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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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einander; und hindern sie sich nicht zu sichtbar, so hindern
sie mich. Sie heißen Liebe, Sittlichkeit, und Spekulation,
über die Möglichkeiten des menschlichen Seins, bis zu den
Gränzen anderer Wesen. Welch schönes neues Süjet!

(Sechs Uhr Abends, mir ist sehr unwohl; ich werde den
Brief nicht fertig bekommen; er soll aber weg, damit Sie nicht
länger warten, und mich nicht für undankbar halten müssen.
Künftig will ich Ihnen alles schreiben, was er enthalten sollte.)
Der Todesbund ist aber für jemand, der Sie so kennt wie ich,
das Interessanteste; und eben wo es nicht Buch ist, wo Fou-
que durchbricht und dies auseinanderspaltet. Mich dünkt ich
habe tiefe Blicke seit diesem Buche in Ihnen -- in Sie, wie
sagt man denn? -- geschickt. In allen dreien aber fand ich
liebe herrliche Züge, wie sie nur Ihnen entschlüpfen können.
Ich gebe Ihnen hier meine Kritik, wie Sie der Welt Ihre
Bücher geben; zur Kritik. Alles schlecht: alles kurz, roh, er-
bärmlich! wie ich unpaß bin! Nachsicht! Einsicht!

Gestern war ich kränklich, und allein von 3 bis nachts
1 Uhr auch zu lesen nur halbstundenweise fähig. Da kramt'
ich in einer kleinen, kleinen! Kinderkommode, und fand inlie-
gendes Billet, mit Schnallen von meinem Vater, manches von
meiner Mutter, und Trümmern alten Lebens aller Art. Da-
mit man die Karte nach meinem Tod erkennen soll, schrieb ich
drauf, was auf der Rückseite steht: als ich es aber unvorsich-
tigerweise auf die Karte selbst geschrieben hatte, gefiel sie mir
nicht mehr, und ich steckte sie gleich zu Ihrem letzten Briefe.
Hier ist sie nun: Ihnen kann sie dadurch nicht unangenehmer
sein, und muß Ihnen ein doppeltes Geschenk gewähren. Sie

einander; und hindern ſie ſich nicht zu ſichtbar, ſo hindern
ſie mich. Sie heißen Liebe, Sittlichkeit, und Spekulation,
über die Möglichkeiten des menſchlichen Seins, bis zu den
Gränzen anderer Weſen. Welch ſchönes neues Süjet!

(Sechs Uhr Abends, mir iſt ſehr unwohl; ich werde den
Brief nicht fertig bekommen; er ſoll aber weg, damit Sie nicht
länger warten, und mich nicht für undankbar halten müſſen.
Künftig will ich Ihnen alles ſchreiben, was er enthalten ſollte.)
Der Todesbund iſt aber für jemand, der Sie ſo kennt wie ich,
das Intereſſanteſte; und eben wo es nicht Buch iſt, wo Fou-
qué durchbricht und dies auseinanderſpaltet. Mich dünkt ich
habe tiefe Blicke ſeit dieſem Buche in Ihnen — in Sie, wie
ſagt man denn? — geſchickt. In allen dreien aber fand ich
liebe herrliche Züge, wie ſie nur Ihnen entſchlüpfen können.
Ich gebe Ihnen hier meine Kritik, wie Sie der Welt Ihre
Bücher geben; zur Kritik. Alles ſchlecht: alles kurz, roh, er-
bärmlich! wie ich unpaß bin! Nachſicht! Einſicht!

Geſtern war ich kränklich, und allein von 3 bis nachts
1 Uhr auch zu leſen nur halbſtundenweiſe fähig. Da kramt’
ich in einer kleinen, kleinen! Kinderkommode, und fand inlie-
gendes Billet, mit Schnallen von meinem Vater, manches von
meiner Mutter, und Trümmern alten Lebens aller Art. Da-
mit man die Karte nach meinem Tod erkennen ſoll, ſchrieb ich
drauf, was auf der Rückſeite ſteht: als ich es aber unvorſich-
tigerweiſe auf die Karte ſelbſt geſchrieben hatte, gefiel ſie mir
nicht mehr, und ich ſteckte ſie gleich zu Ihrem letzten Briefe.
Hier iſt ſie nun: Ihnen kann ſie dadurch nicht unangenehmer
ſein, und muß Ihnen ein doppeltes Geſchenk gewähren. Sie

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[555/0569] einander; und hindern ſie ſich nicht zu ſichtbar, ſo hindern ſie mich. Sie heißen Liebe, Sittlichkeit, und Spekulation, über die Möglichkeiten des menſchlichen Seins, bis zu den Gränzen anderer Weſen. Welch ſchönes neues Süjet! (Sechs Uhr Abends, mir iſt ſehr unwohl; ich werde den Brief nicht fertig bekommen; er ſoll aber weg, damit Sie nicht länger warten, und mich nicht für undankbar halten müſſen. Künftig will ich Ihnen alles ſchreiben, was er enthalten ſollte.) Der Todesbund iſt aber für jemand, der Sie ſo kennt wie ich, das Intereſſanteſte; und eben wo es nicht Buch iſt, wo Fou- qué durchbricht und dies auseinanderſpaltet. Mich dünkt ich habe tiefe Blicke ſeit dieſem Buche in Ihnen — in Sie, wie ſagt man denn? — geſchickt. In allen dreien aber fand ich liebe herrliche Züge, wie ſie nur Ihnen entſchlüpfen können. Ich gebe Ihnen hier meine Kritik, wie Sie der Welt Ihre Bücher geben; zur Kritik. Alles ſchlecht: alles kurz, roh, er- bärmlich! wie ich unpaß bin! Nachſicht! Einſicht! Geſtern war ich kränklich, und allein von 3 bis nachts 1 Uhr auch zu leſen nur halbſtundenweiſe fähig. Da kramt’ ich in einer kleinen, kleinen! Kinderkommode, und fand inlie- gendes Billet, mit Schnallen von meinem Vater, manches von meiner Mutter, und Trümmern alten Lebens aller Art. Da- mit man die Karte nach meinem Tod erkennen ſoll, ſchrieb ich drauf, was auf der Rückſeite ſteht: als ich es aber unvorſich- tigerweiſe auf die Karte ſelbſt geſchrieben hatte, gefiel ſie mir nicht mehr, und ich ſteckte ſie gleich zu Ihrem letzten Briefe. Hier iſt ſie nun: Ihnen kann ſie dadurch nicht unangenehmer ſein, und muß Ihnen ein doppeltes Geſchenk gewähren. Sie

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/569>, abgerufen am 22.12.2024.