aber nur von seiner Ungründlichkeit; er ist zu oberflächlich, um nicht allerhand zu meinen und zu sagen; er irrt nicht tief; und aus Mangel an Zusammenhang sagt er so vielerlei. Im Artikel homme in seinem dictionnaire philosophique ist er der Wahrheit darum so nah, weil er nebenan ist. Wenn das die hörten, bei denen ich ihn oft so lobe!
Mittwoch, den 15. März 1809.
Donnerstag, den 16. März 1809.
Welche stupidirende Unruhe, welche Sorge, Angst, bear- beitet mich! Ewig erkältet! Wetter, das einen gefangen hält! Augenweh, nichts hintereinander thun zu können! So eben war Dr. Böhm hier: er läßt mir einen quälenden Husten, oder vielmehr meine Abendheiserkeit und Mattigkeit, und nennt es Frühling. Dieser Frühling dauert seit dem Oktober. O! wie schön! -- alles! und der Krieg wie ein Gewitter; die Sonne ist weg, die Luft steht still, die Wolken tief; niemand traut sich mehr aus: so bin ich im Lande eingesperrt, des Ringens in der Ohnmacht müde.
An Varnhagen, in Hamburg.
Freitag, den 7. April 1809.
Diesen Mittag erhielt ich deinen Brief. Wie mit einer Hand von Messern schnitt er mir heftig von allen Seiten in das Herz. Ich fühlte deinen Schmerz; und das ganze Lesen war ein langer Schreck. Ich war auch grade sehr erschöpft und hungrig; und blieb wie vernichtet sitzen. Ich las ihn
aber nur von ſeiner Ungründlichkeit; er iſt zu oberflächlich, um nicht allerhand zu meinen und zu ſagen; er irrt nicht tief; und aus Mangel an Zuſammenhang ſagt er ſo vielerlei. Im Artikel homme in ſeinem dictionnaire philosophique iſt er der Wahrheit darum ſo nah, weil er nebenan iſt. Wenn das die hörten, bei denen ich ihn oft ſo lobe!
Mittwoch, den 15. März 1809.
Donnerstag, den 16. März 1809.
Welche ſtupidirende Unruhe, welche Sorge, Angſt, bear- beitet mich! Ewig erkältet! Wetter, das einen gefangen hält! Augenweh, nichts hintereinander thun zu können! So eben war Dr. Böhm hier: er läßt mir einen quälenden Huſten, oder vielmehr meine Abendheiſerkeit und Mattigkeit, und nennt es Frühling. Dieſer Frühling dauert ſeit dem Oktober. O! wie ſchön! — alles! und der Krieg wie ein Gewitter; die Sonne iſt weg, die Luft ſteht ſtill, die Wolken tief; niemand traut ſich mehr aus: ſo bin ich im Lande eingeſperrt, des Ringens in der Ohnmacht müde.
An Varnhagen, in Hamburg.
Freitag, den 7. April 1809.
Dieſen Mittag erhielt ich deinen Brief. Wie mit einer Hand von Meſſern ſchnitt er mir heftig von allen Seiten in das Herz. Ich fühlte deinen Schmerz; und das ganze Leſen war ein langer Schreck. Ich war auch grade ſehr erſchöpft und hungrig; und blieb wie vernichtet ſitzen. Ich las ihn
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aber nur von ſeiner Ungründlichkeit; er iſt zu oberflächlich,
um nicht allerhand zu meinen und zu ſagen; er irrt nicht tief;
und aus Mangel an Zuſammenhang ſagt er ſo vielerlei. Im
Artikel homme in ſeinem dictionnaire philosophique iſt er der
Wahrheit darum ſo nah, weil er nebenan iſt. Wenn das die
hörten, bei denen ich ihn oft ſo lobe!
Mittwoch, den 15. März 1809.
Donnerstag, den 16. März 1809.
Welche ſtupidirende Unruhe, welche Sorge, Angſt, bear-
beitet mich! Ewig erkältet! Wetter, das einen gefangen hält!
Augenweh, nichts hintereinander thun zu können! So eben
war Dr. Böhm hier: er läßt mir einen quälenden Huſten,
oder vielmehr meine Abendheiſerkeit und Mattigkeit, und
nennt es Frühling. Dieſer Frühling dauert ſeit dem Oktober.
O! wie ſchön! — alles! und der Krieg wie ein Gewitter; die
Sonne iſt weg, die Luft ſteht ſtill, die Wolken tief; niemand
traut ſich mehr aus: ſo bin ich im Lande eingeſperrt, des
Ringens in der Ohnmacht müde.
An Varnhagen, in Hamburg.
Freitag, den 7. April 1809.
Dieſen Mittag erhielt ich deinen Brief. Wie mit einer
Hand von Meſſern ſchnitt er mir heftig von allen Seiten in
das Herz. Ich fühlte deinen Schmerz; und das ganze Leſen
war ein langer Schreck. Ich war auch grade ſehr erſchöpft
und hungrig; und blieb wie vernichtet ſitzen. Ich las ihn
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/426>, abgerufen am 26.11.2024.
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