Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

noch bereit; ich will mich eben niedersetzen, die Beine -- das
kranke -- sind drin, Dore und das andere Mädchen schreien,
stürzen zurück, kurz -- der Boden der Wanne stürzt ein: und
elf bis zwölf Eimer Wasser in mein Zimmer: ich wurde nicht
ohnmächtig, und schrie: tragt mich nach dem Bett! Die Mäd-
chen aber waren es, und ließen mich stehen: endlich trug mich
doch die eine. Aber das Zimmer schwamm, und sie schrieen
nur wie die weißen Gespenster: Herr Jesus! Ich ließ mir die
grüne Decke umschlagen, und durch ein kaltes Zimmer mich
in Augustens Bette tragen durch die herbei geschrieene Haus-
meisterin; in Augustens Zimmer war es ganz kalt, die Fen-
ster
offen, mitten im Reinemachen: sie in der Probe. Alle
Wärmsteine wurden gebracht: und so lag ich denn in Gott
gefaßt, ob ich wieder einen Rückfall haben sollte. Beordern
mußte alles noch ich, Dore war ganz naß, und hatte den Zit-
terkrampf (noch um 7 Abends), das andere Mädchen zu Kräm-
pfen geneigt, stumm und steif! Als ich so lag, kam unver-
hofft mein Arzt. Untersagte mir den Gebrauch der Arzenei
für den Tag, weil bei der Agitation an kein Mittel zu den-
ken
sei! so etwas hatte er nie gehört! (Freilich, wenn ein
Anderer krank, und ich gesund gewesen wäre, so wäre es
unmöglich gewesen. --) Gott erhörte aber mein wirklich
in Verzweiflung ergebenes Gebet, es schadete mir gar
nichts. Aber die Gefahr!

Meine ganze Seele freut sich, Markus, daß du mir die
Hoffnung giebst, daß ich die Vorschüsse werde bezahlen kön-
nen. Denn meine ganze Seele war vom Gegentheil immer-
weg heimlich gedrückt. Ich habe auch ein gutes Gewissen,

das

noch bereit; ich will mich eben niederſetzen, die Beine — das
kranke — ſind drin, Dore und das andere Mädchen ſchreien,
ſtürzen zurück, kurz — der Boden der Wanne ſtürzt ein: und
elf bis zwölf Eimer Waſſer in mein Zimmer: ich wurde nicht
ohnmächtig, und ſchrie: tragt mich nach dem Bett! Die Mäd-
chen aber waren es, und ließen mich ſtehen: endlich trug mich
doch die eine. Aber das Zimmer ſchwamm, und ſie ſchrieen
nur wie die weißen Geſpenſter: Herr Jeſus! Ich ließ mir die
grüne Decke umſchlagen, und durch ein kaltes Zimmer mich
in Auguſtens Bette tragen durch die herbei geſchrieene Haus-
meiſterin; in Auguſtens Zimmer war es ganz kalt, die Fen-
ſter
offen, mitten im Reinemachen: ſie in der Probe. Alle
Wärmſteine wurden gebracht: und ſo lag ich denn in Gott
gefaßt, ob ich wieder einen Rückfall haben ſollte. Beordern
mußte alles noch ich, Dore war ganz naß, und hatte den Zit-
terkrampf (noch um 7 Abends), das andere Mädchen zu Kräm-
pfen geneigt, ſtumm und ſteif! Als ich ſo lag, kam unver-
hofft mein Arzt. Unterſagte mir den Gebrauch der Arzenei
für den Tag, weil bei der Agitation an kein Mittel zu den-
ken
ſei! ſo etwas hatte er nie gehört! (Freilich, wenn ein
Anderer krank, und ich geſund geweſen wäre, ſo wäre es
unmöglich geweſen. —) Gott erhörte aber mein wirklich
in Verzweiflung ergebenes Gebet, es ſchadete mir gar
nichts. Aber die Gefahr!

Meine ganze Seele freut ſich, Markus, daß du mir die
Hoffnung giebſt, daß ich die Vorſchüſſe werde bezahlen kön-
nen. Denn meine ganze Seele war vom Gegentheil immer-
weg heimlich gedrückt. Ich habe auch ein gutes Gewiſſen,

