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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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tag; und so eil' ich, weil es schon spät war, gedankenschwer
nach Haus. "Vorne sind sie Alle." erklang's schon in der
Entree.

In der Rothen; Mama, Christel, Markus'ens, die Kinder.
Ein zierlicher Tisch, mit Symmetrie, von zwei Sardellen-
Saläten, Pflaumen- und Artischocken-Kompötten, kurz Sym-
metrie; und Servietten ohne Tournüre, nämlich unerzogen
aus der Waschfrauen Hand. Ich verschwobe! "Alle Wetter!"
sag' ich, "was ist das! das ist nicht umsonst! heraus mit der
Sprache, Mama, oder Sie überleben den Tag nicht!" Und
so sah ich, und Alle furchtsam, nach den silbernen Schwertern.
Wie Mama das Messer an der Kehle hat, lächelt sie, wird
freundlich, und sagt: "Nun, ihr Narren, heut vorm Jahr
war Rose ihre Hochzeit! und da konnt' ich euch nicht trakti-
ren, darum thu' ich es heut." -- "God save great George the
sister!"
sang alles los, und schwamm in Thränen. Da kam
die Suppe. Sie mußte aber warten; sie, die nie ohne eini-
ges Gewitter erkalten darf; denn Ludwig war abgeschickt, Wal-
ter zu holen; und der Einfall kam aus Mama. Nun, sister,
beurtheile, ob sie deinen wirklichen Hochzeitstag magnanimer
gestimmt war. Auch die Suppe war still; schloß jeden Rauch
in sich, und bewahrte ihre Kröpfchens warm, bis die Jungens
angewaltert kamen. Nachher zittrendes Rindfleisch mit Auster-
sauce, die Kompötte, der Hahn, die Marktorte, "Bier, Wein,
Wasser und Brot," beschreibt Fanny immer. Nach Tisch in
tiefen versunken; und was ächt Levin'sch ist, kein Mensch
hat auch nur eine Gesundheit proponirt -- heute fällt's mir
erst ein -- statt dessen schlug ich vor und erbot mich, Rosen

tag; und ſo eil’ ich, weil es ſchon ſpät war, gedankenſchwer
nach Haus. „Vorne ſind ſie Alle.“ erklang’s ſchon in der
Entrée.

In der Rothen; Mama, Chriſtel, Markus’ens, die Kinder.
Ein zierlicher Tiſch, mit Symmetrie, von zwei Sardellen-
Saläten, Pflaumen- und Artiſchocken-Kompötten, kurz Sym-
metrie; und Servietten ohne Tournüre, nämlich unerzogen
aus der Waſchfrauen Hand. Ich verſchwobe! „Alle Wetter!“
ſag’ ich, „was iſt das! das iſt nicht umſonſt! heraus mit der
Sprache, Mama, oder Sie überleben den Tag nicht!“ Und
ſo ſah ich, und Alle furchtſam, nach den ſilbernen Schwertern.
Wie Mama das Meſſer an der Kehle hat, lächelt ſie, wird
freundlich, und ſagt: „Nun, ihr Narren, heut vorm Jahr
war Roſe ihre Hochzeit! und da konnt’ ich euch nicht trakti-
ren, darum thu’ ich es heut.“ — „God save great George the
sister!“
ſang alles los, und ſchwamm in Thränen. Da kam
die Suppe. Sie mußte aber warten; ſie, die nie ohne eini-
ges Gewitter erkalten darf; denn Ludwig war abgeſchickt, Wal-
ter zu holen; und der Einfall kam aus Mama. Nun, sister,
beurtheile, ob ſie deinen wirklichen Hochzeitstag magnanimer
geſtimmt war. Auch die Suppe war ſtill; ſchloß jeden Rauch
in ſich, und bewahrte ihre Kröpfchens warm, bis die Jungens
angewaltert kamen. Nachher zittrendes Rindfleiſch mit Auſter-
ſauce, die Kompötte, der Hahn, die Marktorte, „Bier, Wein,
Waſſer und Brot,“ beſchreibt Fanny immer. Nach Tiſch in
tiefen verſunken; und was ächt Levin’ſch iſt, kein Menſch
hat auch nur eine Geſundheit proponirt — heute fällt’s mir
erſt ein — ſtatt deſſen ſchlug ich vor und erbot mich, Roſen

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[252/0266] tag; und ſo eil’ ich, weil es ſchon ſpät war, gedankenſchwer nach Haus. „Vorne ſind ſie Alle.“ erklang’s ſchon in der Entrée. In der Rothen; Mama, Chriſtel, Markus’ens, die Kinder. Ein zierlicher Tiſch, mit Symmetrie, von zwei Sardellen- Saläten, Pflaumen- und Artiſchocken-Kompötten, kurz Sym- metrie; und Servietten ohne Tournüre, nämlich unerzogen aus der Waſchfrauen Hand. Ich verſchwobe! „Alle Wetter!“ ſag’ ich, „was iſt das! das iſt nicht umſonſt! heraus mit der Sprache, Mama, oder Sie überleben den Tag nicht!“ Und ſo ſah ich, und Alle furchtſam, nach den ſilbernen Schwertern. Wie Mama das Meſſer an der Kehle hat, lächelt ſie, wird freundlich, und ſagt: „Nun, ihr Narren, heut vorm Jahr war Roſe ihre Hochzeit! und da konnt’ ich euch nicht trakti- ren, darum thu’ ich es heut.“ — „God save great George the sister!“ ſang alles los, und ſchwamm in Thränen. Da kam die Suppe. Sie mußte aber warten; ſie, die nie ohne eini- ges Gewitter erkalten darf; denn Ludwig war abgeſchickt, Wal- ter zu holen; und der Einfall kam aus Mama. Nun, sister, beurtheile, ob ſie deinen wirklichen Hochzeitstag magnanimer geſtimmt war. Auch die Suppe war ſtill; ſchloß jeden Rauch in ſich, und bewahrte ihre Kröpfchens warm, bis die Jungens angewaltert kamen. Nachher zittrendes Rindfleiſch mit Auſter- ſauce, die Kompötte, der Hahn, die Marktorte, „Bier, Wein, Waſſer und Brot,“ beſchreibt Fanny immer. Nach Tiſch in tiefen verſunken; und was ächt Levin’ſch iſt, kein Menſch hat auch nur eine Geſundheit proponirt — heute fällt’s mir erſt ein — ſtatt deſſen ſchlug ich vor und erbot mich, Roſen

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/266>, abgerufen am 26.11.2024.