haben. Neben seinem einzigen Sehen. Das bin ich über- zeugt. Ich habe freilich alle Theile noch einmal gelesen, in Töplitz, auf dem Geiersberg, in Dresden und in allen Wirths- häusern und in Berlin. --
An Gustav von Brinckmann, in Berlin.
Pyrmont, den 2. August 1797.
Nun ohne Spaß; das heißt deutsch. Sie vermuthen es gewiß gar nicht mehr von mir, lieber Brinckmann, was Sie mir für eine große Freude mit dem Schlegel machen, welche schöne ganz einzeln stehende Hoffnung Sie mir durch ihn er- wecken: aber noch weniger, und gar nicht, daß ich seine Re- zension gelesen habe. Das ist ein Kopf, worin Operationen geschehen; in den andern regt sich's, und fällt auch wieder, und die Veränderungen sind eben so viel Ungefähre. Wenn ich ihn nur werde kennen lernen; ich meine, wenn ich nur etwas für ihn bin. Ist er herablassend? Jung ist er zwar; aber so klug! il sera -- comme nous -- "triste comme s'il savait tout," und wird nichts mehr wissen wollen. Ich lass' Sie aber für meine Aufnahme sorgen; und will ihn schlechterdings nur durch Sie kennen lernen. Ich bedarf wirklich etwas, was mich freut und erhebt; ich habe so lange in Finsterniß ge- lebt, daß meine starken Augen im Hellen nicht sehen, nur thranen.
Gräfin Engström seh' ich mehr, und sehr affable; sie ge- fällt mir auch immer besser; sie hat sehr Recht, in ihren Mann verliebt zu sein, denn angenehmer und komplaisanter ist leicht
haben. Neben ſeinem einzigen Sehen. Das bin ich über- zeugt. Ich habe freilich alle Theile noch einmal geleſen, in Töplitz, auf dem Geiersberg, in Dresden und in allen Wirths- häuſern und in Berlin. —
An Guſtav von Brinckmann, in Berlin.
Pyrmont, den 2. Auguſt 1797.
Nun ohne Spaß; das heißt deutſch. Sie vermuthen es gewiß gar nicht mehr von mir, lieber Brinckmann, was Sie mir für eine große Freude mit dem Schlegel machen, welche ſchöne ganz einzeln ſtehende Hoffnung Sie mir durch ihn er- wecken: aber noch weniger, und gar nicht, daß ich ſeine Re- zenſion geleſen habe. Das iſt ein Kopf, worin Operationen geſchehen; in den andern regt ſich’s, und fällt auch wieder, und die Veränderungen ſind eben ſo viel Ungefähre. Wenn ich ihn nur werde kennen lernen; ich meine, wenn ich nur etwas für ihn bin. Iſt er herablaſſend? Jung iſt er zwar; aber ſo klug! il sera — comme nous — „triste comme s’il savait tout,” und wird nichts mehr wiſſen wollen. Ich laſſ’ Sie aber für meine Aufnahme ſorgen; und will ihn ſchlechterdings nur durch Sie kennen lernen. Ich bedarf wirklich etwas, was mich freut und erhebt; ich habe ſo lange in Finſterniß ge- lebt, daß meine ſtarken Augen im Hellen nicht ſehen, nur thranen.
