allein bin. Ich dachte viel an Sie, und war so aufgebracht über Ihres, als über Meines; und aufgebrachter über Ihres. Ich erkläre Ihnen das. Waren Sie allein?
Heute -- schrieb ich wahrhaftig wieder den Morgen: und auch an Moritz, den ich grüßte und Ihrer Besserung ver- sicherte. Ich habe auch gestern einen Brief von ihm gehabt, worin er mir die Hoffnung giebt, daß wir uns diesen Winter noch sehn werden. Aber nur die Hoffnung -- und die kenn' ich schon!
Antworten Sie mir nicht! ich fühle es jetzt, Federkritzeln ist tödtlich. Ich dachte, als ich das Papier zurechtlegte, ich würde Ihnen einen recht tröstlichen Zettel schreiben; er ist nicht so geworden. Heute thäte mir nur gene gut: in Ermange- lung des Rechten! Tra la la la! das Rechte --!
"Vorüber, ihr Schafe, vorüber!" -- -- --
Nun ja! -- Aber auch der Winter vorüber! und wir Muth, das Geringe gering zu achten! "Nichts ist erbärmli- cher, als ein Mensch zwischen zwei Meinungen" sagt auch der Dichter mit sehr schönen Worten im Clavigo, deren ich mich jetzt nicht erinnre.
So wollen wir nicht sein; den Tod selbst will ich mir, hab' ich mir durch Muth abgewehrt: Sie müssen mit her- über! Morgen seh' ich Sie! Grüßen Sie sehr Mad. J., und bewillkommen Sie das Glückskind! Und fragen Sie den Grafen aus!
allein bin. Ich dachte viel an Sie, und war ſo aufgebracht über Ihres, als über Meines; und aufgebrachter über Ihres. Ich erkläre Ihnen das. Waren Sie allein?
Heute — ſchrieb ich wahrhaftig wieder den Morgen: und auch an Moritz, den ich grüßte und Ihrer Beſſerung ver- ſicherte. Ich habe auch geſtern einen Brief von ihm gehabt, worin er mir die Hoffnung giebt, daß wir uns dieſen Winter noch ſehn werden. Aber nur die Hoffnung — und die kenn’ ich ſchon!
Antworten Sie mir nicht! ich fühle es jetzt, Federkritzeln iſt tödtlich. Ich dachte, als ich das Papier zurechtlegte, ich würde Ihnen einen recht tröſtlichen Zettel ſchreiben; er iſt nicht ſo geworden. Heute thäte mir nur gêne gut: in Ermange- lung des Rechten! Tra la la la! das Rechte —!
„Vorüber, ihr Schafe, vorüber!“ — — —
Nun ja! — Aber auch der Winter vorüber! und wir Muth, das Geringe gering zu achten! „Nichts iſt erbärmli- cher, als ein Menſch zwiſchen zwei Meinungen“ ſagt auch der Dichter mit ſehr ſchönen Worten im Clavigo, deren ich mich jetzt nicht erinnre.
So wollen wir nicht ſein; den Tod ſelbſt will ich mir, hab’ ich mir durch Muth abgewehrt: Sie müſſen mit her- über! Morgen ſeh’ ich Sie! Grüßen Sie ſehr Mad. J., und bewillkommen Sie das Glückskind! Und fragen Sie den Grafen aus!
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allein bin. Ich dachte viel an Sie, und war ſo aufgebracht
über Ihres, als über Meines; und aufgebrachter über Ihres.
Ich erkläre Ihnen das. Waren Sie allein?
Heute — ſchrieb ich wahrhaftig wieder den Morgen: und
auch an Moritz, den ich grüßte und Ihrer Beſſerung ver-
ſicherte. Ich habe auch geſtern einen Brief von ihm gehabt,
worin er mir die Hoffnung giebt, daß wir uns dieſen Winter
noch ſehn werden. Aber nur die Hoffnung — und die kenn’
ich ſchon!
Antworten Sie mir nicht! ich fühle es jetzt, Federkritzeln
iſt tödtlich. Ich dachte, als ich das Papier zurechtlegte, ich
würde Ihnen einen recht tröſtlichen Zettel ſchreiben; er iſt nicht
ſo geworden. Heute thäte mir nur gêne gut: in Ermange-
lung des Rechten! Tra la la la! das Rechte —!
„Vorüber, ihr Schafe, vorüber!“ — — —
Nun ja! — Aber auch der Winter vorüber! und wir
Muth, das Geringe gering zu achten! „Nichts iſt erbärmli-
cher, als ein Menſch zwiſchen zwei Meinungen“ ſagt auch
der Dichter mit ſehr ſchönen Worten im Clavigo, deren ich
mich jetzt nicht erinnre.
So wollen wir nicht ſein; den Tod ſelbſt will ich mir,
hab’ ich mir durch Muth abgewehrt: Sie müſſen mit her-
über! Morgen ſeh’ ich Sie! Grüßen Sie ſehr Mad. J.,
und bewillkommen Sie das Glückskind! Und fragen Sie den
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/296>, abgerufen am 29.11.2024.
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