Aber ich bin entbunden von meinem alten Wahn: ich klage weder mich, noch meinen Freund an. Helden sind wir nicht; er war's in einer Art nicht, ich in der andern nicht. Doch lass' ich mir meinen Vorzug. --
Wir werden uns wiedersehen, und es wird dir wohl wer- den. Ich werde dir allerhand Trost in die Seele leben, und das thut am besten. Du bist müssig in einen Gegenstand verloren. Ich finde dich vertieft, aber nicht lebendig, nicht vegetativ. Vielleicht bin ich rauh; aber denke hin und her, das thut gut: und -- liebe wenn du mußt. Thu was du kannst; ich auch. Ich bleib dir treu, das ist auch viel. Wann kommst du nach Berlin? Den 1. Mai reise ich nach Amster- dam, da bleib' ich eine quinzaine, dann mit Mama zu Hause; wo ich mit Prätension wegreiste, und ohne Forderung wieder- komme; ich werde sie Alle besser finden, -- sie mich vielleicht auch --, und gütiger bin ich gewiß! Und dann meine Hanne! die Bücher, die ganze Welt, die ich aufgenommen habe, und noch aufnehmen muß. --
Antworte mir. Grüß Boye; Luise, und hundertmal Lippe! Sag, bei mir ist nichts verloren, ich wollte schon noch himm- lisch gut gegen ihn sein. Vernachlässigen könnte man mich nur in der Zeit, aber nicht in der That. Und wenn ich wirk- lich etwas für ihn wäre, so würde er mich immer finden. Hübsch wär' es, wenn du mir ein karakterisirendes Wort über deinen Freund geschrieben hättest! Laß Charlotte Rantzau, von der ich jetzt hier viel rede, laß die niedlich-liebenswürdige, durch Lippe von mir grüßen.
Deine R. L.
Aber ich bin entbunden von meinem alten Wahn: ich klage weder mich, noch meinen Freund an. Helden ſind wir nicht; er war’s in einer Art nicht, ich in der andern nicht. Doch laſſ’ ich mir meinen Vorzug. —
Wir werden uns wiederſehen, und es wird dir wohl wer- den. Ich werde dir allerhand Troſt in die Seele leben, und das thut am beſten. Du biſt müſſig in einen Gegenſtand verloren. Ich finde dich vertieft, aber nicht lebendig, nicht vegetativ. Vielleicht bin ich rauh; aber denke hin und her, das thut gut: und — liebe wenn du mußt. Thu was du kannſt; ich auch. Ich bleib dir treu, das iſt auch viel. Wann kommſt du nach Berlin? Den 1. Mai reiſe ich nach Amſter- dam, da bleib’ ich eine quinzaine, dann mit Mama zu Hauſe; wo ich mit Prätenſion wegreiſte, und ohne Forderung wieder- komme; ich werde ſie Alle beſſer finden, — ſie mich vielleicht auch —, und gütiger bin ich gewiß! Und dann meine Hanne! die Bücher, die ganze Welt, die ich aufgenommen habe, und noch aufnehmen muß. —
Antworte mir. Grüß Boye; Luiſe, und hundertmal Lippe! Sag, bei mir iſt nichts verloren, ich wollte ſchon noch himm- liſch gut gegen ihn ſein. Vernachläſſigen könnte man mich nur in der Zeit, aber nicht in der That. Und wenn ich wirk- lich etwas für ihn wäre, ſo würde er mich immer finden. Hübſch wär’ es, wenn du mir ein karakteriſirendes Wort über deinen Freund geſchrieben hätteſt! Laß Charlotte Rantzau, von der ich jetzt hier viel rede, laß die niedlich-liebenswürdige, durch Lippe von mir grüßen.
