es ſchon ſo. —
S. 452. beſchreibt er, wie Eheleute ſein müſſen. Unver- ſehns aber lehrt er da, wie Menſchen zum Umgang überhaupt ſein müſſen: aber das iſt ſehr witzig: denn die Ehe iſt ein konzentrirter Umgang; in Nähe, Beſtändigkeit der Zeit: eine Eſſenz des Umgangs. —
S. 453. Über Liebe und Eiferſucht. Eiferſucht iſt Beſitz- ſucht, Beſitzirrthum. Kurzweg. —
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0154"n="146"/>
kommt das wieder zum Vorſchein, was er über Wilhelm Mei-<lb/>ſter ſagt. Das ganze Reſultat iſt ihm zu trivial: er möchte<lb/>
in einer neuen Natur arbeiten. Es würde aber immer wieder<lb/>
dahin kommen, wenn wir nicht die Dinge, ſondern nur Ei-<lb/>
genſchaften von ihnen erkennten. Novalis will, daß darin<lb/>
die neue Natur beſtände: ich glaube aber, in der neuen Tiefe<lb/>
würden ſich wieder tiefere Verhältniſſe zu ergründen aufthun.<lb/>
Höheres Glück, und vollſtändigeres Unglück — wenn dieſe<lb/>
Ausdrücke gelten ſollen — und doch vollſtändigere Zuſtimmung.<lb/>
Jedoch! alles hieſige Vermuthungen! Die großartigſte freu-<lb/>
digſte Hoffnung beſteht darin, daß wir’s nicht ahnden können.<lb/>
Man kann auch ſo verzweiflen. Ich nicht. Mein Unterpfand<lb/>
iſt zu unwiderleglich. Der kleinſte <hirendition="#g">Strahl</hi> von Verſtändniß<lb/>
erbaut das Univerſum. Neigung und Abneigung gar; Kern<lb/>
des abſoluteſten Seins; der Unentbehrlichkeit des Verſtehns<lb/>ſchon entrückt. —</p><lb/><p>„Durch das Eigenthum wird der Beſitz veredelt, wie durch<lb/>
die Ehe der körperliche Genuß.“ (S. 451.) Veredelt. Iſt<lb/>
Eigenthum etwas Edles? Nothbehelf. Novalis führt ja ſelbſt<lb/>
die vielfältigſten Verhältniſſe vor, wo das Eigenthum Gemein-<lb/>
gut werden ſollte. Im Geiſtesverkehr iſt es ſchon ſo. —</p><lb/><p>S. 452. beſchreibt er, wie Eheleute ſein müſſen. Unver-<lb/>ſehns aber lehrt er da, wie Menſchen zum Umgang überhaupt<lb/>ſein müſſen: aber das iſt ſehr witzig: denn die Ehe iſt ein<lb/>
konzentrirter Umgang; in Nähe, Beſtändigkeit der Zeit: eine<lb/>
Eſſenz des Umgangs. —</p><lb/><p>S. 453. Über Liebe und Eiferſucht. Eiferſucht iſt Beſitz-<lb/>ſucht, Beſitzirrthum. Kurzweg. —</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[146/0154]
kommt das wieder zum Vorſchein, was er über Wilhelm Mei-
ſter ſagt. Das ganze Reſultat iſt ihm zu trivial: er möchte
in einer neuen Natur arbeiten. Es würde aber immer wieder
dahin kommen, wenn wir nicht die Dinge, ſondern nur Ei-
genſchaften von ihnen erkennten. Novalis will, daß darin
die neue Natur beſtände: ich glaube aber, in der neuen Tiefe
würden ſich wieder tiefere Verhältniſſe zu ergründen aufthun.
Höheres Glück, und vollſtändigeres Unglück — wenn dieſe
Ausdrücke gelten ſollen — und doch vollſtändigere Zuſtimmung.
Jedoch! alles hieſige Vermuthungen! Die großartigſte freu-
digſte Hoffnung beſteht darin, daß wir’s nicht ahnden können.
Man kann auch ſo verzweiflen. Ich nicht. Mein Unterpfand
iſt zu unwiderleglich. Der kleinſte Strahl von Verſtändniß
erbaut das Univerſum. Neigung und Abneigung gar; Kern
des abſoluteſten Seins; der Unentbehrlichkeit des Verſtehns
ſchon entrückt. —
„Durch das Eigenthum wird der Beſitz veredelt, wie durch
die Ehe der körperliche Genuß.“ (S. 451.) Veredelt. Iſt
Eigenthum etwas Edles? Nothbehelf. Novalis führt ja ſelbſt
die vielfältigſten Verhältniſſe vor, wo das Eigenthum Gemein-
gut werden ſollte. Im Geiſtesverkehr iſt es ſchon ſo. —
S. 452. beſchreibt er, wie Eheleute ſein müſſen. Unver-
ſehns aber lehrt er da, wie Menſchen zum Umgang überhaupt
ſein müſſen: aber das iſt ſehr witzig: denn die Ehe iſt ein
konzentrirter Umgang; in Nähe, Beſtändigkeit der Zeit: eine
Eſſenz des Umgangs. —
S. 453. Über Liebe und Eiferſucht. Eiferſucht iſt Beſitz-
ſucht, Beſitzirrthum. Kurzweg. —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/154>, abgerufen am 30.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.