bens und Seins berührt! Es hängt von Ihnen ab, ob Sie es verliebt nennen wollen, das erfrischte Sein; ich beneide es Ihnen; ich gönne es Ihnen. Ich möchte es auch haben; ich freue mich, daß Sie von dem Zauber getroffen sind. Ohne das Glück, namenlos zu lieben, ist die Erde mir ein unver- ständlicher, ängstlicher Klumpen; entweichender himmelaufstei- gender Dunst alles Denken! Ihnen wird alles doppelt ge- deihlich; und des Herzens, und der Augen Liebling, wird Ih- nen gütige Göttin, Muse; die wohl weiß was Liebe ist, und es nicht verschmäht sich den Augen, dem Herzen zu fügen, in der geliebten Erscheinung! Also vielfach glückauf! Warum aber sprechen Sie von der Schönen wie von einer wirklichen Bewohnerin des Himmels; warum sollte sie nicht wiederkom- men? Sie sie nicht besuchen können, oder finden, treffen? Wäre das Glück zu groß? Fassen Sie es! Wollen Sie durch Leben nichts an der Empfindung, an dem Eindruck stören? Lassen Sie's gehen wie Gott will. Bleibt es so, so bleiben Sie wie Sie sind; muß es anders werden, so konnt' es anders werden: ist der letzte Fall, so wünsch' ich Ihnen mit aller seiner Sehnsucht, den ersten; und so thun Sie auch.
Ich habe viel die Zeit her an Sie gedacht: ich habe Un- dine gelesen, den Todesbund: und eine Geschichte eines jungen Wahnsinnigen in einem Almanach von 1812, der Name ist mir entfallen. Dies letzte halte ich für das Gelungenste in Betreff des Vollkommenen, und Tadellosen. In Undine sind die größten, ja die witzigsten Elemente zum Großen; es sind aber drei verschiedene darin, die sich nicht ergänzen, und har- monisch organisch zum Leben bringen, sondern sie leben neben-
bens und Seins berührt! Es hängt von Ihnen ab, ob Sie es verliebt nennen wollen, das erfriſchte Sein; ich beneide es Ihnen; ich gönne es Ihnen. Ich möchte es auch haben; ich freue mich, daß Sie von dem Zauber getroffen ſind. Ohne das Glück, namenlos zu lieben, iſt die Erde mir ein unver- ſtändlicher, ängſtlicher Klumpen; entweichender himmelaufſtei- gender Dunſt alles Denken! Ihnen wird alles doppelt ge- deihlich; und des Herzens, und der Augen Liebling, wird Ih- nen gütige Göttin, Muſe; die wohl weiß was Liebe iſt, und es nicht verſchmäht ſich den Augen, dem Herzen zu fügen, in der geliebten Erſcheinung! Alſo vielfach glückauf! Warum aber ſprechen Sie von der Schönen wie von einer wirklichen Bewohnerin des Himmels; warum ſollte ſie nicht wiederkom- men? Sie ſie nicht beſuchen können, oder finden, treffen? Wäre das Glück zu groß? Faſſen Sie es! Wollen Sie durch Leben nichts an der Empfindung, an dem Eindruck ſtören? Laſſen Sie’s gehen wie Gott will. Bleibt es ſo, ſo bleiben Sie wie Sie ſind; muß es anders werden, ſo konnt’ es anders werden: iſt der letzte Fall, ſo wünſch’ ich Ihnen mit aller ſeiner Sehnſucht, den erſten; und ſo thun Sie auch.
Ich habe viel die Zeit her an Sie gedacht: ich habe Un- dine geleſen, den Todesbund: und eine Geſchichte eines jungen Wahnſinnigen in einem Almanach von 1812, der Name iſt mir entfallen. Dies letzte halte ich für das Gelungenſte in Betreff des Vollkommenen, und Tadelloſen. In Undine ſind die größten, ja die witzigſten Elemente zum Großen; es ſind aber drei verſchiedene darin, die ſich nicht ergänzen, und har- moniſch organiſch zum Leben bringen, ſondern ſie leben neben-
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bens und Seins berührt! Es hängt von Ihnen ab, ob Sie
es verliebt nennen wollen, das erfriſchte Sein; ich beneide es
Ihnen; ich gönne es Ihnen. Ich möchte es auch haben; ich
freue mich, daß Sie von dem Zauber getroffen ſind. Ohne
das Glück, namenlos zu lieben, iſt die Erde mir ein unver-
ſtändlicher, ängſtlicher Klumpen; entweichender himmelaufſtei-
gender Dunſt alles Denken! Ihnen wird alles doppelt ge-
deihlich; und des Herzens, und der Augen Liebling, wird Ih-
nen gütige Göttin, Muſe; die wohl weiß was Liebe iſt, und
es nicht verſchmäht ſich den Augen, dem Herzen zu fügen, in
der geliebten Erſcheinung! Alſo vielfach glückauf! Warum
aber ſprechen Sie von der Schönen wie von einer wirklichen
Bewohnerin des Himmels; warum ſollte ſie nicht wiederkom-
men? Sie ſie nicht beſuchen können, oder finden, treffen?
Wäre das Glück zu groß? Faſſen Sie es! Wollen Sie durch
Leben nichts an der Empfindung, an dem Eindruck ſtören?
Laſſen Sie’s gehen wie Gott will. Bleibt es ſo, ſo bleiben
Sie wie Sie ſind; muß es anders werden, ſo konnt’ es anders
werden: iſt der letzte Fall, ſo wünſch’ ich Ihnen mit aller
ſeiner Sehnſucht, den erſten; und ſo thun Sie auch.
Ich habe viel die Zeit her an Sie gedacht: ich habe Un-
dine geleſen, den Todesbund: und eine Geſchichte eines jungen
Wahnſinnigen in einem Almanach von 1812, der Name iſt
mir entfallen. Dies letzte halte ich für das Gelungenſte in
Betreff des Vollkommenen, und Tadelloſen. In Undine ſind
die größten, ja die witzigſten Elemente zum Großen; es ſind
aber drei verſchiedene darin, die ſich nicht ergänzen, und har-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/568>, abgerufen am 22.12.2024.
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