"Ich hab' Unrecht, denn ich kann nicht beweisen, daß ich Recht habe. Und das ist ja sehr Unrecht."
An Rose, in Amsterdam.
Berlin, den 16. Juni 1805. Montag.
Karltge, mein Alter! ich bitte bleib hübsch zu Hause! denn ich bin's wie meines Lebens gewiß, ihr habt seit Freitag eine Landparthie, das Wetter ist umgeschlagen. Euch, liebe Kinder, hilft's nichts, und der Welt schadet es! Es kann so ernst bis zur Hungersnoth werden! Die Minute, wo ihr in Amsterdam wart, wurde das göttlichste Wetter! ohne Spaß, Kinder!
Denk dir, Rose, mir träumt heute Nacht, Louis kommt wieder an! Ich ganz wie außer mir küss' ihn immer, und sage: "Gott wie ist das? ist die Mutter hier? so etwas pflegt ja gar nicht zu geschehen, wie kommt ihr wieder, sprich Louis, rede du mit mir, Gott, Gott! so etwas Gutes ist gewiß ein Traum, sprich du mit mir, faß mich an, damit ich's weiß": so ängstige ich mich, bis du auch hinein kommst; ich sage dir dasselbe; du erzählst mir, ihr seid gleich wieder umgekehrt wegen Toby. "Wollt' es denn der Vater?" sag' ich; -- Nein! aber wir thaten's doch. -- "Faß mich an, es ist gewiß ein Traum!" Du beruhigest mich aber; und ich glaube zu leben. So quäl' ich mich viele Stunden. Und ich versichere dich, der Traum war garstig und quält mich noch! Denn
Antwort.
1805.
„Ich hab’ Unrecht, denn ich kann nicht beweiſen, daß ich Recht habe. Und das iſt ja ſehr Unrecht.“
An Roſe, in Amſterdam.
Berlin, den 16. Juni 1805. Montag.
Karltge, mein Alter! ich bitte bleib hübſch zu Hauſe! denn ich bin’s wie meines Lebens gewiß, ihr habt ſeit Freitag eine Landparthie, das Wetter iſt umgeſchlagen. Euch, liebe Kinder, hilft’s nichts, und der Welt ſchadet es! Es kann ſo ernſt bis zur Hungersnoth werden! Die Minute, wo ihr in Amſterdam wart, wurde das göttlichſte Wetter! ohne Spaß, Kinder!
Denk dir, Roſe, mir träumt heute Nacht, Louis kommt wieder an! Ich ganz wie außer mir küſſ’ ihn immer, und ſage: „Gott wie iſt das? iſt die Mutter hier? ſo etwas pflegt ja gar nicht zu geſchehen, wie kommt ihr wieder, ſprich Louis, rede du mit mir, Gott, Gott! ſo etwas Gutes iſt gewiß ein Traum, ſprich du mit mir, faß mich an, damit ich’s weiß“: ſo ängſtige ich mich, bis du auch hinein kommſt; ich ſage dir daſſelbe; du erzählſt mir, ihr ſeid gleich wieder umgekehrt wegen Toby. „Wollt’ es denn der Vater?“ ſag’ ich; — Nein! aber wir thaten’s doch. — „Faß mich an, es iſt gewiß ein Traum!“ Du beruhigeſt mich aber; und ich glaube zu leben. So quäl’ ich mich viele Stunden. Und ich verſichere dich, der Traum war garſtig und quält mich noch! Denn
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Antwort.
1805.
„Ich hab’ Unrecht, denn ich kann nicht beweiſen, daß
ich Recht habe. Und das iſt ja ſehr Unrecht.“
An Roſe, in Amſterdam.
Berlin, den 16. Juni 1805. Montag.
Karltge, mein Alter! ich bitte bleib hübſch zu Hauſe!
denn ich bin’s wie meines Lebens gewiß, ihr habt ſeit Freitag
eine Landparthie, das Wetter iſt umgeſchlagen. Euch, liebe
Kinder, hilft’s nichts, und der Welt ſchadet es! Es kann ſo
ernſt bis zur Hungersnoth werden! Die Minute, wo ihr
in Amſterdam wart, wurde das göttlichſte Wetter! ohne Spaß,
Kinder!
Denk dir, Roſe, mir träumt heute Nacht, Louis kommt
wieder an! Ich ganz wie außer mir küſſ’ ihn immer, und
ſage: „Gott wie iſt das? iſt die Mutter hier? ſo etwas pflegt
ja gar nicht zu geſchehen, wie kommt ihr wieder, ſprich Louis,
rede du mit mir, Gott, Gott! ſo etwas Gutes iſt gewiß ein
Traum, ſprich du mit mir, faß mich an, damit ich’s weiß“:
ſo ängſtige ich mich, bis du auch hinein kommſt; ich ſage dir
daſſelbe; du erzählſt mir, ihr ſeid gleich wieder umgekehrt
wegen Toby. „Wollt’ es denn der Vater?“ ſag’ ich; —
Nein! aber wir thaten’s doch. — „Faß mich an, es iſt gewiß
ein Traum!“ Du beruhigeſt mich aber; und ich glaube zu
leben. So quäl’ ich mich viele Stunden. Und ich verſichere
dich, der Traum war garſtig und quält mich noch! Denn
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/283>, abgerufen am 27.11.2024.
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