halten zu Kloten, Dienstags, den 18. Weinmonats 1791. Text: aus dem Briefe des Heiligen Paulus an die Römer, dem XII. Kapitel, Vers 12. "Seid fröhlich in der Hoffnung -- geduldig in der Trübsal -- verharret im Gebete!" Diese Traupredigt ist nun sehr groß, und obzwar weitläufig, und für schwerverstehende Menschen abgefaßt, wie mir's scheint,[ - 1 Zeichen fehlt] voller schöner Gedanken, oft sehr schön und ursprünglich aus- gedrückt: so spricht er auch lang und breit, möchte ich sagen, und sehr schön über's Gebet; ich fand diese vortreffliche Stelle; und dachte gleich dabei, daß ich sie für Sie abschreiben will, vor ungefähr vierzehn Tagen, als ich sie las, da ich Ihnen das Buch nicht schicken, Sie es wahrscheinlich nicht haben kön- nen; mir hat's ein Freund von Lavater geliehen: der Kirchen- rath Ewald hier: dem Lavater noch auf den Titel mit eigener Hand schrieb; die frappant der meines Vaters gleicht. Hier ist die schöne Stelle! -- wo gleich hinterher noch vieles über's Gebet nachkommt, dem ich nicht beipflichten kann; welches aber sehr in Ihrem Sinn darüber ist. Sie können denken wie es mir auffiel in Ihrem letzten Brief, -- den ich vor drei oder vier Tagen richtig nach sieben Tagen seiner Geburt er- hielt --, da ich Ihnen in der Antwort, die ich Ihnen schon auf einen schuldig war, die Stelle die hier folgt schicken wollte:
"Verharret im Gebete! Soll ich dies Wort erklären? Ist es nicht überflüssig, dem Weisen zu sagen, was Weisheit sei? den Liebenden zu belehren, was Liebe -- und dem Beter zu erklären, was Gebet sei? -- Dennoch hört der Weise gern von Weisheit, der Liebende gern von der Liebe sprechen, und der Beter gern vom Gebete."
halten zu Kloten, Dienstags, den 18. Weinmonats 1791. Text: aus dem Briefe des Heiligen Paulus an die Römer, dem XII. Kapitel, Vers 12. „Seid fröhlich in der Hoffnung — geduldig in der Trübſal — verharret im Gebete!“ Dieſe Traupredigt iſt nun ſehr groß, und obzwar weitläufig, und für ſchwerverſtehende Menſchen abgefaßt, wie mir’s ſcheint,[ – 1 Zeichen fehlt] voller ſchöner Gedanken, oft ſehr ſchön und urſprünglich aus- gedrückt: ſo ſpricht er auch lang und breit, möchte ich ſagen, und ſehr ſchön über’s Gebet; ich fand dieſe vortreffliche Stelle; und dachte gleich dabei, daß ich ſie für Sie abſchreiben will, vor ungefähr vierzehn Tagen, als ich ſie las, da ich Ihnen das Buch nicht ſchicken, Sie es wahrſcheinlich nicht haben kön- nen; mir hat’s ein Freund von Lavater geliehen: der Kirchen- rath Ewald hier: dem Lavater noch auf den Titel mit eigener Hand ſchrieb; die frappant der meines Vaters gleicht. Hier iſt die ſchöne Stelle! — wo gleich hinterher noch vieles über’s Gebet nachkommt, dem ich nicht beipflichten kann; welches aber ſehr in Ihrem Sinn darüber iſt. Sie können denken wie es mir auffiel in Ihrem letzten Brief, — den ich vor drei oder vier Tagen richtig nach ſieben Tagen ſeiner Geburt er- hielt —, da ich Ihnen in der Antwort, die ich Ihnen ſchon auf einen ſchuldig war, die Stelle die hier folgt ſchicken wollte:
„Verharret im Gebete! Soll ich dies Wort erklären? Iſt es nicht überflüſſig, dem Weiſen zu ſagen, was Weisheit ſei? den Liebenden zu belehren, was Liebe — und dem Beter zu erklären, was Gebet ſei? — Dennoch hört der Weiſe gern von Weisheit, der Liebende gern von der Liebe ſprechen, und der Beter gern vom Gebete.“
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halten zu Kloten, Dienstags, den 18. Weinmonats 1791.
Text: aus dem Briefe des Heiligen Paulus an die Römer,
dem XII. Kapitel, Vers 12. „Seid fröhlich in der Hoffnung —
geduldig in der Trübſal — verharret im Gebete!“ Dieſe
Traupredigt iſt nun ſehr groß, und obzwar weitläufig, und
für ſchwerverſtehende Menſchen abgefaßt, wie mir’s ſcheint,_
voller ſchöner Gedanken, oft ſehr ſchön und urſprünglich aus-
gedrückt: ſo ſpricht er auch lang und breit, möchte ich ſagen,
und ſehr ſchön über’s Gebet; ich fand dieſe vortreffliche Stelle;
und dachte gleich dabei, daß ich ſie für Sie abſchreiben will,
vor ungefähr vierzehn Tagen, als ich ſie las, da ich Ihnen
das Buch nicht ſchicken, Sie es wahrſcheinlich nicht haben kön-
nen; mir hat’s ein Freund von Lavater geliehen: der Kirchen-
rath Ewald hier: dem Lavater noch auf den Titel mit eigener
Hand ſchrieb; die frappant der meines Vaters gleicht. Hier
iſt die ſchöne Stelle! — wo gleich hinterher noch vieles über’s
Gebet nachkommt, dem ich nicht beipflichten kann; welches
aber ſehr in Ihrem Sinn darüber iſt. Sie können denken
wie es mir auffiel in Ihrem letzten Brief, — den ich vor drei
oder vier Tagen richtig nach ſieben Tagen ſeiner Geburt er-
hielt —, da ich Ihnen in der Antwort, die ich Ihnen ſchon auf
einen ſchuldig war, die Stelle die hier folgt ſchicken wollte:
„Verharret im Gebete! Soll ich dies Wort erklären?
Iſt es nicht überflüſſig, dem Weiſen zu ſagen, was Weisheit
ſei? den Liebenden zu belehren, was Liebe — und dem Beter
zu erklären, was Gebet ſei? — Dennoch hört der Weiſe gern
von Weisheit, der Liebende gern von der Liebe ſprechen, und
der Beter gern vom Gebete.“
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/445>, abgerufen am 21.11.2024.
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