wollen für diese Tiefe; ich bin aber in's Leben gestellt mit al- len meinen Sinnen, und vermag durch sie hindurch zu füh- len nach unendlichem Genuß der Dinge und meiner, und des Daseins, mir bekannt, und freundlich, und intim, durch sie, und diese Welt, und beider Bewegung: die mir auch eine gott- gegebene bleibt, so gut als diese Zeit eine Ewigkeit, und schon eine Zukunft, so gut als die zukünftige Zukunft; ich lasse diese Welt nicht ohne Schmerz, und nichts in ihr. Bin ich zur Buße hier, so ist sie das; aber meine Anweisung, die Mög- lichkeit, auch hier zu leben, verlass' ich nicht. Es kann hier unendlich alles gelingen: und es giebt sehr gelungene Menschenleben, im Leben -- nicht im Lassen des Lebens -- von denen wir nichts wissen und erfahren, oder es nicht be- achten. Auch ist die bloße Möglichkeit ganz genug. Schöne harmonische Gaben gehören dazu -- wir wie ich uns beschrieb -- gestellt in harmonische rein wiederklingende Lage. Klima, El- tern, Land, alles mitgerechnet. Womit hab' ich mir, zum Beispiel, hier wohl das Glück verdient, von dem ich vorhin sprach, mich ohnerachtet aller Geisteszweifel und Fragen, die wir nicht befriedigen können, und ich nie mit stupider Will- kür hemme, mich wie auf Meeren von tiefster innrer Ruhe getragen zu fühlen: als regiert' ich mit. Ein solch Gefühl zu haben, das bracht' ich mit; das ist alter Erwerb: und sollte man nicht hoch und reich begabt auch hierher kommen können? Solchen Unterschied denk' ich mir auf keiner Stelle, des un- endlichsten Geistes Schöpfung. Allenthalben ist ein ewiges Entwicklen und Sein; Leiden, Wissen, Werden, Genießen; und Höllenpfuhle, wie Paradiese, können allenthalben und zu
wollen für dieſe Tiefe; ich bin aber in’s Leben geſtellt mit al- len meinen Sinnen, und vermag durch ſie hindurch zu füh- len nach unendlichem Genuß der Dinge und meiner, und des Daſeins, mir bekannt, und freundlich, und intim, durch ſie, und dieſe Welt, und beider Bewegung: die mir auch eine gott- gegebene bleibt, ſo gut als dieſe Zeit eine Ewigkeit, und ſchon eine Zukunft, ſo gut als die zukünftige Zukunft; ich laſſe dieſe Welt nicht ohne Schmerz, und nichts in ihr. Bin ich zur Buße hier, ſo iſt ſie das; aber meine Anweiſung, die Mög- lichkeit, auch hier zu leben, verlaſſ’ ich nicht. Es kann hier unendlich alles gelingen: und es giebt ſehr gelungene Menſchenleben, im Leben — nicht im Laſſen des Lebens — von denen wir nichts wiſſen und erfahren, oder es nicht be- achten. Auch iſt die bloße Möglichkeit ganz genug. Schöne harmoniſche Gaben gehören dazu — wir wie ich uns beſchrieb — geſtellt in harmoniſche rein wiederklingende Lage. Klima, El- tern, Land, alles mitgerechnet. Womit hab’ ich mir, zum Beiſpiel, hier wohl das Glück verdient, von dem ich vorhin ſprach, mich ohnerachtet aller Geiſteszweifel und Fragen, die wir nicht befriedigen können, und ich nie mit ſtupider Will- kür hemme, mich wie auf Meeren von tiefſter innrer Ruhe getragen zu fühlen: als regiert’ ich mit. Ein ſolch Gefühl zu haben, das bracht’ ich mit; das iſt alter Erwerb: und ſollte man nicht hoch und reich begabt auch hierher kommen können? Solchen Unterſchied denk’ ich mir auf keiner Stelle, des un- endlichſten Geiſtes Schöpfung. Allenthalben iſt ein ewiges Entwicklen und Sein; Leiden, Wiſſen, Werden, Genießen; und Höllenpfuhle, wie Paradieſe, können allenthalben und zu
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0437"n="429"/>
wollen für dieſe Tiefe; ich bin aber in’s Leben geſtellt mit al-<lb/>
len meinen Sinnen, und vermag <hirendition="#g">durch ſie</hi> hindurch zu füh-<lb/>
len nach unendlichem Genuß der Dinge und meiner, und des<lb/>
Daſeins, mir bekannt, und freundlich, und intim, durch ſie,<lb/>
