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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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-- Berliner -- der grade in dem, was Iffland mit dem Vor-
rath, den er von der Natur hatte, nicht mehr leisten konnte,
sondern durch Künstlichkeiten zu bewirken suchte, diesem nach-
spielt; und mir, ich kann es sagen, durchaus mehr Unterhal-
tung schaffte, als der Gefeierte selbst. Dieser führte meine
Betrachtung immer nur auf seine Rollen, Leistungen, und seine
Kunst, in der er wirkte; sein Kopiste aber stellt mir auch jenes
Schwächen als Gebilde vor, und erinnert an die Person, die
doch nun einmal als ein Vergangenes, Unwiederbringliches
dasteht. Und er machte mich lachen, und bedauren. Manche
Scenen im Lustspiel wurden meisterhaft gegeben, von Müller
und noch Einem, dessen Namen mir fehlt, z. B. im Räusch-
chen. Die Frauen sind nicht zu erwähnen. Ihre Demmer
war schon in Karlsruhe, die sah ich nicht. Dann ist noch ein
großer schöner Mann da, den ich auch jetzt nicht nennen kann,
der ist nicht schlecht; er spielt den Offizier in Kotzebue's Stück,
welches in Spanien, in jetziger Zeit, in Civilkleidern spielt.
Dann hört' ich in einem Konzert Mad. Gley aus Hamburg
singen; eine Meisterin, wenn auch vielleicht sur le retour;
ganz italiänisch. Das war auch das Beste in Mannheim.
Sonst ist das Schönste von Mannheim, -- Heidelberg. Sie
lieben doch meine Bonmots! die alle aus Laune entstehen.
Gestern waren meine Lippen witzig. Als der Minister Wan-
genheim gestern etwas abwärts mit Herren sprach, und ich
ihn reden hörte, sagte ich ganz freudig zur Schlegel: "Es ist
doch jetzt ganz anders in der Welt! Wie solcher Mann spricht;
sonst dekretirte ein Minister nur, jetzt diskutirt er." Sie ent-
gegnete mir in einem zu mahlenden Gleichmuth, und hal-

— Berliner — der grade in dem, was Iffland mit dem Vor-
rath, den er von der Natur hatte, nicht mehr leiſten konnte,
ſondern durch Künſtlichkeiten zu bewirken ſuchte, dieſem nach-
ſpielt; und mir, ich kann es ſagen, durchaus mehr Unterhal-
tung ſchaffte, als der Gefeierte ſelbſt. Dieſer führte meine
Betrachtung immer nur auf ſeine Rollen, Leiſtungen, und ſeine
Kunſt, in der er wirkte; ſein Kopiſte aber ſtellt mir auch jenes
Schwächen als Gebilde vor, und erinnert an die Perſon, die
doch nun einmal als ein Vergangenes, Unwiederbringliches
daſteht. Und er machte mich lachen, und bedauren. Manche
Scenen im Luſtſpiel wurden meiſterhaft gegeben, von Müller
und noch Einem, deſſen Namen mir fehlt, z. B. im Räuſch-
chen. Die Frauen ſind nicht zu erwähnen. Ihre Demmer
war ſchon in Karlsruhe, die ſah ich nicht. Dann iſt noch ein
großer ſchöner Mann da, den ich auch jetzt nicht nennen kann,
der iſt nicht ſchlecht; er ſpielt den Offizier in Kotzebue’s Stück,
welches in Spanien, in jetziger Zeit, in Civilkleidern ſpielt.
Dann hört’ ich in einem Konzert Mad. Gley aus Hamburg
ſingen; eine Meiſterin, wenn auch vielleicht sur le retour;
ganz italiäniſch. Das war auch das Beſte in Mannheim.
Sonſt iſt das Schönſte von Mannheim, — Heidelberg. Sie
lieben doch meine Bonmots! die alle aus Laune entſtehen.
Geſtern waren meine Lippen witzig. Als der Miniſter Wan-
genheim geſtern etwas abwärts mit Herren ſprach, und ich
ihn reden hörte, ſagte ich ganz freudig zur Schlegel: „Es iſt
doch jetzt ganz anders in der Welt! Wie ſolcher Mann ſpricht;
ſonſt dekretirte ein Miniſter nur, jetzt diskutirt er.“ Sie ent-
gegnete mir in einem zu mahlenden Gleichmuth, und hal-

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[398/0406] — Berliner — der grade in dem, was Iffland mit dem Vor- rath, den er von der Natur hatte, nicht mehr leiſten konnte, ſondern durch Künſtlichkeiten zu bewirken ſuchte, dieſem nach- ſpielt; und mir, ich kann es ſagen, durchaus mehr Unterhal- tung ſchaffte, als der Gefeierte ſelbſt. Dieſer führte meine Betrachtung immer nur auf ſeine Rollen, Leiſtungen, und ſeine Kunſt, in der er wirkte; ſein Kopiſte aber ſtellt mir auch jenes Schwächen als Gebilde vor, und erinnert an die Perſon, die doch nun einmal als ein Vergangenes, Unwiederbringliches daſteht. Und er machte mich lachen, und bedauren. Manche Scenen im Luſtſpiel wurden meiſterhaft gegeben, von Müller und noch Einem, deſſen Namen mir fehlt, z. B. im Räuſch- chen. Die Frauen ſind nicht zu erwähnen. Ihre Demmer war ſchon in Karlsruhe, die ſah ich nicht. Dann iſt noch ein großer ſchöner Mann da, den ich auch jetzt nicht nennen kann, der iſt nicht ſchlecht; er ſpielt den Offizier in Kotzebue’s Stück, welches in Spanien, in jetziger Zeit, in Civilkleidern ſpielt. Dann hört’ ich in einem Konzert Mad. Gley aus Hamburg ſingen; eine Meiſterin, wenn auch vielleicht sur le retour; ganz italiäniſch. Das war auch das Beſte in Mannheim. Sonſt iſt das Schönſte von Mannheim, — Heidelberg. Sie lieben doch meine Bonmots! die alle aus Laune entſtehen. Geſtern waren meine Lippen witzig. Als der Miniſter Wan- genheim geſtern etwas abwärts mit Herren ſprach, und ich ihn reden hörte, ſagte ich ganz freudig zur Schlegel: „Es iſt doch jetzt ganz anders in der Welt! Wie ſolcher Mann ſpricht; ſonſt dekretirte ein Miniſter nur, jetzt diskutirt er.“ Sie ent- gegnete mir in einem zu mahlenden Gleichmuth, und hal-

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/406>, abgerufen am 03.05.2024.