Gräfin Engſtröm ſeh’ ich mehr, und ſehr affable; ſie ge- fällt mir auch immer beſſer; ſie hat ſehr Recht, in ihren Mann verliebt zu ſein, denn angenehmer und komplaiſanter iſt leicht
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0183"n="169"/>
haben. <hirendition="#g">Neben</hi>ſeinem einzigen Sehen. Das bin ich über-<lb/>
zeugt. Ich habe freilich alle Theile noch einmal geleſen, in<lb/>
Töplitz, auf dem Geiersberg, in Dresden und in allen Wirths-<lb/>
häuſern und in Berlin. —</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>An Guſtav von Brinckmann, in Berlin.</head><lb/><dateline><hirendition="#et">Pyrmont, den 2. Auguſt 1797.</hi></dateline><lb/><p>Nun ohne Spaß; das heißt deutſch. Sie vermuthen es<lb/>
gewiß gar nicht mehr von mir, lieber Brinckmann, was Sie<lb/>
mir für eine große Freude mit dem Schlegel machen, welche<lb/>ſchöne ganz einzeln ſtehende Hoffnung Sie mir durch ihn er-<lb/>
wecken: aber <hirendition="#g">noch</hi> weniger, und gar nicht, daß ich ſeine Re-<lb/>
zenſion geleſen habe. Das iſt ein Kopf, worin Operationen<lb/>
geſchehen; in den andern regt ſich’s, und fällt auch wieder,<lb/>
und die Veränderungen ſind eben ſo viel Ungefähre. Wenn<lb/>
ich ihn nur werde kennen lernen; ich meine, wenn ich nur<lb/>
etwas für ihn bin. Iſt er herablaſſend? Jung iſt er zwar;<lb/>
aber ſo klug! <hirendition="#aq">il sera — comme nous —„triste comme s’il savait<lb/>
tout,”</hi> und wird nichts mehr wiſſen wollen. Ich laſſ’ Sie<lb/>
aber für meine Aufnahme ſorgen; und will ihn ſchlechterdings<lb/>
nur durch Sie kennen lernen. Ich bedarf wirklich etwas, was<lb/>
mich freut und erhebt; ich habe ſo lange in Finſterniß ge-<lb/>
lebt, daß meine ſtarken Augen im Hellen nicht ſehen, nur<lb/>
thranen.</p><lb/><p>Gräfin Engſtröm ſeh’ ich mehr, und ſehr affable; ſie ge-<lb/>
fällt mir auch immer beſſer; ſie hat ſehr Recht, in ihren Mann<lb/>
verliebt zu ſein, denn angenehmer und komplaiſanter iſt leicht<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[169/0183]
haben. Neben ſeinem einzigen Sehen. Das bin ich über-
zeugt. Ich habe freilich alle Theile noch einmal geleſen, in
Töplitz, auf dem Geiersberg, in Dresden und in allen Wirths-
häuſern und in Berlin. —
An Guſtav von Brinckmann, in Berlin.
Pyrmont, den 2. Auguſt 1797.
Nun ohne Spaß; das heißt deutſch. Sie vermuthen es
gewiß gar nicht mehr von mir, lieber Brinckmann, was Sie
mir für eine große Freude mit dem Schlegel machen, welche
ſchöne ganz einzeln ſtehende Hoffnung Sie mir durch ihn er-
wecken: aber noch weniger, und gar nicht, daß ich ſeine Re-
zenſion geleſen habe. Das iſt ein Kopf, worin Operationen
geſchehen; in den andern regt ſich’s, und fällt auch wieder,
und die Veränderungen ſind eben ſo viel Ungefähre. Wenn
ich ihn nur werde kennen lernen; ich meine, wenn ich nur
etwas für ihn bin. Iſt er herablaſſend? Jung iſt er zwar;
aber ſo klug! il sera — comme nous — „triste comme s’il savait
tout,” und wird nichts mehr wiſſen wollen. Ich laſſ’ Sie
aber für meine Aufnahme ſorgen; und will ihn ſchlechterdings
nur durch Sie kennen lernen. Ich bedarf wirklich etwas, was
mich freut und erhebt; ich habe ſo lange in Finſterniß ge-
lebt, daß meine ſtarken Augen im Hellen nicht ſehen, nur
thranen.
Gräfin Engſtröm ſeh’ ich mehr, und ſehr affable; ſie ge-
fällt mir auch immer beſſer; ſie hat ſehr Recht, in ihren Mann
verliebt zu ſein, denn angenehmer und komplaiſanter iſt leicht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/183>, abgerufen am 09.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.