das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0184" n="176"/>
noch bereit; ich will mich eben nieder&#x017F;etzen, die Beine &#x2014; das<lb/><hi rendition="#g">kranke</hi> &#x2014; &#x017F;ind drin, Dore und das andere Mädchen &#x017F;chreien,<lb/>
&#x017F;türzen zurück, kurz &#x2014; der Boden der Wanne &#x017F;türzt ein: und<lb/>
elf bis zwölf Eimer Wa&#x017F;&#x017F;er in mein Zimmer: ich wurde <hi rendition="#g">nicht</hi><lb/>
ohnmächtig, und &#x017F;chrie: tragt mich nach dem Bett! Die Mäd-<lb/>
chen aber waren es, und ließen mich &#x017F;tehen: endlich trug mich<lb/>
doch die eine. Aber das Zimmer &#x017F;chwamm, und &#x017F;ie &#x017F;chrieen<lb/>
nur wie die weißen Ge&#x017F;pen&#x017F;ter: Herr Je&#x017F;us! Ich ließ mir die<lb/>
grüne Decke um&#x017F;chlagen, und durch ein <hi rendition="#g">kaltes</hi> Zimmer mich<lb/>
in Augu&#x017F;tens Bette tragen durch die herbei <hi rendition="#g">ge&#x017F;chrieene</hi> Haus-<lb/>
mei&#x017F;terin; in Augu&#x017F;tens Zimmer war es <hi rendition="#g">ganz</hi> kalt, die <hi rendition="#g">Fen-<lb/>
&#x017F;ter</hi> offen, mitten im Reinemachen: &#x017F;ie in der Probe. Alle<lb/>
Wärm&#x017F;teine wurden gebracht: und &#x017F;o lag ich denn in <hi rendition="#g">Gott</hi><lb/>
gefaßt, ob ich wieder einen Rückfall haben &#x017F;ollte. Beordern<lb/>
mußte alles noch ich, Dore war ganz naß, und hatte den Zit-<lb/>
terkrampf (noch um 7 Abends), das andere Mädchen zu Kräm-<lb/>
pfen geneigt, &#x017F;tumm und &#x017F;teif! Als ich &#x017F;o lag, kam unver-<lb/>
hofft mein Arzt. Unter&#x017F;agte mir den Gebrauch der Arzenei<lb/>
für den Tag, weil bei <hi rendition="#g">der</hi> Agitation an kein Mittel zu <hi rendition="#g">den-<lb/>
ken</hi> &#x017F;ei! &#x017F;o etwas hatte er nie gehört! (Freilich, wenn ein<lb/><hi rendition="#g">Anderer</hi> krank, und <hi rendition="#g">ich</hi> ge&#x017F;und gewe&#x017F;en wäre, &#x017F;o wäre es<lb/><hi rendition="#g">unmöglich</hi> gewe&#x017F;en. &#x2014;) Gott erhörte aber mein wirklich<lb/>
in Verzweiflung <hi rendition="#g">ergebenes</hi> Gebet, es &#x017F;chadete mir <hi rendition="#g">gar</hi><lb/>
nichts. Aber <hi rendition="#g">die</hi> Gefahr!</p><lb/>
            <p>Meine ganze Seele freut &#x017F;ich, Markus, daß du mir die<lb/>
Hoffnung gieb&#x017F;t, daß ich die Vor&#x017F;chü&#x017F;&#x017F;e werde bezahlen kön-<lb/>
nen. Denn meine <hi rendition="#g">ganze</hi> Seele war vom Gegentheil immer-<lb/>
weg heimlich gedrückt. Ich habe auch ein gutes Gewi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0184] noch bereit; ich will mich eben niederſetzen, die Beine — das kranke — ſind drin, Dore und das andere Mädchen ſchreien, ſtürzen zurück, kurz — der Boden der Wanne ſtürzt ein: und elf bis zwölf Eimer Waſſer in mein Zimmer: ich wurde nicht ohnmächtig, und ſchrie: tragt mich nach dem Bett! Die Mäd- chen aber waren es, und ließen mich ſtehen: endlich trug mich doch die eine. Aber das Zimmer ſchwamm, und ſie ſchrieen nur wie die weißen Geſpenſter: Herr Jeſus! Ich ließ mir die grüne Decke umſchlagen, und durch ein kaltes Zimmer mich in Auguſtens Bette tragen durch die herbei geſchrieene Haus- meiſterin; in Auguſtens Zimmer war es ganz kalt, die Fen- ſter offen, mitten im Reinemachen: ſie in der Probe. Alle Wärmſteine wurden gebracht: und ſo lag ich denn in Gott gefaßt, ob ich wieder einen Rückfall haben ſollte. Beordern mußte alles noch ich, Dore war ganz naß, und hatte den Zit- terkrampf (noch um 7 Abends), das andere Mädchen zu Kräm- pfen geneigt, ſtumm und ſteif! Als ich ſo lag, kam unver- hofft mein Arzt. Unterſagte mir den Gebrauch der Arzenei für den Tag, weil bei der Agitation an kein Mittel zu den- ken ſei! ſo etwas hatte er nie gehört! (Freilich, wenn ein Anderer krank, und ich geſund geweſen wäre, ſo wäre es unmöglich geweſen. —) Gott erhörte aber mein wirklich in Verzweiflung ergebenes Gebet, es ſchadete mir gar nichts. Aber die Gefahr! Meine ganze Seele freut ſich, Markus, daß du mir die Hoffnung giebſt, daß ich die Vorſchüſſe werde bezahlen kön- nen. Denn meine ganze Seele war vom Gegentheil immer- weg heimlich gedrückt. Ich habe auch ein gutes Gewiſſen, das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/184
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/184>, abgerufen am 01.05.2024.