Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

noch hinzu: Und wanken und erschrecken Sie doch nicht,
wenn Sie auch oft glauben werden fertig zu sein, und plötz-
lich die ganze Krankheit wieder fühlen! Sehnsucht ist's als-
dann: und diese ein Zeichen des Lebens. Mehr als das Leben
kennen wir ja ohnehin nicht; das sind wir; das haben wir;
und daraus kann immer etwas Schönes werden. Und wie
wunderbar! Fühlen Sie sich nur einmal! Rechnen Sie das
bischen Liebeselend nicht. Die Elenden sind elend! --

Sie werden genesen! Lassen Sie sich auch nicht irre
machen, wenn ich nicht immer freundlich sein kann: ich kann
es bei meiner innern Verfassung, bei gewissen Verwirrungen,
nicht; auch Krankheit! Und wenn ich in diesem Briefe ge-
hemmt spreche, so ist's weil auch ich an mir hämmere, und
ein paar schlimme Wachnächte in meinem Bette mit meinem
Herzen verbracht habe; und zum Theil wie zu mir selbst
sprach. Sie sehn, wie freundlich und gesprächig ich gleich
werde, wenn Sie gesund werden wollen. Die Welt ist so
voll! Ihr Herz thätig: wo sollte Armuth, Noth in Armuth,
herkommen, mit gesunden Sinnen, und dem Muthe, sich jede
Wahrheit zu sagen! --



An Frau von F., in Berlin.

Als ich heute an die Worte in Ihren ersten Zeilen kam:
"Haben Sie etwas wider mich," lachte ich, es war mehr als
lächeln! -- Mir ist nicht eingefallen, daß ich böse sein könnte!
Das müssen Sie auch aus meinem letzten Billet gesehen haben.

noch hinzu: Und wanken und erſchrecken Sie doch nicht,
wenn Sie auch oft glauben werden fertig zu ſein, und plötz-
lich die ganze Krankheit wieder fühlen! Sehnſucht iſt’s als-
dann: und dieſe ein Zeichen des Lebens. Mehr als das Leben
kennen wir ja ohnehin nicht; das ſind wir; das haben wir;
und daraus kann immer etwas Schönes werden. Und wie
wunderbar! Fühlen Sie ſich nur einmal! Rechnen Sie das
bischen Liebeselend nicht. Die Elenden ſind elend! —

Sie werden geneſen! Laſſen Sie ſich auch nicht irre
machen, wenn ich nicht immer freundlich ſein kann: ich kann
es bei meiner innern Verfaſſung, bei gewiſſen Verwirrungen,
nicht; auch Krankheit! Und wenn ich in dieſem Briefe ge-
hemmt ſpreche, ſo iſt’s weil auch ich an mir hämmere, und
ein paar ſchlimme Wachnächte in meinem Bette mit meinem
Herzen verbracht habe; und zum Theil wie zu mir ſelbſt
ſprach. Sie ſehn, wie freundlich und geſprächig ich gleich
werde, wenn Sie geſund werden wollen. Die Welt iſt ſo
voll! Ihr Herz thätig: wo ſollte Armuth, Noth in Armuth,
herkommen, mit geſunden Sinnen, und dem Muthe, ſich jede
Wahrheit zu ſagen! —



An Frau von F., in Berlin.