und dieſe Welt, und beider Bewegung: die mir auch eine gott-<lb/>
gegebene bleibt, ſo gut als dieſe Zeit eine Ewigkeit, und <hirendition="#g">ſchon</hi><lb/>
eine Zukunft, ſo gut als die zukünftige Zukunft; ich laſſe dieſe<lb/>
Welt nicht ohne Schmerz, und nichts in ihr. <hirendition="#g">Bin</hi> ich zur<lb/>
Buße hier, ſo iſt ſie das; aber meine <hirendition="#g">Anweiſung</hi>, die Mög-<lb/>
lichkeit, auch <hirendition="#g">hier</hi> zu <hirendition="#g">leben</hi>, verlaſſ’ ich <hirendition="#g">nicht</hi>. Es kann<lb/>
hier unendlich alles gelingen: und es giebt ſehr gelungene<lb/>
Menſchenleben, im Leben — nicht im <hirendition="#g">Laſſen</hi> des Lebens —<lb/>
von denen wir nichts wiſſen und erfahren, oder es nicht be-<lb/>
achten. Auch iſt die bloße <hirendition="#g">Möglichkeit</hi> ganz genug. Schöne<lb/>
harmoniſche Gaben gehören dazu —<hirendition="#g">wir</hi> wie ich uns beſchrieb —<lb/>
geſtellt in harmoniſche rein wiederklingende Lage. Klima, El-<lb/>
tern, Land, <hirendition="#g">alles</hi> mitgerechnet. Womit hab’ ich mir, zum<lb/>
Beiſpiel, hier wohl das Glück verdient, von dem ich vorhin<lb/>ſprach, mich ohnerachtet aller Geiſteszweifel und Fragen, die<lb/>
wir nicht befriedigen können, und ich nie mit ſtupider <hirendition="#g">Will-</hi><lb/>
kür hemme, mich wie auf Meeren von tiefſter innrer Ruhe<lb/>
getragen zu fühlen: als regiert’ ich <hirendition="#g">mit</hi>. Ein ſolch Gefühl<lb/>
zu haben, das bracht’ ich <hirendition="#g">mit</hi>; das iſt alter Erwerb: und ſollte<lb/>
man nicht hoch und reich begabt auch hierher kommen können?<lb/>
Solchen Unterſchied denk’ ich mir auf keiner Stelle, des un-<lb/>
endlichſten Geiſtes Schöpfung. <hirendition="#g">Allent</hi>halben iſt ein ewiges<lb/>
Entwicklen und Sein; Leiden, Wiſſen, Werden, Genießen;<lb/>
und Höllenpfuhle, wie Paradieſe, können allenthalben und zu<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[429/0437]
wollen für dieſe Tiefe; ich bin aber in’s Leben geſtellt mit al-
len meinen Sinnen, und vermag durch ſie hindurch zu füh-
len nach unendlichem Genuß der Dinge und meiner, und des
Daſeins, mir bekannt, und freundlich, und intim, durch ſie,
und dieſe Welt, und beider Bewegung: die mir auch eine gott-
gegebene bleibt, ſo gut als dieſe Zeit eine Ewigkeit, und ſchon
eine Zukunft, ſo gut als die zukünftige Zukunft; ich laſſe dieſe
Welt nicht ohne Schmerz, und nichts in ihr. Bin ich zur
Buße hier, ſo iſt ſie das; aber meine Anweiſung, die Mög-
lichkeit, auch hier zu leben, verlaſſ’ ich nicht. Es kann
hier unendlich alles gelingen: und es giebt ſehr gelungene
Menſchenleben, im Leben — nicht im Laſſen des Lebens —
von denen wir nichts wiſſen und erfahren, oder es nicht be-
achten. Auch iſt die bloße Möglichkeit ganz genug. Schöne
harmoniſche Gaben gehören dazu — wir wie ich uns beſchrieb —
geſtellt in harmoniſche rein wiederklingende Lage. Klima, El-
tern, Land, alles mitgerechnet. Womit hab’ ich mir, zum
Beiſpiel, hier wohl das Glück verdient, von dem ich vorhin
ſprach, mich ohnerachtet aller Geiſteszweifel und Fragen, die
wir nicht befriedigen können, und ich nie mit ſtupider Will-
kür hemme, mich wie auf Meeren von tiefſter innrer Ruhe
getragen zu fühlen: als regiert’ ich mit. Ein ſolch Gefühl
zu haben, das bracht’ ich mit; das iſt alter Erwerb: und ſollte
man nicht hoch und reich begabt auch hierher kommen können?
Solchen Unterſchied denk’ ich mir auf keiner Stelle, des un-
endlichſten Geiſtes Schöpfung. Allenthalben iſt ein ewiges
Entwicklen und Sein; Leiden, Wiſſen, Werden, Genießen;
und Höllenpfuhle, wie Paradieſe, können allenthalben und zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/437>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.