Adieu! theuerster und einziger und immer lieberer Freund! In jedem Fall sehe ich dich bald.
Deine R.
Wie dacht' ich in dem üppigen, Licht und Schatten hegen- den Lichtenthal an dich gestern! --
An Varnhagen, in Karlsruhe.
Baden, Mittag 12 Uhr. Mittwoch den 21. Juli 1819.
Mord-Schlagregen, der nie wieder aufhören kann: grau, so weit die Blicke reichen; und obgleich es seit gestern halb 9 reg- net, so ist er noch immer heftig.
Das gestrige Wetter beschrieb ich dir; so wechselte wahr- haft kalter Wind mit drückender Sirocco-Luft schnell und oft ab. Um ein Viertel auf 7, ich war eben mit Gräfin Mülli- nen von einer Lichtenfahrt heimgekommen -- die mir grade gnügt, und recht ist -- als ein solcher Sturm entstand, daß ich einen Moment für's Haus fürchtete; schnell war er vor- über, und hatte die drückenden Wolken auseinander getrieben, und etwas Luft gemacht. Ich ging zu Zepelins, und Robert und Andere nach dem Saal; und war, da es doch wieder regnigt wurde, unentschieden über's Konzert, Berge steigen, zwei Florin zahlen, naß werden! -- Aber in der Saalthüre begegnete mir Zepelin, und fragte mich, ob ich mit in's Kon- zert wollte, redte mir zu, du kennst meine Schwäche, meine Sänger- -- wie Schmetterlings- -- Sammlung, ich ließ mich gleich bereden; ging nur zu den Damen, und sagte ihnen, daß ich weggehe: und versprach, nach dem Konzert zur Grä- fin Zepelin zu kommen. Hinauf mit dem Mann! Passabel
Adieu! theuerſter und einziger und immer lieberer Freund! In jedem Fall ſehe ich dich bald.
Deine R.
Wie dacht’ ich in dem üppigen, Licht und Schatten hegen- den Lichtenthal an dich geſtern! —
An Varnhagen, in Karlsruhe.
Baden, Mittag 12 Uhr. Mittwoch den 21. Juli 1819.
Mord-Schlagregen, der nie wieder aufhören kann: grau, ſo weit die Blicke reichen; und obgleich es ſeit geſtern halb 9 reg- net, ſo iſt er noch immer heftig.
Das geſtrige Wetter beſchrieb ich dir; ſo wechſelte wahr- haft kalter Wind mit drückender Sirocco-Luft ſchnell und oft ab. Um ein Viertel auf 7, ich war eben mit Gräfin Mülli- nen von einer Lichtenfahrt heimgekommen — die mir grade gnügt, und recht iſt — als ein ſolcher Sturm entſtand, daß ich einen Moment für’s Haus fürchtete; ſchnell war er vor- über, und hatte die drückenden Wolken auseinander getrieben, und etwas Luft gemacht. Ich ging zu Zepelins, und Robert und Andere nach dem Saal; und war, da es doch wieder regnigt wurde, unentſchieden über’s Konzert, Berge ſteigen, zwei Florin zahlen, naß werden! — Aber in der Saalthüre begegnete mir Zepelin, und fragte mich, ob ich mit in’s Kon- zert wollte, redte mir zu, du kennſt meine Schwäche, meine Sänger- — wie Schmetterlings- — Sammlung, ich ließ mich gleich bereden; ging nur zu den Damen, und ſagte ihnen, daß ich weggehe: und verſprach, nach dem Konzert zur Grä- fin Zepelin zu kommen. Hinauf mit dem Mann! Paſſabel
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Adieu! theuerſter und einziger und immer lieberer Freund!
In jedem Fall ſehe ich dich bald.
Deine R.
Wie dacht’ ich in dem üppigen, Licht und Schatten hegen-
den Lichtenthal an dich geſtern! —
An Varnhagen, in Karlsruhe.
Baden, Mittag 12 Uhr. Mittwoch den 21. Juli 1819.
Mord-Schlagregen, der nie wieder aufhören kann: grau, ſo
weit die Blicke reichen; und obgleich es ſeit geſtern halb 9 reg-
net, ſo iſt er noch immer heftig.
Das geſtrige Wetter beſchrieb ich dir; ſo wechſelte wahr-
haft kalter Wind mit drückender Sirocco-Luft ſchnell und oft
ab. Um ein Viertel auf 7, ich war eben mit Gräfin Mülli-
nen von einer Lichtenfahrt heimgekommen — die mir grade
gnügt, und recht iſt — als ein ſolcher Sturm entſtand, daß
ich einen Moment für’s Haus fürchtete; ſchnell war er vor-
über, und hatte die drückenden Wolken auseinander getrieben,
und etwas Luft gemacht. Ich ging zu Zepelins, und Robert
und Andere nach dem Saal; und war, da es doch wieder
regnigt wurde, unentſchieden über’s Konzert, Berge ſteigen,
zwei Florin zahlen, naß werden! — Aber in der Saalthüre
begegnete mir Zepelin, und fragte mich, ob ich mit in’s Kon-
zert wollte, redte mir zu, du kennſt meine Schwäche, meine
Sänger- — wie Schmetterlings- — Sammlung, ich ließ mich
gleich bereden; ging nur zu den Damen, und ſagte ihnen,
daß ich weggehe: und verſprach, nach dem Konzert zur Grä-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/591>, abgerufen am 22.11.2024.
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