wird zu der gehörig, von der sie nimmt, in dem Maße sie nimmt: deßwegen entnationen sich die Nationen; und es scheint nur noch, daß sie verschieden sind. Zeichen vom Gegentheil. In Italien kam die Musik zur Blüthe, weil das Volk zu- erst sang.
August 1819.
Den größten Schmerz hab' ich genossen; Das Glück ist wie ein Leid dahin geflossen!
An Frau von R., in Rom.
Baden, den 2. September 1819. Donnerstag Vormittag, drei Viertel auf 12. Kühles feuchtes Wetter nach un- endlichem Regen, mit etwas Sonnendurchbruch, dem nicht zu trauen ist. Die ganze Nacht zitterte ich vor Kälte im Bette.
Treue, theure Frau von R.! Verzeihen Sie meine Pol- tronnerie, ich wünsche Ihnen diese Kälte in Rom! Vorgestern las ich in der Zeitung, man fühle in Rom den bösen Einfluß der Hitze, und es gehen dort jetzt Krankheiten herum. Seit- dem möchte ich lauter Kouriere von Rom ankommen sehen; jeden kühlen Wind einfangen, und ihn Ihnen senden! Um nur irgend eine Art von Ordnung in allem dem zu bekom- men, was ich Ihnen berichten möchte, will ich nur lieber mit dem gegenwärtigen, hiesigen Augenblick anfangen! -- reellste Art, Ihnen meine Dankbarkeit für Ihren Präsent-Brief! zu zeigen. -- Das Wetter sehen Sie vor sich, den Ort kennen Sie -- allerseits, mein' ich. -- Denken Sie sich ihn gefälligst
II. 38
wird zu der gehörig, von der ſie nimmt, in dem Maße ſie nimmt: deßwegen entnationen ſich die Nationen; und es ſcheint nur noch, daß ſie verſchieden ſind. Zeichen vom Gegentheil. In Italien kam die Muſik zur Blüthe, weil das Volk zu- erſt ſang.
Auguſt 1819.
Den größten Schmerz hab’ ich genoſſen; Das Glück iſt wie ein Leid dahin gefloſſen!
An Frau von R., in Rom.
Baden, den 2. September 1819. Donnerstag Vormittag, drei Viertel auf 12. Kühles feuchtes Wetter nach un- endlichem Regen, mit etwas Sonnendurchbruch, dem nicht zu trauen iſt. Die ganze Nacht zitterte ich vor Kälte im Bette.
Treue, theure Frau von R.! Verzeihen Sie meine Pol- tronnerie, ich wünſche Ihnen dieſe Kälte in Rom! Vorgeſtern las ich in der Zeitung, man fühle in Rom den böſen Einfluß der Hitze, und es gehen dort jetzt Krankheiten herum. Seit- dem möchte ich lauter Kouriere von Rom ankommen ſehen; jeden kühlen Wind einfangen, und ihn Ihnen ſenden! Um nur irgend eine Art von Ordnung in allem dem zu bekom- men, was ich Ihnen berichten möchte, will ich nur lieber mit dem gegenwärtigen, hieſigen Augenblick anfangen! — reellſte Art, Ihnen meine Dankbarkeit für Ihren Präſent-Brief! zu zeigen. — Das Wetter ſehen Sie vor ſich, den Ort kennen Sie — allerſeits, mein’ ich. — Denken Sie ſich ihn gefälligſt
II. 38
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0601"n="593"/>
wird zu der gehörig, von der ſie nimmt, in dem Maße ſie<lb/>
nimmt: deßwegen entnationen ſich die Nationen; und es ſcheint<lb/>
nur noch, daß ſie verſchieden ſind. Zeichen vom Gegentheil.<lb/>
In Italien kam die Muſik zur Blüthe, weil das Volk <hirendition="#g">zu-<lb/>
erſt</hi>ſang.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Auguſt 1819.</hi></dateline><lb/><lgtype="poem"><l>Den größten Schmerz hab’ ich genoſſen;</l><lb/><l>Das Glück iſt wie ein Leid dahin gefloſſen!</l></lg></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Frau von R., in Rom.</head><lb/><divn="3"><dateline><hirendition="#et">Baden, den 2. September 1819. Donnerstag Vormittag,<lb/>
drei Viertel auf 12. Kühles feuchtes Wetter nach un-<lb/>
endlichem Regen, mit etwas Sonnendurchbruch, dem<lb/>
nicht zu trauen iſt. Die ganze Nacht zitterte ich vor<lb/>
Kälte im Bette.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#g">Treue</hi>, theure Frau von R.! Verzeihen Sie meine Pol-<lb/>
tronnerie, ich wünſche Ihnen dieſe Kälte in Rom! Vorgeſtern<lb/>
las ich in der Zeitung, man fühle in Rom den böſen Einfluß<lb/>
der Hitze, und es gehen dort jetzt Krankheiten herum. Seit-<lb/>
dem möchte ich lauter Kouriere von Rom ankommen ſehen;<lb/>
jeden kühlen Wind einfangen, und ihn Ihnen ſenden! Um<lb/>
nur irgend eine Art von Ordnung in allem dem zu bekom-<lb/>
men, was ich Ihnen berichten möchte, will ich nur lieber mit<lb/>
dem gegenwärtigen, <hirendition="#g">hieſigen</hi> Augenblick anfangen! — reellſte<lb/>
Art, Ihnen meine Dankbarkeit für Ihren <hirendition="#g">Präſent</hi>-Brief!<lb/>
zu zeigen. — Das Wetter ſehen Sie vor ſich, den Ort kennen<lb/>
Sie —<hirendition="#g">allerſ</hi>eits, mein’ ich. — Denken Sie ſich ihn gefälligſt<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">II.</hi> 38</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[593/0601]
wird zu der gehörig, von der ſie nimmt, in dem Maße ſie
nimmt: deßwegen entnationen ſich die Nationen; und es ſcheint
nur noch, daß ſie verſchieden ſind. Zeichen vom Gegentheil.
In Italien kam die Muſik zur Blüthe, weil das Volk zu-
erſt ſang.
Auguſt 1819.
Den größten Schmerz hab’ ich genoſſen;
Das Glück iſt wie ein Leid dahin gefloſſen!
An Frau von R., in Rom.
Baden, den 2. September 1819. Donnerstag Vormittag,
drei Viertel auf 12. Kühles feuchtes Wetter nach un-
endlichem Regen, mit etwas Sonnendurchbruch, dem
nicht zu trauen iſt. Die ganze Nacht zitterte ich vor
Kälte im Bette.
Treue, theure Frau von R.! Verzeihen Sie meine Pol-
tronnerie, ich wünſche Ihnen dieſe Kälte in Rom! Vorgeſtern
las ich in der Zeitung, man fühle in Rom den böſen Einfluß
der Hitze, und es gehen dort jetzt Krankheiten herum. Seit-
dem möchte ich lauter Kouriere von Rom ankommen ſehen;
jeden kühlen Wind einfangen, und ihn Ihnen ſenden! Um
nur irgend eine Art von Ordnung in allem dem zu bekom-
men, was ich Ihnen berichten möchte, will ich nur lieber mit
dem gegenwärtigen, hieſigen Augenblick anfangen! — reellſte
Art, Ihnen meine Dankbarkeit für Ihren Präſent-Brief!
zu zeigen. — Das Wetter ſehen Sie vor ſich, den Ort kennen
Sie — allerſeits, mein’ ich. — Denken Sie ſich ihn gefälligſt
II. 38
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/601>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.