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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

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will sich keiner in der Tagesordnung seiner Vergnügungen
und Liebschaften stören lassen: und Importuns, impertinente
Fremdlinge, können sich zu Geschäften aufdringen. Jeder
denkt von jeder Sache, der Andere wird oder könne es ja wohl
machen, und was auch mißlingt, schiebt es wirklich jeder auf
Alle, und Alle auf jeden. Das kann nicht dauren; und wenn
es nicht mehr so halten wird, wird man fragen warum?
Ich prävenire dich mit dem größten Bedacht, damit dir der
Schlag nicht wie aus den Wolken kommt; und du auch
nicht denkst, dieser oder jener, oder dies oder jenes, habe es
hervorgelockt. Nein, es machen es Alle, weil sie nichts
machen, und die unangewandten Kräfte und Bedürfnisse
sich auf eine Seite hinneigen werden, hingepreßt werden, wo
sie das Schiff werden umschlagen machen. Kein Warnen,
kein Ermahnen, kein zu verstehen geben, hilft. Jeder sieht's
allenfalls für den Andern so an: sich mag er aber doch
nicht stören, -- in der dikasterischen Hoffnung, sein Tagesle-
ben wird doch wenigstens so fort gehen. Um dir nichts Är-
geres zu sagen, was noch Manche bewegen mag! Ich sagte
auch heute zu Varnhagen: es ist als ob jemand mit dem
Körper bis an die Füße zum Fenster hinaus hinge, noch ist
er nicht unten, ich sehe es aber, er muß stürzen, er geht nicht
zurück. Er gab mir Recht. Ja, jeder, der nur irgend mensch-
lichen Kopf hat, und hier unterrichtet ist, sagt ganz dasselbe
und nichts anders. Dies, lieber Ohme, muß ich dir schreiben,
weil ich zu geärgert bin, zu erfüllt davon! Doch aber könnt'
ich in einem Brief davon schweigen; wenn ich's nicht für perfide
hielt, meine innerste Meinung dir nicht mitzutheilen, die mir

will ſich keiner in der Tagesordnung ſeiner Vergnügungen
und Liebſchaften ſtören laſſen: und Importuns, impertinente
Fremdlinge, können ſich zu Geſchäften aufdringen. Jeder
denkt von jeder Sache, der Andere wird oder könne es ja wohl
machen, und was auch mißlingt, ſchiebt es wirklich jeder auf
Alle, und Alle auf jeden. Das kann nicht dauren; und wenn
es nicht mehr ſo halten wird, wird man fragen warum?
Ich prävenire dich mit dem größten Bedacht, damit dir der
Schlag nicht wie aus den Wolken kommt; und du auch
nicht denkſt, dieſer oder jener, oder dies oder jenes, habe es
hervorgelockt. Nein, es machen es Alle, weil ſie nichts
machen, und die unangewandten Kräfte und Bedürfniſſe
ſich auf eine Seite hinneigen werden, hingepreßt werden, wo
ſie das Schiff werden umſchlagen machen. Kein Warnen,
kein Ermahnen, kein zu verſtehen geben, hilft. Jeder ſieht’s
allenfalls für den Andern ſo an: ſich mag er aber doch
nicht ſtören, — in der dikaſteriſchen Hoffnung, ſein Tagesle-
ben wird doch wenigſtens ſo fort gehen. Um dir nichts Är-
geres zu ſagen, was noch Manche bewegen mag! Ich ſagte
auch heute zu Varnhagen: es iſt als ob jemand mit dem
Körper bis an die Füße zum Fenſter hinaus hinge, noch iſt
er nicht unten, ich ſehe es aber, er muß ſtürzen, er geht nicht
zurück. Er gab mir Recht. Ja, jeder, der nur irgend menſch-
lichen Kopf hat, und hier unterrichtet iſt, ſagt ganz daſſelbe
und nichts anders. Dies, lieber Ohme, muß ich dir ſchreiben,
weil ich zu geärgert bin, zu erfüllt davon! Doch aber könnt’
ich in einem Brief davon ſchweigen; wenn ich’s nicht für perfide
hielt, meine innerſte Meinung dir nicht mitzutheilen, die mir

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[277/0285] will ſich keiner in der Tagesordnung ſeiner Vergnügungen und Liebſchaften ſtören laſſen: und Importuns, impertinente Fremdlinge, können ſich zu Geſchäften aufdringen. Jeder denkt von jeder Sache, der Andere wird oder könne es ja wohl machen, und was auch mißlingt, ſchiebt es wirklich jeder auf Alle, und Alle auf jeden. Das kann nicht dauren; und wenn es nicht mehr ſo halten wird, wird man fragen warum? Ich prävenire dich mit dem größten Bedacht, damit dir der Schlag nicht wie aus den Wolken kommt; und du auch nicht denkſt, dieſer oder jener, oder dies oder jenes, habe es hervorgelockt. Nein, es machen es Alle, weil ſie nichts machen, und die unangewandten Kräfte und Bedürfniſſe ſich auf eine Seite hinneigen werden, hingepreßt werden, wo ſie das Schiff werden umſchlagen machen. Kein Warnen, kein Ermahnen, kein zu verſtehen geben, hilft. Jeder ſieht’s allenfalls für den Andern ſo an: ſich mag er aber doch nicht ſtören, — in der dikaſteriſchen Hoffnung, ſein Tagesle- ben wird doch wenigſtens ſo fort gehen. Um dir nichts Är- geres zu ſagen, was noch Manche bewegen mag! Ich ſagte auch heute zu Varnhagen: es iſt als ob jemand mit dem Körper bis an die Füße zum Fenſter hinaus hinge, noch iſt er nicht unten, ich ſehe es aber, er muß ſtürzen, er geht nicht zurück. Er gab mir Recht. Ja, jeder, der nur irgend menſch- lichen Kopf hat, und hier unterrichtet iſt, ſagt ganz daſſelbe und nichts anders. Dies, lieber Ohme, muß ich dir ſchreiben, weil ich zu geärgert bin, zu erfüllt davon! Doch aber könnt’ ich in einem Brief davon ſchweigen; wenn ich’s nicht für perfide hielt, meine innerſte Meinung dir nicht mitzutheilen, die mir

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/285>, abgerufen am 22.11.2024.