Als ich heute an die Worte in Ihren erſten Zeilen kam:
„Haben Sie etwas wider mich,“ lachte ich, es war mehr als
lächeln! — Mir iſt nicht eingefallen, daß ich böſe ſein könnte!
Das müſſen Sie auch aus meinem letzten Billet geſehen haben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0315" n="301"/>
noch hinzu: Und wanken und er&#x017F;chrecken Sie doch nicht,<lb/>
wenn Sie auch oft glauben werden fertig zu &#x017F;ein, und plötz-<lb/>
lich die ganze Krankheit wieder fühlen! Sehn&#x017F;ucht i&#x017F;t&#x2019;s als-<lb/>
dann: und die&#x017F;e ein Zeichen des Lebens. Mehr als das Leben<lb/>
kennen wir ja ohnehin nicht; das &#x017F;ind wir; das haben wir;<lb/>
und daraus kann immer etwas Schönes werden. Und wie<lb/>
wunderbar! Fühlen Sie &#x017F;ich nur einmal! Rechnen Sie das<lb/>
bischen Liebeselend nicht. Die <hi rendition="#g">Elenden</hi> &#x017F;ind elend! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Sie <hi rendition="#g">werden</hi> gene&#x017F;en! La&#x017F;&#x017F;en Sie &#x017F;ich auch nicht irre<lb/>
machen, wenn ich nicht immer freundlich &#x017F;ein kann: ich kann<lb/>
es bei meiner innern Verfa&#x017F;&#x017F;ung, bei gewi&#x017F;&#x017F;en Verwirrungen,<lb/>
nicht; auch Krankheit! Und wenn ich in die&#x017F;em Briefe ge-<lb/>
hemmt &#x017F;preche, &#x017F;o i&#x017F;t&#x2019;s weil auch ich an mir hämmere, und<lb/>
ein paar &#x017F;chlimme Wachnächte in meinem Bette mit meinem<lb/>
Herzen verbracht habe; und zum Theil wie zu mir &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;prach. Sie &#x017F;ehn, wie freundlich und ge&#x017F;prächig ich gleich<lb/>
werde, wenn Sie ge&#x017F;und werden <hi rendition="#g">wollen</hi>. Die Welt i&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
voll! Ihr Herz thätig: wo &#x017F;ollte Armuth, Noth in Armuth,<lb/>
herkommen, mit ge&#x017F;unden Sinnen, und dem Muthe, &#x017F;ich jede<lb/>
Wahrheit zu &#x017F;agen! &#x2014;</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>An Frau von F., in Berlin.</head><lb/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">1806.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Als ich heute an die Worte in Ihren er&#x017F;ten Zeilen kam:<lb/>
&#x201E;Haben Sie etwas wider mich,&#x201C; lachte ich, es war mehr als<lb/>
lächeln! &#x2014; Mir i&#x017F;t nicht eingefallen, daß ich bö&#x017F;e &#x017F;ein könnte!<lb/>
Das mü&#x017F;&#x017F;en Sie auch aus meinem letzten Billet ge&#x017F;ehen haben.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[301/0315] noch hinzu: Und wanken und erſchrecken Sie doch nicht, wenn Sie auch oft glauben werden fertig zu ſein, und plötz- lich die ganze Krankheit wieder fühlen! Sehnſucht iſt’s als- dann: und dieſe ein Zeichen des Lebens. Mehr als das Leben kennen wir ja ohnehin nicht; das ſind wir; das haben wir; und daraus kann immer etwas Schönes werden. Und wie wunderbar! Fühlen Sie ſich nur einmal! Rechnen Sie das bischen Liebeselend nicht. Die Elenden ſind elend! — Sie werden geneſen! Laſſen Sie ſich auch nicht irre machen, wenn ich nicht immer freundlich ſein kann: ich kann es bei meiner innern Verfaſſung, bei gewiſſen Verwirrungen, nicht; auch Krankheit! Und wenn ich in dieſem Briefe ge- hemmt ſpreche, ſo iſt’s weil auch ich an mir hämmere, und ein paar ſchlimme Wachnächte in meinem Bette mit meinem Herzen verbracht habe; und zum Theil wie zu mir ſelbſt ſprach. Sie ſehn, wie freundlich und geſprächig ich gleich werde, wenn Sie geſund werden wollen. Die Welt iſt ſo voll! Ihr Herz thätig: wo ſollte Armuth, Noth in Armuth, herkommen, mit geſunden Sinnen, und dem Muthe, ſich jede Wahrheit zu ſagen! — An Frau von F., in Berlin. 1806. Als ich heute an die Worte in Ihren erſten Zeilen kam: „Haben Sie etwas wider mich,“ lachte ich, es war mehr als lächeln! — Mir iſt nicht eingefallen, daß ich böſe ſein könnte! Das müſſen Sie auch aus meinem letzten Billet geſehen haben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/315
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/315>, abgerufen am 19.12.2024.