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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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zogenen Salatstreifen, oder sonstigen Küchenkräutern, die ich
nicht ganz unterscheiden kann. Dieses Gärtchen, und vier bis
fünf Sonnenblicke, die ich, seit ich hier bin, theils auf den
Wald fallen sah, und theils auf die Thürme, die ich aus mei-
nen Vorderfenstern sehe, kann ich schwören, ist alle Sinneser-
frischung, die ich hier genoß; diese Blicke knüpfen mich an
mein voriges Leben, und dieses nur bringt mir noch eine sinn-
liche
Ahndung von Zukunft hervor, und auch wie ein Hell-
und Dunkelschein, schnell durch die Seele ziehend. Dieser Um-
stand erinnert mich an die Geistesaufschlüsse, die Jakob Böhme
beim Anblick eines blanken zinnernen Tellers gehabt haben
soll; welches mich schon vor fünf oder sechs Jahren, wo ich
es zuerst hörte, nicht wunderte, weil ich von jeher Ähnliches
in mir erfahren hatte. In Beziehung auf meinen Zustand, und
meines Gärtchens hier, freute es mich zwiefach, in Ihrem
Briefe zu lesen, daß Sie in Ihrer Normandie, in Ihrer Ein-
samkeit, eines ähnlichen Anblicks genießen; der Ihnen auch
Ähnliches -- wenigstens -- in der Seele aufregen muß.
Solches nun, und die Briefe, die ich hier erhalte, erregen mich
auch hier nur allein, Und nun kein Wort mehr, von meinem
Aufenthalt, von Schicksal, und all solchen Dingen! Ich habe
es mir bis zur Eoidenz durch mein langes Leben durch, erör-
tert, daß es stärker ist, als wir, und alles; und unterwerfe
mich nun, wenigstens stumm. So sehr lange mein Recht ihm
zu beweisen, ennuyirt mich auch bei dieser hohen Person: und
ich habe schon längst im Scherz gesagt, und im Ernst ge-
meint: "Ich stelle mich den jüngsten Tag nur um mein Un-
recht zu vernehmen, zu büßen, gut zu machen; das was mir

zogenen Salatſtreifen, oder ſonſtigen Küchenkräutern, die ich
nicht ganz unterſcheiden kann. Dieſes Gärtchen, und vier bis
fünf Sonnenblicke, die ich, ſeit ich hier bin, theils auf den
Wald fallen ſah, und theils auf die Thürme, die ich aus mei-
nen Vorderfenſtern ſehe, kann ich ſchwören, iſt alle Sinneser-
friſchung, die ich hier genoß; dieſe Blicke knüpfen mich an
mein voriges Leben, und dieſes nur bringt mir noch eine ſinn-
liche
Ahndung von Zukunft hervor, und auch wie ein Hell-
und Dunkelſchein, ſchnell durch die Seele ziehend. Dieſer Um-
ſtand erinnert mich an die Geiſtesaufſchlüſſe, die Jakob Böhme
beim Anblick eines blanken zinnernen Tellers gehabt haben
ſoll; welches mich ſchon vor fünf oder ſechs Jahren, wo ich
es zuerſt hörte, nicht wunderte, weil ich von jeher Ähnliches
in mir erfahren hatte. In Beziehung auf meinen Zuſtand, und
meines Gärtchens hier, freute es mich zwiefach, in Ihrem
Briefe zu leſen, daß Sie in Ihrer Normandie, in Ihrer Ein-
ſamkeit, eines ähnlichen Anblicks genießen; der Ihnen auch
Ähnliches — wenigſtens — in der Seele aufregen muß.
Solches nun, und die Briefe, die ich hier erhalte, erregen mich
auch hier nur allein, Und nun kein Wort mehr, von meinem
Aufenthalt, von Schickſal, und all ſolchen Dingen! Ich habe
es mir bis zur Eoidenz durch mein langes Leben durch, erör-
tert, daß es ſtärker iſt, als wir, und alles; und unterwerfe
mich nun, wenigſtens ſtumm. So ſehr lange mein Recht ihm
zu beweiſen, ennuyirt mich auch bei dieſer hohen Perſon: und
ich habe ſchon längſt im Scherz geſagt, und im Ernſt ge-
meint: „Ich ſtelle mich den jüngſten Tag nur um mein Un-
recht zu vernehmen, zu büßen, gut zu machen; das was mir

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[427/0435] zogenen Salatſtreifen, oder ſonſtigen Küchenkräutern, die ich nicht ganz unterſcheiden kann. Dieſes Gärtchen, und vier bis fünf Sonnenblicke, die ich, ſeit ich hier bin, theils auf den Wald fallen ſah, und theils auf die Thürme, die ich aus mei- nen Vorderfenſtern ſehe, kann ich ſchwören, iſt alle Sinneser- friſchung, die ich hier genoß; dieſe Blicke knüpfen mich an mein voriges Leben, und dieſes nur bringt mir noch eine ſinn- liche Ahndung von Zukunft hervor, und auch wie ein Hell- und Dunkelſchein, ſchnell durch die Seele ziehend. Dieſer Um- ſtand erinnert mich an die Geiſtesaufſchlüſſe, die Jakob Böhme beim Anblick eines blanken zinnernen Tellers gehabt haben ſoll; welches mich ſchon vor fünf oder ſechs Jahren, wo ich es zuerſt hörte, nicht wunderte, weil ich von jeher Ähnliches in mir erfahren hatte. In Beziehung auf meinen Zuſtand, und meines Gärtchens hier, freute es mich zwiefach, in Ihrem Briefe zu leſen, daß Sie in Ihrer Normandie, in Ihrer Ein- ſamkeit, eines ähnlichen Anblicks genießen; der Ihnen auch Ähnliches — wenigſtens — in der Seele aufregen muß. Solches nun, und die Briefe, die ich hier erhalte, erregen mich auch hier nur allein, Und nun kein Wort mehr, von meinem Aufenthalt, von Schickſal, und all ſolchen Dingen! Ich habe es mir bis zur Eoidenz durch mein langes Leben durch, erör- tert, daß es ſtärker iſt, als wir, und alles; und unterwerfe mich nun, wenigſtens ſtumm. So ſehr lange mein Recht ihm zu beweiſen, ennuyirt mich auch bei dieſer hohen Perſon: und ich habe ſchon längſt im Scherz geſagt, und im Ernſt ge- meint: „Ich ſtelle mich den jüngſten Tag nur um mein Un- recht zu vernehmen, zu büßen, gut zu machen; das was mir

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/435>, abgerufen am 22.12.2024.