Deine R. L.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0260"n="246"/>
Aber ich bin entbunden von meinem alten Wahn: ich klage<lb/>
weder mich, noch meinen Freund an. Helden ſind wir nicht;<lb/>
er war’s in einer Art nicht, ich in der andern nicht. Doch<lb/>
laſſ’ ich mir meinen Vorzug. —</p><lb/><p>Wir werden uns wiederſehen, und es wird dir wohl wer-<lb/>
den. Ich werde dir <hirendition="#g">allerhand</hi> Troſt in die Seele leben,<lb/>
und das thut am beſten. Du biſt müſſig in einen Gegenſtand<lb/>
verloren. Ich finde dich <hirendition="#g">vertieft</hi>, aber nicht lebendig, nicht<lb/>
vegetativ. Vielleicht bin ich rauh; aber denke hin und her,<lb/>
das thut gut: <hirendition="#g">und</hi>— liebe wenn du mußt. Thu was du<lb/>
kannſt; ich auch. Ich bleib dir treu, das iſt auch viel. Wann<lb/>
kommſt du nach Berlin? Den 1. Mai reiſe ich nach Amſter-<lb/>
dam, da bleib’ ich eine <hirendition="#aq">quinzaine,</hi> dann mit Mama zu Hauſe;<lb/>
wo ich mit Prätenſion wegreiſte, und ohne Forderung wieder-<lb/>
komme; ich werde ſie Alle beſſer finden, —ſie mich vielleicht<lb/>
auch —, und gütiger bin ich gewiß! Und dann meine Hanne!<lb/>
die Bücher, die ganze Welt, die ich aufgenommen habe, und<lb/>
noch aufnehmen muß. —</p><lb/><p>Antworte mir. Grüß Boye; Luiſe, und hundertmal Lippe!<lb/>
Sag, bei mir iſt nichts verloren, ich wollte ſchon noch himm-<lb/>
liſch gut gegen ihn ſein. Vernachläſſigen könnte man mich<lb/>
nur in der Zeit, aber nicht in der That. Und wenn ich wirk-<lb/>
lich etwas für ihn wäre, ſo würde er mich immer finden.<lb/>
Hübſch wär’ es, wenn du mir ein karakteriſirendes Wort über<lb/>
deinen Freund geſchrieben hätteſt! Laß Charlotte Rantzau,<lb/>
von der ich jetzt hier viel rede, laß die niedlich-liebenswürdige,<lb/>
durch Lippe von mir grüßen.</p><lb/><closer><salute><hirendition="#et">Deine R. L.</hi></salute></closer><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[246/0260]
Aber ich bin entbunden von meinem alten Wahn: ich klage
weder mich, noch meinen Freund an. Helden ſind wir nicht;
er war’s in einer Art nicht, ich in der andern nicht. Doch
laſſ’ ich mir meinen Vorzug. —
Wir werden uns wiederſehen, und es wird dir wohl wer-
den. Ich werde dir allerhand Troſt in die Seele leben,
und das thut am beſten. Du biſt müſſig in einen Gegenſtand
verloren. Ich finde dich vertieft, aber nicht lebendig, nicht
vegetativ. Vielleicht bin ich rauh; aber denke hin und her,
das thut gut: und — liebe wenn du mußt. Thu was du
kannſt; ich auch. Ich bleib dir treu, das iſt auch viel. Wann
kommſt du nach Berlin? Den 1. Mai reiſe ich nach Amſter-
dam, da bleib’ ich eine quinzaine, dann mit Mama zu Hauſe;
wo ich mit Prätenſion wegreiſte, und ohne Forderung wieder-
komme; ich werde ſie Alle beſſer finden, — ſie mich vielleicht
auch —, und gütiger bin ich gewiß! Und dann meine Hanne!
die Bücher, die ganze Welt, die ich aufgenommen habe, und
noch aufnehmen muß. —
Antworte mir. Grüß Boye; Luiſe, und hundertmal Lippe!
Sag, bei mir iſt nichts verloren, ich wollte ſchon noch himm-
liſch gut gegen ihn ſein. Vernachläſſigen könnte man mich
nur in der Zeit, aber nicht in der That. Und wenn ich wirk-
lich etwas für ihn wäre, ſo würde er mich immer finden.
Hübſch wär’ es, wenn du mir ein karakteriſirendes Wort über
deinen Freund geſchrieben hätteſt! Laß Charlotte Rantzau,
von der ich jetzt hier viel rede, laß die niedlich-liebenswürdige,
durch Lippe von mir grüßen.
Deine R. L.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/260>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.