der für Bedingungen mit sich?! Wieder Druck, und Druck. Und natürlich: denn kommt man wohl in irgend eine Lage absolut frei hinein? oder ist eine einzige nur ganz nach unserer Wahl? Wir sind nur so sehr gepreßt, dem alten Druck zu entkommen, und so sagen wir uns in der Eil darüber nicht von dem bevorstehenden. Wir Alle sind wie der Kranke, der sich in seinem Bette wälzt -- qui s'agite dans son lit, ist bes- ser -- um eine erträgliche Lage zu finden: aber er bleibt krank und im Bette. Schöner Trost! Nicht wahr? Wahrheit oder vielmehr Wahrhaftigkeit, womit man die erhascht-vermeinte seinen Freunden vorträgt, ist doch der beste Trost! Und daß wir im Sommer, im schönen Sommer mit einander leben wer- den! Es ist doch eine große Vergünstigung! Sind wir im Freien: können uns ansehen, und erzählten wir uns auch lau- ter Leid, so ist uns doch wohl! wir lachen auch: sind leicht- sinnig, vergessen alles. -- Und ich werde im guten Wetter, mit leidlicher Gesundheit, in Ihrer Gegenwart gleich auch possirlich. Das wissen Sie; und dann lachen Sie gewiß. Freuen Sie sich mit Eßlairs, und sehen Sie großartig, wie es Ihnen schon oft gelang, auf Ihre Lage. Bedenken Sie das Bequeme, Gute, welches sie mit sich führt: und denken Sie deutlich an die vorigen, wie auch die arg waren, und wie Sie deren Arges los sind! Ich schwöre Ihnen, geliebte Guste, daß ich es grad eben so machen muß: und also wie mir selbst nichts Bessers zu rathen weiß; und doch gerne möchte! Mündlich alles was mir hier fehlt; ein Glück hab' ich nur, daß ich es doch Varnhagen, wenn auch oft verhehle, am Ende doch nicht zu verbergen brauche, und mit dem wahr-
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der für Bedingungen mit ſich?! Wieder Druck, und Druck. Und natürlich: denn kommt man wohl in irgend eine Lage abſolut frei hinein? oder iſt eine einzige nur ganz nach unſerer Wahl? Wir ſind nur ſo ſehr gepreßt, dem alten Druck zu entkommen, und ſo ſagen wir uns in der Eil darüber nicht von dem bevorſtehenden. Wir Alle ſind wie der Kranke, der ſich in ſeinem Bette wälzt — qui s’agite dans son lit, iſt beſ- ſer — um eine erträgliche Lage zu finden: aber er bleibt krank und im Bette. Schöner Troſt! Nicht wahr? Wahrheit oder vielmehr Wahrhaftigkeit, womit man die erhaſcht-vermeinte ſeinen Freunden vorträgt, iſt doch der beſte Troſt! Und daß wir im Sommer, im ſchönen Sommer mit einander leben wer- den! Es iſt doch eine große Vergünſtigung! Sind wir im Freien: können uns anſehen, und erzählten wir uns auch lau- ter Leid, ſo iſt uns doch wohl! wir lachen auch: ſind leicht- ſinnig, vergeſſen alles. — Und ich werde im guten Wetter, mit leidlicher Geſundheit, in Ihrer Gegenwart gleich auch poſſirlich. Das wiſſen Sie; und dann lachen Sie gewiß. Freuen Sie ſich mit Eßlairs, und ſehen Sie großartig, wie es Ihnen ſchon oft gelang, auf Ihre Lage. Bedenken Sie das Bequeme, Gute, welches ſie mit ſich führt: und denken Sie deutlich an die vorigen, wie auch die arg waren, und wie Sie deren Arges los ſind! Ich ſchwöre Ihnen, geliebte Guſte, daß ich es grad eben ſo machen muß: und alſo wie mir ſelbſt nichts Beſſers zu rathen weiß; und doch gerne möchte! Mündlich alles was mir hier fehlt; ein Glück hab’ ich nur, daß ich es doch Varnhagen, wenn auch oft verhehle, am Ende doch nicht zu verbergen brauche, und mit dem wahr-
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der für Bedingungen mit ſich?! Wieder Druck, und Druck.
Und natürlich: denn kommt man wohl in irgend eine Lage
abſolut frei hinein? oder iſt eine einzige nur ganz nach unſerer
Wahl? Wir ſind nur ſo ſehr gepreßt, dem alten Druck zu
entkommen, und ſo ſagen wir uns in der Eil darüber nicht
von dem bevorſtehenden. Wir Alle ſind wie der Kranke, der
ſich in ſeinem Bette wälzt — qui s’agite dans son lit, iſt beſ-
ſer — um eine erträgliche Lage zu finden: aber er bleibt krank
und im Bette. Schöner Troſt! Nicht wahr? Wahrheit oder
vielmehr Wahrhaftigkeit, womit man die erhaſcht-vermeinte
ſeinen Freunden vorträgt, iſt doch der beſte Troſt! Und daß
wir im Sommer, im ſchönen Sommer mit einander leben wer-
den! Es iſt doch eine große Vergünſtigung! Sind wir im
Freien: können uns anſehen, und erzählten wir uns auch lau-
ter Leid, ſo iſt uns doch wohl! wir lachen auch: ſind leicht-
ſinnig, vergeſſen alles. — Und ich werde im guten Wetter,
mit leidlicher Geſundheit, in Ihrer Gegenwart gleich auch
poſſirlich. Das wiſſen Sie; und dann lachen Sie gewiß.
Freuen Sie ſich mit Eßlairs, und ſehen Sie großartig, wie
es Ihnen ſchon oft gelang, auf Ihre Lage. Bedenken Sie
das Bequeme, Gute, welches ſie mit ſich führt: und denken
Sie deutlich an die vorigen, wie auch die arg waren, und
wie Sie deren Arges los ſind! Ich ſchwöre Ihnen, geliebte
Guſte, daß ich es grad eben ſo machen muß: und alſo wie
mir ſelbſt nichts Beſſers zu rathen weiß; und doch gerne
möchte! Mündlich alles was mir hier fehlt; ein Glück hab’
ich nur, daß ich es doch Varnhagen, wenn auch oft verhehle,
am Ende doch nicht zu verbergen brauche, und mit dem wahr-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/379>, abgerufen am 25.11.2024.
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