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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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ließen, und ein ungraziöses Schicksal mich nicht aufzustören
beflissen war, "fand mein karges Futter" vergnügt und rei-
sefertig "auf jedem Hof." Gott weiß es, du auch; und es
ist wahr. Nur geneigt war ich nicht mehr, weil ich es nicht
mehr fähig war, mein Leben wieder für ein Vierteljahr Zu-
sammengehen bei irgend einem Wesen vom Menschengeschlecht
einzusetzen; die Proben meiner unbedungenen Hingebung hatte
ich mir, also allen andern Freunden und Freundinnen, zur
Genüge rein und völlig abgelegt; ein zum Narren haben
an mir selbst aus- und aufgeführt, war bei einer unschuldigen
Seele, bei einem unbefleckt, unerschüttert redlichen Herzen un-
möglich; so war meine Seele und Herz. Du hast es erfahren,
wie ich ein ernstes Herz in meines aufnehme. Mit meinem
Leben erwiedre ich's. Wisse, ermesse, wie ich es ansehe, daß
du mich wieder in's Leben hinein geführt hast. Ich will ja
nun leben, weil du es wünschest, weil ich mit dir leben kann.
Von dir hab' ich ja erfahren, daß auch ich geliebt und gehegt
werden kann, wie ich Andere hege und liebe; daß ich kein
verzaubertes monstre bin: worüber ich, du weißt es, ganz ge-
faßt und vergnügt war. Ich liebe dich deiner Liebe wegen:
und nicht, du glaubst es, weil ich der Gegenstand dieser schö-
nen Herzensentwickelung bin: nein! weil sie in dir möglich
ist, weil ich dies schöne Spektakel sehe; weil ich solchen ge-
haltenen, erglühten Ernst nie sah, und sah ihn nie, weil er
nur selten, weil er so schön ist; ein Gelungenes! Ein Äch-
tes; und vom Schicksal Bejahtes mit einem Gegenstand. Ich
sehe in dir eine Unschuld, ein Gewährenlassen, ein sich entwick-
lendes Herzensgedeihen: so denk' ich mir hätte ich meinem

ließen, und ein ungraziöſes Schickſal mich nicht aufzuſtören
befliſſen war, „fand mein karges Futter“ vergnügt und rei-
ſefertig „auf jedem Hof.“ Gott weiß es, du auch; und es
iſt wahr. Nur geneigt war ich nicht mehr, weil ich es nicht
mehr fähig war, mein Leben wieder für ein Vierteljahr Zu-
ſammengehen bei irgend einem Weſen vom Menſchengeſchlecht
einzuſetzen; die Proben meiner unbedungenen Hingebung hatte
ich mir, alſo allen andern Freunden und Freundinnen, zur
Genüge rein und völlig abgelegt; ein zum Narren haben
an mir ſelbſt aus- und aufgeführt, war bei einer unſchuldigen
Seele, bei einem unbefleckt, unerſchüttert redlichen Herzen un-
möglich; ſo war meine Seele und Herz. Du haſt es erfahren,
wie ich ein ernſtes Herz in meines aufnehme. Mit meinem
Leben erwiedre ich’s. Wiſſe, ermeſſe, wie ich es anſehe, daß
du mich wieder in’s Leben hinein geführt haſt. Ich will ja
nun leben, weil du es wünſcheſt, weil ich mit dir leben kann.
Von dir hab’ ich ja erfahren, daß auch ich geliebt und gehegt
werden kann, wie ich Andere hege und liebe; daß ich kein
verzaubertes monstre bin: worüber ich, du weißt es, ganz ge-
faßt und vergnügt war. Ich liebe dich deiner Liebe wegen:
und nicht, du glaubſt es, weil ich der Gegenſtand dieſer ſchö-
nen Herzensentwickelung bin: nein! weil ſie in dir möglich
iſt, weil ich dies ſchöne Spektakel ſehe; weil ich ſolchen ge-
haltenen, erglühten Ernſt nie ſah, und ſah ihn nie, weil er
nur ſelten, weil er ſo ſchön iſt; ein Gelungenes! Ein Äch-
tes; und vom Schickſal Bejahtes mit einem Gegenſtand. Ich
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lendes Herzensgedeihen: ſo denk’ ich mir hätte ich meinem

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[335/0343] ließen, und ein ungraziöſes Schickſal mich nicht aufzuſtören befliſſen war, „fand mein karges Futter“ vergnügt und rei- ſefertig „auf jedem Hof.“ Gott weiß es, du auch; und es iſt wahr. Nur geneigt war ich nicht mehr, weil ich es nicht mehr fähig war, mein Leben wieder für ein Vierteljahr Zu- ſammengehen bei irgend einem Weſen vom Menſchengeſchlecht einzuſetzen; die Proben meiner unbedungenen Hingebung hatte ich mir, alſo allen andern Freunden und Freundinnen, zur Genüge rein und völlig abgelegt; ein zum Narren haben an mir ſelbſt aus- und aufgeführt, war bei einer unſchuldigen Seele, bei einem unbefleckt, unerſchüttert redlichen Herzen un- möglich; ſo war meine Seele und Herz. Du haſt es erfahren, wie ich ein ernſtes Herz in meines aufnehme. Mit meinem Leben erwiedre ich’s. Wiſſe, ermeſſe, wie ich es anſehe, daß du mich wieder in’s Leben hinein geführt haſt. Ich will ja nun leben, weil du es wünſcheſt, weil ich mit dir leben kann. Von dir hab’ ich ja erfahren, daß auch ich geliebt und gehegt werden kann, wie ich Andere hege und liebe; daß ich kein verzaubertes monstre bin: worüber ich, du weißt es, ganz ge- faßt und vergnügt war. Ich liebe dich deiner Liebe wegen: und nicht, du glaubſt es, weil ich der Gegenſtand dieſer ſchö- nen Herzensentwickelung bin: nein! weil ſie in dir möglich iſt, weil ich dies ſchöne Spektakel ſehe; weil ich ſolchen ge- haltenen, erglühten Ernſt nie ſah, und ſah ihn nie, weil er nur ſelten, weil er ſo ſchön iſt; ein Gelungenes! Ein Äch- tes; und vom Schickſal Bejahtes mit einem Gegenſtand. Ich ſehe in dir eine Unſchuld, ein Gewährenlaſſen, ein ſich entwick- lendes Herzensgedeihen: ſo denk’ ich mir hätte ich meinem

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/343>, abgerufen am 08.05.2024.