ges, braves Gemüthe, welches man immer trifft, daß er einen selbst erst wieder daran erinnert, daß man brav ist; so etwas durchaus Unbesudeltes und Edles, so etwas Unangetastetes, daß auch kein Irrthum jugendlicher Unwissenheit oder Be- schränktheit bei ihm ist, sondern alles Reinheit und Gesund- heit. Und meinem Alter ist nichts besser, als seine Jugend. Urtheilen Sie, ob ich ihn liebe. Wenn wir nicht Einer Meinung sind, so kommen wir gleich auf den Punkt, wo wir eigent- lich scheiden, und wir scheiden in Frieden und mit Bedacht: welch einen Vorzug, welchen hellen, unbefangenen und regsa- men Geist setzt das voraus. Sie wissen, wie ich das Gegentheil hasse; und wie man damit in diesem Jammerthal zu kämpfen hat! -- oder, wie das vielmehr der ächteste, eigentlichste Jammer in diesem beliebten, mir beliebten Erdenthale ist. Ich kann mir nicht vorwerfen, daß ich das Schlechte nur hasse: ich liebe das Gute, was ich finde, mit der leidenschaftlichsten, tiefsten Verehrung, mit dem deutlichsten Bewußtsein; -- und das ist mein Glück! -- meine Schönheit, die mir der Him- mel gab, das Geschenk der Götter! Ich darf nicht einmal murren. Veit! Sie haben zu Bokelmann gesagt, "unser Verhältniß sei Ihnen das liebste gewesen, und es sei doch auch nichts." Nein! mein Galeerensklave, das ist nicht wahr! Oft mag es seine Grazie verloren haben; seine Würde und seine Ewigkeit -- bis Sie mir ein anderes Wort schaffen -- nie! Und wie wir besser werden, wird es auch besser. Ich werde wirklich besser: also bin ich es von Ihnen überzeugt, und alles ist gut. Nur der Zweifel kann uns dieses Glück rauben! ich leid' es nicht: und ich zweifle nie. Ist das er-
haben,
ges, braves Gemüthe, welches man immer trifft, daß er einen ſelbſt erſt wieder daran erinnert, daß man brav iſt; ſo etwas durchaus Unbeſudeltes und Edles, ſo etwas Unangetaſtetes, daß auch kein Irrthum jugendlicher Unwiſſenheit oder Be- ſchränktheit bei ihm iſt, ſondern alles Reinheit und Geſund- heit. Und meinem Alter iſt nichts beſſer, als ſeine Jugend. Urtheilen Sie, ob ich ihn liebe. Wenn wir nicht Einer Meinung ſind, ſo kommen wir gleich auf den Punkt, wo wir eigent- lich ſcheiden, und wir ſcheiden in Frieden und mit Bedacht: welch einen Vorzug, welchen hellen, unbefangenen und regſa- men Geiſt ſetzt das voraus. Sie wiſſen, wie ich das Gegentheil haſſe; und wie man damit in dieſem Jammerthal zu kämpfen hat! — oder, wie das vielmehr der ächteſte, eigentlichſte Jammer in dieſem beliebten, mir beliebten Erdenthale iſt. Ich kann mir nicht vorwerfen, daß ich das Schlechte nur haſſe: ich liebe das Gute, was ich finde, mit der leidenſchaftlichſten, tiefſten Verehrung, mit dem deutlichſten Bewußtſein; — und das iſt mein Glück! — meine Schönheit, die mir der Him- mel gab, das Geſchenk der Götter! Ich darf nicht einmal murren. Veit! Sie haben zu Bokelmann geſagt, „unſer Verhältniß ſei Ihnen das liebſte geweſen, und es ſei doch auch nichts.“ Nein! mein Galeerenſklave, das iſt nicht wahr! Oft mag es ſeine Grazie verloren haben; ſeine Würde und ſeine Ewigkeit — bis Sie mir ein anderes Wort ſchaffen — nie! Und wie wir beſſer werden, wird es auch beſſer. Ich werde wirklich beſſer: alſo bin ich es von Ihnen überzeugt, und alles iſt gut. Nur der Zweifel kann uns dieſes Glück rauben! ich leid’ es nicht: und ich zweifle nie. Iſt das er-
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ges, braves Gemüthe, welches man immer trifft, daß er einen
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durchaus Unbeſudeltes und Edles, ſo etwas Unangetaſtetes,
daß auch kein Irrthum jugendlicher Unwiſſenheit oder Be-
ſchränktheit bei ihm iſt, ſondern alles Reinheit und Geſund-
heit. Und meinem Alter iſt nichts beſſer, als ſeine Jugend.
Urtheilen Sie, ob ich ihn liebe. Wenn wir nicht Einer Meinung
ſind, ſo kommen wir gleich auf den Punkt, wo wir eigent-
lich ſcheiden, und wir ſcheiden in Frieden und mit Bedacht:
welch einen Vorzug, welchen hellen, unbefangenen und regſa-
men Geiſt ſetzt das voraus. Sie wiſſen, wie ich das Gegentheil
haſſe; und wie man damit in dieſem Jammerthal zu kämpfen
hat! — oder, wie das vielmehr der ächteſte, eigentlichſte
Jammer in dieſem beliebten, mir beliebten Erdenthale iſt. Ich
kann mir nicht vorwerfen, daß ich das Schlechte nur haſſe:
ich liebe das Gute, was ich finde, mit der leidenſchaftlichſten,
tiefſten Verehrung, mit dem deutlichſten Bewußtſein; — und
das iſt mein Glück! — meine Schönheit, die mir der Him-
mel gab, das Geſchenk der Götter! Ich darf nicht einmal
murren. Veit! Sie haben zu Bokelmann geſagt, „unſer
Verhältniß ſei Ihnen das liebſte geweſen, und es ſei doch
auch nichts.“ Nein! mein Galeerenſklave, das iſt nicht wahr!
Oft mag es ſeine Grazie verloren haben; ſeine Würde und
ſeine Ewigkeit — bis Sie mir ein anderes Wort ſchaffen —
nie! Und wie wir beſſer werden, wird es auch beſſer. Ich
werde wirklich beſſer: alſo bin ich es von Ihnen überzeugt,
und alles iſt gut. Nur der Zweifel kann uns dieſes Glück
rauben! ich leid’ es nicht: und ich zweifle nie. Iſt das er-
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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/254>, abgerufen am 25.11.2024.
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