als albern, und kindisches Benehmen so sehr zuwider: und noch mehr zuwider, weil dies ein Frevelanspruch an der Er- denkinder Vernunft ist, doch ja unvernünftig sein zu wollen; und zugleich muthlos, und zugleich begränzt und gepanzert gegen wahrhaft göttliche, nicht zu erdenkende Möglichkeiten; die in der Veränderung unseres eigenen Verständnisses bestehen können; und womit, soll davon die Rede sein, wahre Offen- barungen beginnen. --
S. 397. spricht er sehr glücklich vom Wissen: und sagt: "Vollkommenes Wissen ist Überzeugung, und sie ist es, die uns glücklich macht und befriedigt, sie verwandelt das todte Wissen in ein lebendiges." Da kann man lange warten, eh einem solcher Unterschied einfällt; wie lange denkt man da umher, vor solchem tiefen Griff! So lange die Wissen nicht zu uns selbst werden, zu Überzeugung, wie die unserer Existenz zum Beispiel; so sind die Materialien zum Wissen, Leitern, auf denen man zu sich hinab steigt, und unten dann nicht mehr gebraucht. Wie viel solche Leitern mögen wir schon weggeworfen haben, ehe wir zu der jetzigen -- jetzigen -- Voll- ständigkeit unseres Ich's kamen!
"Ich bin ein Berg in Gott, und muß mich selber steigen, Daferne Gott mir soll sein liebes Antlitz zeigen."
Sagt Angelus. Immer dasselbe! Wenn wir wahr sein wol- len, und bis zur Gränze kommen. Immer bietet sich uns dann der große Witz dar, in dem wir hier gefangen sind: das bischen, was uns bewilligt ist, und womit wir die un- endliche Ökonomie treiben müssen; bis zu den größten Voraus- setzungen hin. Das verlorne -- oder zu gewinnende -- Ka-
als albern, und kindiſches Benehmen ſo ſehr zuwider: und noch mehr zuwider, weil dies ein Frevelanſpruch an der Er- denkinder Vernunft iſt, doch ja unvernünftig ſein zu wollen; und zugleich muthlos, und zugleich begränzt und gepanzert gegen wahrhaft göttliche, nicht zu erdenkende Möglichkeiten; die in der Veränderung unſeres eigenen Verſtändniſſes beſtehen können; und womit, ſoll davon die Rede ſein, wahre Offen- barungen beginnen. —
S. 397. ſpricht er ſehr glücklich vom Wiſſen: und ſagt: „Vollkommenes Wiſſen iſt Überzeugung, und ſie iſt es, die uns glücklich macht und befriedigt, ſie verwandelt das todte Wiſſen in ein lebendiges.“ Da kann man lange warten, eh einem ſolcher Unterſchied einfällt; wie lange denkt man da umher, vor ſolchem tiefen Griff! So lange die Wiſſen nicht zu uns ſelbſt werden, zu Überzeugung, wie die unſerer Exiſtenz zum Beiſpiel; ſo ſind die Materialien zum Wiſſen, Leitern, auf denen man zu ſich hinab ſteigt, und unten dann nicht mehr gebraucht. Wie viel ſolche Leitern mögen wir ſchon weggeworfen haben, ehe wir zu der jetzigen — jetzigen — Voll- ſtändigkeit unſeres Ich’s kamen!
„Ich bin ein Berg in Gott, und muß mich ſelber ſteigen, Daferne Gott mir ſoll ſein liebes Antlitz zeigen.“
Sagt Angelus. Immer daſſelbe! Wenn wir wahr ſein wol- len, und bis zur Gränze kommen. Immer bietet ſich uns dann der große Witz dar, in dem wir hier gefangen ſind: das bischen, was uns bewilligt iſt, und womit wir die un- endliche Ökonomie treiben müſſen; bis zu den größten Voraus- ſetzungen hin. Das verlorne — oder zu gewinnende — Ka-
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als albern, und kindiſches Benehmen ſo ſehr zuwider: und
noch mehr zuwider, weil dies ein Frevelanſpruch an der Er-
denkinder Vernunft iſt, doch ja unvernünftig ſein zu wollen;
und zugleich muthlos, und zugleich begränzt und gepanzert
gegen wahrhaft göttliche, nicht zu erdenkende Möglichkeiten;
die in der Veränderung unſeres eigenen Verſtändniſſes beſtehen
können; und womit, ſoll davon die Rede ſein, wahre Offen-
barungen beginnen. —
S. 397. ſpricht er ſehr glücklich vom Wiſſen: und ſagt:
„Vollkommenes Wiſſen iſt Überzeugung, und ſie iſt es, die
uns glücklich macht und befriedigt, ſie verwandelt das
todte Wiſſen in ein lebendiges.“ Da kann man lange
warten, eh einem ſolcher Unterſchied einfällt; wie lange denkt
man da umher, vor ſolchem tiefen Griff! So lange die Wiſſen
nicht zu uns ſelbſt werden, zu Überzeugung, wie die unſerer
Exiſtenz zum Beiſpiel; ſo ſind die Materialien zum Wiſſen,
Leitern, auf denen man zu ſich hinab ſteigt, und unten dann
nicht mehr gebraucht. Wie viel ſolche Leitern mögen wir ſchon
weggeworfen haben, ehe wir zu der jetzigen — jetzigen — Voll-
ſtändigkeit unſeres Ich’s kamen!
„Ich bin ein Berg in Gott, und muß mich ſelber ſteigen,
Daferne Gott mir ſoll ſein liebes Antlitz zeigen.“
Sagt Angelus. Immer daſſelbe! Wenn wir wahr ſein wol-
len, und bis zur Gränze kommen. Immer bietet ſich uns
dann der große Witz dar, in dem wir hier gefangen ſind:
das bischen, was uns bewilligt iſt, und womit wir die un-
endliche Ökonomie treiben müſſen; bis zu den größten Voraus-
ſetzungen hin. Das verlorne — oder zu gewinnende — Ka-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/150>, abgerufen am 27.11.2024.
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