eines sich selbst und alles verstehenden. Die Religionen, die sie sich erfunden haben, schmeicheln den Menschen: daher lieben sie sie. Wir sind noch in dem Paradiese, wo man auf Erkenntniß, durch Denken Verzicht thun muß. Aber sie drücken noch gern Schlängelchen an die Brust! selbstfabrizirte. Wie es mit dem Menschen ist: soll eine höhere Lehre ihm unwidersprechlich darthun; nicht ihm mit einer allegorischen Fabel schmeichlen.
Dann den Abend in dem größten Schnee zu Hause; mir verging dreimal die Luft gänzlich, ich glaubte zu sterben, und rang wie im Wasser. Varnh. glaubte, es sei der Wind, und hielt mir immer den Mantel vor: da wär' ich fast gestorben. Meine Gesundheit ist sehr erschüttert. Keiner sieht's, und will's glauben. Ich war den andern Tag zittrig und krank davon. --
Dienstag, den 4. Januar 1820.
Aßen Dr. Erhard und Koreff hier; blieben bis gegen 7. K. erzählte sehr viel Interessantes: vom Staatskanzler, von Bonn, von vielem. Den Vormittag war ich bei Frau von Humboldt, die ich in mehreren Wochen nicht gesehen hatte. Dort traf ich Sch. und Koreff. Und merkte gar nicht, weil ich es nicht ahndete, daß Sch. böse auf K. ist. Sch. hat lau- ter vorgefaßte Meinungen bei all dem Scharfsinn, den er in sich ansprechen kann. Er hat sich in Wirkungen, die er in Kotterien haben kann, verliebt; und ist von sich selbst abge- kommen. So fand ich auch daß er gegen Frau von H. wohl aufmerksam unzerstreut eine Art von Kour machte; welches
eines ſich ſelbſt und alles verſtehenden. Die Religionen, die ſie ſich erfunden haben, ſchmeicheln den Menſchen: daher lieben ſie ſie. Wir ſind noch in dem Paradieſe, wo man auf Erkenntniß, durch Denken Verzicht thun muß. Aber ſie drücken noch gern Schlängelchen an die Bruſt! ſelbſtfabrizirte. Wie es mit dem Menſchen iſt: ſoll eine höhere Lehre ihm unwiderſprechlich darthun; nicht ihm mit einer allegoriſchen Fabel ſchmeichlen.
Dann den Abend in dem größten Schnee zu Hauſe; mir verging dreimal die Luft gänzlich, ich glaubte zu ſterben, und rang wie im Waſſer. Varnh. glaubte, es ſei der Wind, und hielt mir immer den Mantel vor: da wär’ ich faſt geſtorben. Meine Geſundheit iſt ſehr erſchüttert. Keiner ſieht’s, und will’s glauben. Ich war den andern Tag zittrig und krank davon. —
Dienstag, den 4. Januar 1820.
Aßen Dr. Erhard und Koreff hier; blieben bis gegen 7. K. erzählte ſehr viel Intereſſantes: vom Staatskanzler, von Bonn, von vielem. Den Vormittag war ich bei Frau von Humboldt, die ich in mehreren Wochen nicht geſehen hatte. Dort traf ich Sch. und Koreff. Und merkte gar nicht, weil ich es nicht ahndete, daß Sch. böſe auf K. iſt. Sch. hat lau- ter vorgefaßte Meinungen bei all dem Scharfſinn, den er in ſich anſprechen kann. Er hat ſich in Wirkungen, die er in Kotterien haben kann, verliebt; und iſt von ſich ſelbſt abge- kommen. So fand ich auch daß er gegen Frau von H. wohl aufmerkſam unzerſtreut eine Art von Kour machte; welches
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eines ſich ſelbſt und alles verſtehenden. Die Religionen, die
ſie ſich erfunden haben, ſchmeicheln den Menſchen: daher
lieben ſie ſie. Wir ſind noch in dem Paradieſe, wo man
auf Erkenntniß, durch Denken Verzicht thun muß. Aber ſie
drücken noch gern Schlängelchen an die Bruſt! ſelbſtfabrizirte.
Wie es mit dem Menſchen iſt: ſoll eine höhere Lehre ihm
unwiderſprechlich darthun; nicht ihm mit einer allegoriſchen
Fabel ſchmeichlen.
Dann den Abend in dem größten Schnee zu Hauſe; mir
verging dreimal die Luft gänzlich, ich glaubte zu ſterben, und
rang wie im Waſſer. Varnh. glaubte, es ſei der Wind, und
hielt mir immer den Mantel vor: da wär’ ich faſt geſtorben.
Meine Geſundheit iſt ſehr erſchüttert. Keiner ſieht’s, und
will’s glauben. Ich war den andern Tag zittrig und krank
davon. —
Dienstag, den 4. Januar 1820.
Aßen Dr. Erhard und Koreff hier; blieben bis gegen 7.
K. erzählte ſehr viel Intereſſantes: vom Staatskanzler, von
Bonn, von vielem. Den Vormittag war ich bei Frau von
Humboldt, die ich in mehreren Wochen nicht geſehen hatte.
Dort traf ich Sch. und Koreff. Und merkte gar nicht, weil
ich es nicht ahndete, daß Sch. böſe auf K. iſt. Sch. hat lau-
ter vorgefaßte Meinungen bei all dem Scharfſinn, den er in
ſich anſprechen kann. Er hat ſich in Wirkungen, die er in
Kotterien haben kann, verliebt; und iſt von ſich ſelbſt abge-
kommen. So fand ich auch daß er gegen Frau von H. wohl
aufmerkſam unzerſtreut eine Art von Kour machte; welches
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/12>, abgerufen am 24.11.2024.
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