reizend, zum Glück! Nun ich auf mich gekommen bin; ge- nug! Das Theater amüsirt mich hier genug! ("Ziemlich" gefällt mir nicht: und "sehr" auch nicht.) Müller ist oft sehr gut, Heck ganz vortrefflich. Mayer manchmal gut, nie eine Rolle durch; er hatte gewiß das Unglück, zuerst in Kostüm und nicht in Konversationsstücken zu spielen; um dies zu verdauen, gehört ein kräftiger Talent. Nämlich, reichere, gewandtere Einbildungskraft, ein schwerer Herz. Seine Stimme hat Töne, seine Gestalt einen schön gestellten Kopf: auch hat er einen Blick. Sontag ist in italiänischen Opern sehr gut. Eine Dlle. Pohlmann, recht sehr viele Anlagen; sie singt nie schlecht, könnte vortrefflich singen, ist hübsch, nicht ohne Sinn, nie ge- mein, sehr jugendlich. Diese alle zusammen machen, daß ich meist hinhören muß; die Stücke beurtheile, belache, beweine ich auch. Das Haus gefällt mir ungemein, ich kenne kein angenehmeres, den Eingang schon mitgerechnet, der großartig ist, unsere Loge ist mir bequem; kurz, das Theater werde ich in Karlsruhe vermissen. Mlle. Beck hat sich sehr gebessert. Sie spielte eine Herzogin in Ubaldo, wo ich sie mit zu dem Größten rechne was ich sah; sie spielte auch Lady Milford vortrefflich, und die Scene, wo sie den Major erwartet, besser als Sie und die Bethmann. Das ist kein Spaß. Die Schuld spielte sie in der letzten heftigen Manier der Bethmann nicht im geringsten knechtisch nach: da würde mir auch die theuer geliebte todte Herzensfreundinn nicht gefallen haben. Dies sag' ich so gerührt, als sagt' ich's ihr selbst dahin wo sie ist! -- Im Schutzgeist sang sie im hohen und tiefern Lei- terton die ganze ewige Rolle sentenzisch donnernd her. Dies
reizend, zum Glück! Nun ich auf mich gekommen bin; ge- nug! Das Theater amüſirt mich hier genug! („Ziemlich“ gefällt mir nicht: und „ſehr“ auch nicht.) Müller iſt oft ſehr gut, Heck ganz vortrefflich. Mayer manchmal gut, nie eine Rolle durch; er hatte gewiß das Unglück, zuerſt in Koſtüm und nicht in Konverſationsſtücken zu ſpielen; um dies zu verdauen, gehört ein kräftiger Talent. Nämlich, reichere, gewandtere Einbildungskraft, ein ſchwerer Herz. Seine Stimme hat Töne, ſeine Geſtalt einen ſchön geſtellten Kopf: auch hat er einen Blick. Sontag iſt in italiäniſchen Opern ſehr gut. Eine Dlle. Pohlmann, recht ſehr viele Anlagen; ſie ſingt nie ſchlecht, könnte vortrefflich ſingen, iſt hübſch, nicht ohne Sinn, nie ge- mein, ſehr jugendlich. Dieſe alle zuſammen machen, daß ich meiſt hinhören muß; die Stücke beurtheile, belache, beweine ich auch. Das Haus gefällt mir ungemein, ich kenne kein angenehmeres, den Eingang ſchon mitgerechnet, der großartig iſt, unſere Loge iſt mir bequem; kurz, das Theater werde ich in Karlsruhe vermiſſen. Mlle. Beck hat ſich ſehr gebeſſert. Sie ſpielte eine Herzogin in Ubaldo, wo ich ſie mit zu dem Größten rechne was ich ſah; ſie ſpielte auch Lady Milford vortrefflich, und die Scene, wo ſie den Major erwartet, beſſer als Sie und die Bethmann. Das iſt kein Spaß. Die Schuld ſpielte ſie in der letzten heftigen Manier der Bethmann nicht im geringſten knechtiſch nach: da würde mir auch die theuer geliebte todte Herzensfreundinn nicht gefallen haben. Dies ſag’ ich ſo gerührt, als ſagt’ ich’s ihr ſelbſt dahin wo ſie iſt! — Im Schutzgeiſt ſang ſie im hohen und tiefern Lei- terton die ganze ewige Rolle ſentenziſch donnernd her. Dies
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reizend, zum Glück! Nun ich auf mich gekommen bin; ge-
nug! Das Theater amüſirt mich hier genug! („Ziemlich“
gefällt mir nicht: und „ſehr“ auch nicht.) Müller iſt oft ſehr
gut, Heck ganz vortrefflich. Mayer manchmal gut, nie eine
Rolle durch; er hatte gewiß das Unglück, zuerſt in Koſtüm und
nicht in Konverſationsſtücken zu ſpielen; um dies zu verdauen,
gehört ein kräftiger Talent. Nämlich, reichere, gewandtere
Einbildungskraft, ein ſchwerer Herz. Seine Stimme hat Töne,
ſeine Geſtalt einen ſchön geſtellten Kopf: auch hat er einen
Blick. Sontag iſt in italiäniſchen Opern ſehr gut. Eine
Dlle. Pohlmann, recht ſehr viele Anlagen; ſie ſingt nie ſchlecht,
könnte vortrefflich ſingen, iſt hübſch, nicht ohne Sinn, nie ge-
mein, ſehr jugendlich. Dieſe alle zuſammen machen, daß ich
meiſt hinhören muß; die Stücke beurtheile, belache, beweine
ich auch. Das Haus gefällt mir ungemein, ich kenne kein
angenehmeres, den Eingang ſchon mitgerechnet, der großartig
iſt, unſere Loge iſt mir bequem; kurz, das Theater werde ich
in Karlsruhe vermiſſen. Mlle. Beck hat ſich ſehr gebeſſert.
Sie ſpielte eine Herzogin in Ubaldo, wo ich ſie mit zu dem
Größten rechne was ich ſah; ſie ſpielte auch Lady Milford
vortrefflich, und die Scene, wo ſie den Major erwartet,
beſſer als Sie und die Bethmann. Das iſt kein Spaß. Die
Schuld ſpielte ſie in der letzten heftigen Manier der Bethmann
nicht im geringſten knechtiſch nach: da würde mir auch die
theuer geliebte todte Herzensfreundinn nicht gefallen haben.
Dies ſag’ ich ſo gerührt, als ſagt’ ich’s ihr ſelbſt dahin wo
ſie iſt! — Im Schutzgeiſt ſang ſie im hohen und tiefern Lei-
terton die ganze ewige Rolle ſentenziſch donnernd her. Dies
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/432>, abgerufen am 22.12.2024.
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