Truppen für's erste mit Wohnung, Licht und Holz zu ver- sorgen -- ein Lieutenant ohne Billet kam mit und blieb; der Wirth ließ ihm höflich andeuten, daß er auf sein Haus kein Billet habe; der Lieutenant aber ward murrend und ging nicht; die Wirthin kam, es ihm höflich auseinanderzusetzen, daß er nicht bleiben könne, er widersprach ihr, und blieb; nun kam der Mann, und sagte es ihm nachdrücklicher, worauf der Mensch denn endlich sagte, sie könnten thun, was sie wollten, aber sie würden es schon sehen, er ginge nun, da er einmal da wäre, nicht weg; und so stürzt er dem Vater in die Arme. Es war ihr seit zwei Jahren todtgeglaubtes Kind: Schlittschuh zu laufen, war er ausgegangen, und nicht wieder zurückge- kommen. Sie hatten Trauer um ihn getragen; er aber war nach Kolberg gegangen, hatte sich anwerben zu lassen; und so hat er sich zum Lieutenant geschlagen. Nun wurden aber die Eltern böse, daß er sie in Gram und Angst gelassen hätte: er aber sagte, das habe er müssen, wegen des Augenblicks, den er nun erlebt habe. Ist das nicht eine schöne Geschichte? --
-- Ich habe vorgestern Nachmittag, mitten in den Hein- se'schen Briefen, ein berühmtes, oder doch vielmehr nur ein jetzt viel besprochenes Buch, ganz geschwind gelesen; weil man es mir schickte, ich hinein sah, immer das Interesse suchte, und so wohl beinah ein Viertel las, und es so schlecht fand, daß ich es schnell durchzusehen beschloß. Dies Buch, Jacopo Ortis, aus dem Italiänischen übersetzt, hat mir Italien ordentlich verdorben. Als hätte ein Müßiggänger einem eine schlechte Figur in eine himmlisch stille Aussicht hineingekleckst. Solches nordisches, armseliges Brüten hätte ich nie hinter den Alpen
Truppen für’s erſte mit Wohnung, Licht und Holz zu ver- ſorgen — ein Lieutenant ohne Billet kam mit und blieb; der Wirth ließ ihm höflich andeuten, daß er auf ſein Haus kein Billet habe; der Lieutenant aber ward murrend und ging nicht; die Wirthin kam, es ihm höflich auseinanderzuſetzen, daß er nicht bleiben könne, er widerſprach ihr, und blieb; nun kam der Mann, und ſagte es ihm nachdrücklicher, worauf der Menſch denn endlich ſagte, ſie könnten thun, was ſie wollten, aber ſie würden es ſchon ſehen, er ginge nun, da er einmal da wäre, nicht weg; und ſo ſtürzt er dem Vater in die Arme. Es war ihr ſeit zwei Jahren todtgeglaubtes Kind: Schlittſchuh zu laufen, war er ausgegangen, und nicht wieder zurückge- kommen. Sie hatten Trauer um ihn getragen; er aber war nach Kolberg gegangen, hatte ſich anwerben zu laſſen; und ſo hat er ſich zum Lieutenant geſchlagen. Nun wurden aber die Eltern böſe, daß er ſie in Gram und Angſt gelaſſen hätte: er aber ſagte, das habe er müſſen, wegen des Augenblicks, den er nun erlebt habe. Iſt das nicht eine ſchöne Geſchichte? —
— Ich habe vorgeſtern Nachmittag, mitten in den Hein- ſe’ſchen Briefen, ein berühmtes, oder doch vielmehr nur ein jetzt viel beſprochenes Buch, ganz geſchwind geleſen; weil man es mir ſchickte, ich hinein ſah, immer das Intereſſe ſuchte, und ſo wohl beinah ein Viertel las, und es ſo ſchlecht fand, daß ich es ſchnell durchzuſehen beſchloß. Dies Buch, Jacopo Ortis, aus dem Italiäniſchen überſetzt, hat mir Italien ordentlich verdorben. Als hätte ein Müßiggänger einem eine ſchlechte Figur in eine himmliſch ſtille Ausſicht hineingekleckſt. Solches nordiſches, armſeliges Brüten hätte ich nie hinter den Alpen
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Truppen für’s erſte mit Wohnung, Licht und Holz zu ver-
ſorgen — ein Lieutenant ohne Billet kam mit und blieb; der
Wirth ließ ihm höflich andeuten, daß er auf ſein Haus kein
Billet habe; der Lieutenant aber ward murrend und ging nicht;
die Wirthin kam, es ihm höflich auseinanderzuſetzen, daß er
nicht bleiben könne, er widerſprach ihr, und blieb; nun kam
der Mann, und ſagte es ihm nachdrücklicher, worauf der
Menſch denn endlich ſagte, ſie könnten thun, was ſie wollten,
aber ſie würden es ſchon ſehen, er ginge nun, da er einmal da
wäre, nicht weg; und ſo ſtürzt er dem Vater in die Arme.
Es war ihr ſeit zwei Jahren todtgeglaubtes Kind: Schlittſchuh
zu laufen, war er ausgegangen, und nicht wieder zurückge-
kommen. Sie hatten Trauer um ihn getragen; er aber war
nach Kolberg gegangen, hatte ſich anwerben zu laſſen; und ſo
hat er ſich zum Lieutenant geſchlagen. Nun wurden aber die
Eltern böſe, daß er ſie in Gram und Angſt gelaſſen hätte:
er aber ſagte, das habe er müſſen, wegen des Augenblicks,
den er nun erlebt habe. Iſt das nicht eine ſchöne Geſchichte? —
— Ich habe vorgeſtern Nachmittag, mitten in den Hein-
ſe’ſchen Briefen, ein berühmtes, oder doch vielmehr nur ein
jetzt viel beſprochenes Buch, ganz geſchwind geleſen; weil man
es mir ſchickte, ich hinein ſah, immer das Intereſſe ſuchte, und
ſo wohl beinah ein Viertel las, und es ſo ſchlecht fand, daß
ich es ſchnell durchzuſehen beſchloß. Dies Buch, Jacopo Ortis,
aus dem Italiäniſchen überſetzt, hat mir Italien ordentlich
verdorben. Als hätte ein Müßiggänger einem eine ſchlechte
Figur in eine himmliſch ſtille Ausſicht hineingekleckſt. Solches
nordiſches, armſeliges Brüten hätte ich nie hinter den Alpen
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/395>, abgerufen am 21.12.2024.
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